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Matiki Wien

Aloha, Wien! Die Busen-Becher der Matiki-Brüder

Es brauchte zwei belgisch-ukrainische Brüder, um der boomenden Bar-Stadt Wien ihr erstes Tiki-Projekt zu schenken: Arik und Matty Vinnitski haben ihr Matiki eröffnet. In der Bar im Siebten Bezirk haben sie allzu viel Kitsch vermieden, dafür aber den Piraten-Drinks mit Twists die Süße ausgetrieben. Das Ergebnis ist ein neuer Geheimtipp in der Donaumetropole.

Endlich darf er auch bei offiziellen Anlässen stolz das Hawaii-Hemd tragen: Matty Vinnitski hat seine „heimliche Leidenschaft“ in ein Lokalkonzept gegossen. Statt einem Hobbykeller wurde es Wiens erste Tiki-Bar, die er gemeinsam mit seinem Bruder Arik führt. Der kleine Raum in der Gardegasse mit seinen 38 Sitzplätzen spiegelt den Zugang des Duos wider, „vor allem ist Tiki einmal ein Riesen-Spaß“. Damit lässt man Spekulationen über ein neues Biedermeier angesichts täglicher Atombomben-Drohungen außen vor, auch wenn die Blüte der Tiki-Drinks vor einer ähnlichen Weltenbrand-Droh-Kulisse erfolgte. Frei nach Eric Burdon: „Having good times“. Und für Exotisches war die Gegend gegenüber vom Spittelberg immer schon zu haben: Der „Mogulhof“, eines von Wiens ältesten indischen Restaurants, befindet sich ebenso hier wie ein veganes Nepal-Outlet.

Matiki: Das Kinderbuch von der Südsee-Insel

Nun also sind ganzjährige Overproof-Festspiele, nur wenige Schritte vom Volkstheater, angesagt. Der eskapistische Abend in der Südsee beginnt bereits beim Cocktail-Menü, das Antonina Bo mit poppigen Bildern der Drinks versehen hat. Man darf sich die Gute Laune-Liste der 23 Tiki-Cocktails als Mischung aus Eisdielen-Karte und Robinson Crusoe im Graphic Novel-Stil vorstellen.

„Unser Kinderbuch“ nennt sie Arik Vinnitski, der Scherzbold im taubenblau-grünen Tropenraum. Eigentlich könnte die Bar ja auch „Aritiki“ heißen, lacht der jüngere Vinnitski-Bruder weiter, doch letztlich setzte sich der Wien-erfahrene Matty vornämlich durch. Er begann bei Erich Wassicek in der Halbstadt, den meisten Barfliegen an der Donau ist er aber aus der Bar If dogs run free… bekannt. Für die Betreiber, mehrheitlich Architekten, eröffnete er auch die Miranda Bar mit, aus der er diesen Herbst in die eigene Inselwelt wechselte. Einen Drink hat er dabei mitgenommen, denn die gern georderte Bride from Ipanema (12,50 Euro) entstand für eine Hochzeit in der Esterházygasse.

Matty und Arik Vinnitski haben aber auch einen dritten Bruder, der sich von Belgien aus um das Dekor der Bar kümmerte. Details wie die Bambus-Säulen an den Ecken des Tresens verdanken sich Richie aus Antwerpen. Doch der Anspruch des Maßschneiderns endet nicht bei eigenen Entwürfen und der Farbgebung der Wände. Mit Ausnahme des 1950er Mai Tai-Rezepts von Don the Beachcomber wurden alle Original-Drinks adaptiert.

„Mit der Verwendung von Bar-Bitters haben wir das bei uns weniger süß angelegt“, umschreiben die Matiki-Macher den Zugang zu den ikonischen Drinks. Auch beim Gold Cup-Rezept wurden die Proportionen angepasst. Eine kräftige Dosis Pernod verleiht dem von Jeff „Beachbum“ Berry überlieferten Sixties-Cocktail nun würzigen Biss anstelle von Mandel-Süße. Dass damit auch das Trinkanimo geschärft wurde wie Captain Kidds Piratensäbel, sollte kein Nachteil sein. Zumal man aus Gästesicht angenehm moderat bleibt. Um 9,50 Euro etwa gibt es den Bombaclot, Ariks Vinnitskis Twist auf den Junglebird.

Mug-st Du mir auch einen mitbestellen?

Auch die ukrainischen Familien-Connections wurden für den Neuzugang im Siebten Bezirk bemüht – und zwar so gut, dass eigentlich ein zweiter Geschäftszweig daraus erwuchs. „Einige Kollegen waren schon um Tiki-Becher bei uns.“ Diese werden nämlich nach Entwürfen des Duos in kleinen Serien gefertigt und bieten etwa ein intensives Kobaltblau oder eine barbusig-barocke Frauenfigur, die Österreicher an den Urzeit-Fund „Venus von Willendorf“ erinnert. Der Clou an der Ukraine-Manufaktur ist aber, dass sie alle Tiki-Designs auch als Shot-Becher zu fertigen vermag. Und die sind echte Schönheiten geworden, auch jene mit polynesischen Götzen-Gesichtern statt grauen Brüsten, die Halt geben.

Einzig der gruselig-grüne Becher für den Puka Punch fehlt noch am Keramik-Regal. Demnächst wird dann auch der größte Auftrag – die zwei Liter fassende Punch-Bowl im Tiki-Style – in der Gardegasse stehen. Tischweise serviert, sollen nämlich monatlich wechselnde Rezepturen für saisonal beflügelten Trinkspaß im polynesischen Eck von Wien sorgen. Für die bekannte Punsch-Meile am Spittelberg steht diesen Winter also ein tropenfruchtiges Alternativprogramm bereit.

Der Wiener Swizzle aus dem See-Container

Auffällig gut Laune verbreitet auch das Musikprogramm, wenn nicht gerade Billie Holiday von den Schmerzen des Verlassen-Werdens greint. Electro-Swing, Fats Domino (auch schon vor seinem Ableben), Lightning Hopkins und Curtis Stigers wechseln sich in einer Playlist ab, die über bekannte Vorlieben auf Spotify laufend neues ausspielt. „Wir stehen ja selbst stundenlang hier“, kann sich Matty nicht für die ewig gleiche Endlosschleife erwärmen und hat diesen Weg gewählt. We like!

Doch blättern wir weiter im „Bilderbuch“ der Vinnitskis. Ein Crowdpleaser, von dem mittlerweile auch in anderen Bars geschwärmt wird, gelang mit dem Malmö Swizzle. Damit hat nicht nur nordischer Aquavit den Weg Richtung Süden geschafft, sondern er macht sich auch in der Tiki-Version im Binnenland prächtig, der alte Äquator-Schiffer. Er zeigt den Landratten in Wien, prächtig mit Ananas-Grün und Maracuja ausstaffiert wie der Ara auf Long John Silvers Schulter, dass im Matiki die Cocktails die Stars sind.

Die eher nur angedeutete Verbeugung in Richtung Bora-Bora bei der Einrichtung bereitet ihnen nur die Bühne: „Die Drinks sind bombastisch und die eigentliche Deko bei uns.“ Es wurde jedenfalls ein sehr schmackhaftes „Dekor“. Vermutlich werden die Vinnitski-Brothers für viele zum gastrointestinalen Innenausstatter des Vertrauens.

Credits

Foto: Roland Graf

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