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Kyoto

Zwischen Sake, Geishas und Yuzu: gut trinken in Kyoto

Kyoto, der vermeintliche Nebenschauplatz der japanischen Barkultur, hat zwischen Tempeln und Kirschbaumblüten so einiges zu bieten. In der Stadt, in der mit Michito Kaneko der Diageo World Class-Gewinner von 2015 wirkt, finden sich Weltklasse-Cocktails ebenso wie Bars für Naturweine und Kreativbiere.
Knappe drei Stunden im Shinkansen von Tokio entfernt liegt Kyoto, der ehemalige Sitz des kaiserlichen Hofs von Japan, das mit all seinen Schreinen, Geishas, Gärten und Kirschblüten vor Tradition nur so strotzt. Und womöglich sogar ein bisschen überwältigt. Die mit den im Vergleich zu Tokio knapp eineinhalb Millionen Einwohnern fast beschauliche Stadt bietet aber auch, wenn die Sonne untergegangen ist, einen facettenreichen und vielschichtigen Barkosmos. Und der steht absolut nicht im Schatten Tokios, sondern erscheint entspannter und ist großteils sogar zu Fuß bewältigbar.

Entspanntes Trinken: Bars in Kyoto

Nur weil Kyoto kleiner ist, heißt das dann aber nicht, dass man vor lauter Kneipen, Teehäusern, Bars und Restaurants nicht dennoch leicht den Überblick verlieren kann. Teilweise stapeln sich acht bis neun verschiedene Etablissements auf vier Stockwerke verteilt in ein und demselben Gebäude übereinander, und bei Bars mit Namen wie „Romance“ und „Gentleman Bar“ sieht man schnell den guten Drink vor lauter Schildern nicht.
Bei einem Besuch vor Kurzem und für kurze Zeit hat Mixology online ein bisschen tiefer gegraben und ein paar Bars in Kyoto gefunden, bei denen sich ein Besuch lohnt, und das ganz ohne Touristen im Kimono. Dafür aber mit Sake, Weltklasse-Drinks, Kreativbier und Naturwein.
Gleichmal vorne weg: Auch in Kyoto herrscht die für Japan typische, nichtsdestotrotz unsägliche Sitte der Seating-Gebühr von rund 1.000 Yen bis 2.000 Yen pro Person vor – was rund 7,50 bis 15 Euro entspricht. Der Grund hierfür sind, wie in anderen großen Städten auch, die teils horrenden Mieten, die irgendwie bewältigt werden müssen. Da Trinkgeld in Japan nicht gegeben wird, kommt zudem oft noch eine Service-Gebühr von acht Prozent auf die Rechnung. Kurz gesagt: schon einiges gezahlt, dabei aber noch nicht ein Glas getrunken. Also weiter zum Erfreulicheren, dem Flüssigen.

Sake, Naturwein oder Weltklasse-Cocktails? Alles dabei

Im Wine & Beer Estre im Zentrum Kyotos gibt es auf – wie in Japan oft üblich – extrem begrenzten Raum Bier, Wein und Sake. Dazu werden Barsnacks gereicht, die getrost auch als Abendessen durchgehen, und spätestens beim zweiten Glas Naturwein tauen dann sowohl die Gäste als auch das Personal auf und versuchen sich mit den Englischkenntnissen an den Gästen aus dem Westen. Hier lohnt es sich für einen Aperitif vorbeizuschauen, um sich dann weiter durch Kyotos Nachtleben zu bewegen.
In Sachen Naturwein und Kreativbier – ji-biiru, was als „regionales Bier“ übersetzt werden kann –  ist in Japan die Phase der zögerlichen Neugier überwunden und beides ist fest in der Trinkkultur verankert. Japanisches Kreativbier einerseits blickt auf eine kurze, dafür aber intensive Geschichte zurück, denn erst seit 1994 darf laut Gesetz auch klein und lokal gebraut werden. Die „Großen“ erkannten schon bald das Potential auf dem Archipel und Bars wie das BrewDog Pub folgten auf den Fuß.
Natural Wine hingegen ist schon länger in der japanischen Trinkkultur verwurzelt, und so haben sich neben Bars wie dem Estre auch das Sayura Vins Fins und Weinläden wie das Ethel dem Thema in Kyoto verschrieben – da weiß man mit einer Auswahl mit Weinen vom österreichischen Burgenland bis Ardeche Naturweinfreunde zu begeistern.

Nicht nur Rehe streicheln: Cocktails in Nara

Aber natürlich nicht nur Wein und Bier kann Kyoto, sondern auch Cocktails. In einer ruhigen Seitenstraße unweit des schmalen Shirakawa-Kanals, der sich pittoresk durch das ehemalige Geisha-Viertel Gion zieht, tarnt sich die AOI Gion Bar zwischen Restaurants und klassisch japanischen Isakaya Kneipen. Reduziert, japanisch und auf Einfachheit bedacht wird hier in strenger Andacht getrunken.
Deutlich entspannter geht es etwas außerhalb des Zentrums zu. Nämlich in Nara, einem Vorort von Kyoto, der hauptsächlich bekannt ist für seine zahmen und frei herumlaufenden Rehe. Und für die Lamp Bar, die sich stetig in der World’s 50 Best Bars-Liste wiederfindet. Dort wirkt der Diageo World Class-Gewinner von 2015, Michito Kaneko: kartenlos und selbst ohne gemeinsame Sprachkenntnisse, die über Gruß- und Dankesformeln hinaus gehen, herrscht ein Gespür für die Cocktailwünsche der Gäste.
Der Negroni mit weißem Wermut und Yuzu – ist schließlich immer noch Japan – wusste zu überzeugen, genau wie der Cocktail mit Gin, Sake und Sesamrand am Glas. Die Bar öffnet jeden Tag um 17 Uhr ihre Pforten und lockt an einen der drei Tische oder den langen Tresen in die Dunkelheit. In den Ledersitzen lässt es sich verweilen, während man Kaneko bei der Arbeit zusieht und den Abend laufen lässt.

Cocktails und Calvados in Kyoto

Zurück in Kyoto – und wenn Whisky-Freund, dann sollte die Bar Cordon Noir zweifelsohne auf der Liste stehen. Dort gibt es ganze 800 verschiedene Whiskys aus den 1960ern und 1970ern, inklusive so mancher Rarität und das zu nicht völlig absurden Preisen, dafür aber mit geduldiger Beratung und viel Liebe zum Thema von Seiten des Bartenders.
Apropos spezielle Spirituoseninteressen, auch der Calvados hat in Kyoto seinen Platz. In der Bar Calvador soll es die „größte Calvados-Auswahl der Welt geben“, mit Exemplaren, die teilweise ins 19. Jahrhundert zurückreichen. Aber keine Sorge, hier ist nicht alles Apfel, den es gibt auch noch andere Spirituosen und eine kleine Cocktailkarte.

Cocktails in Kyoto: vielseitig und außerordentlich

Kyoto ist einer dieser Orte, an die man immer wieder zurückkehren kann und jedes Mal wieder etwas neues entdecken wird. Auf den ersten Blick scheint die Stadt fast überfordernd traditionell mit all ihren Schreinen und Geishas, bis man auf den zweiten Blick eine Barszene so vielseitig und reich entdeckt, dass man eigentlich nicht wieder gehen möchte.
Denn auch hier wird gelebt, was in Japan allgegenwärtig scheint: Jede Profession und jedes Handwerk wird mit besonderer Ernsthaftigkeit angegangen, und das führt zu außerordentlichen Ergebnissen. Und eben außerordentlichen Cocktails.

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Foto: Shutterstock

Comments (1)

  • Tourist

    “200 Yen bis 1.000 Yen pro Person vor – was rund 7,50 bis 15 Euro entspricht”
    So schlimm ist es nicht. 1000 Yen sind 7,50 EUR, 200 dementsprechend nur 1,50 EUR.
    Ich habe es als sehr angenehm empfunden, daß es generell in Japan kein Trinkgeld gibt. Rechnungsbetrag = Zahlbetrag.
    Die Erwartungshaltung von Japanern an eine Bar oder Gaststätte ist eine andere. Im Vordergrund stehen die Aufmerksamkeit dem Gast gegenüber und die Präsentation.
    Mein Tip für einen Whisky-Fan sind die Whisky-Ausschänke (nicht die Tour-inkludierten Getränke) in den Brennereien von Nikka und vor allem Suntory. Raritäten für sehr wenig Geld. Suntory Yamazaki liegt leicht außerhalb von Kyoto/ Osaka. Man muß nicht die schwer zu buchenden Tours reservieren; Museumsreservierung reicht.

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