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Vom Schraubschlüssel zum Shaker

Spätestens seit der diesjährigen Verleihung der MIXOLOGY BAR AWARDS dürfte sein Name in aller Munde sein: Max Bergfried, der Newcomer des Jahres 2016. Cocktail-Virtuose sondergleichen und doch angenehm geerdet. Mit MIXOLOGY-Autor Philipp Gaux sprach Bergfried über die Vergangenheit, das Jetzt und das Morgen.

Ich erinnere mich noch an unsere erste Begegnung als wäre es gestern gewesen. Mit der utopischen, doch moralbefriedigenden Auffassung vom letzten Drink des Abends setzte ich mich auf den Hocker direkt gegenüber vom damaligen Barchef des Gin & Jagger. „Was kann ich dir anbieten?“ Kaum über die Frage gegrübelt, gerade noch Rezepte sondiert, zauberte er mir einen Drink. „Den hab ich mir Letztens ausgedacht, soll für eine Competition sein“, grinste er über beide Ohren und wartete gespannt mein Urteil ab. Zufrieden und überrascht verließ ich das Bistro mit einem Lächeln gewiss der Tatsache, in Essen eine weitere gute Trinkstätte gefunden zu haben. Zwar wusste ich den Namen vom Drink nicht mehr, den vom Bartender hatte ich jedoch nicht vergessen. Max Bergfried sein Name.

Zeit der Veränderung

Das ist nun knapp 2 Jahre her. Und wiederum 2 Jahre vor dieser Begegnung sah Bergfrieds Leben einmal ganz anders aus: Geprägt von der Monotonie des Arbeitsalltags absolvierte der gebürtige Essener seine Lehre als KFZ-Mechatroniker. „So richtig glücklich wurde ich nie. Immer die gleichen Leute, die gleichen Gespräche, es erfüllte mich nicht“, so Max über die damalige Situation. Doch eines Abends dann sollte sich sein Leben schlagartig ändern. Mit ein paar Freunden war er im Faces – in jenen Tagen Essens Cocktail-Institution Nummer eins – etwas trinken und wurde erfasst und mitgerissen von dieser kontrastreichen Traumwelt voller Spirituosen, unterschiedlichsten Persönlichkeiten und Tummelwiese der Kreativen, die rein gar nichts mit seiner Berufswelt gemein hatte. Von da an war es um Bergfried geschehen. Er heuerte an, durfte als Spüler zunächst die andere vom Gast häufig verkannte Seite der Barwelt kennenlernen. Doch Bergfried reichte das nicht: „Ich nervte Barchef Henning Riecken einfach solange, bis ich endlich mixen durfte, kam außerhalb meiner Einsatzzeiten, um mein Interesse zu bekunden.“ Sein erstes Engagement fand mit der Schließung des Faces jedoch ein rasches Ende. Bergfried schaute also nach neuen Möglichkeiten.

Angekommen im Gin & Jagger (damals noch Balthazar), motivierte ihn der einstige Barchef Lars Bender zu einer Teilnahme an dem 2014 von Havana Club ausgerufenen Wettbewerb „Edition Talento“, der jungen, aspirierenden Bartendern die Möglichkeit gibt, die Luft der großen Bühne unter ihresgleichen zu schnuppern. An ihr nicht nur teilnehmen zu dürfen, sondern sie auch noch zu gewinnen, betrachtet Bergfried rückblickend als einen Meilenstein, durch den sich für ihn viele neue Wege offenbarten. Man nahm ihn ernst, man ließ ihm freie Hand. So war es keine Überraschung, dass sich der Essener nach einem kurzen Intermezzo bei seinem Wegbereiter Sebastian Schneider in der Düsseldorfer Liq-Bar dazu entschied, in seine Heimatstadt zurückzukehren. „Sebastian wurde Markenbotschafter bei Fernet Branca, verließ die Bar und im Gin & Jagger bot man mir eine feste Stelle an“

Die Competition – ein Risiko?

Es folgten zahlreiche weitere Teilnahmen an Wettbewerben, bei denen Max der Fachwelt seinen Ideenreichtum vorstellen konnte. Nicht selten wurden seine Performances mit Jubel begleitet und waren von Erfolg gekrönt. So gewann er unter anderem das Deutschlandfinale von Cointreau 2014 und wurde Zweiter bei der von Axel Klubescheidt initiierten „Absolut Invite“.

Befeuert durch diese Errungenschaften und beflügelt von dem Lob so mancher Jury, vergaß Bergfried jedoch nie die wesentlichen Attribute eines guten Bartenders, die fernab vom Scheinwerferlicht und dem großen Auftritt vielmehr beim Gast und der Tätigkeit als solcher anzusiedeln sind. „Die Kommunikation mit dem Gast macht mir besonders viel Spaß. Ich bin dann zufrieden, wenn seine Erwartungen vielleicht sogar übertroffen werden und er mit einem Lächeln die Bar verlässt“, so Max erdig. Auch nahm Bergfried an vielen Schulungen und Workshops teil, um noch besser zu werden.

Auf zu neuen Ufern

Kreativität ist der Schlüssel, mit dem Bergfried die Schlösser zu immer neuen Ideen zu knacken vermag. So ist seine Motivation vor allem die Symbiose aus gelungener, lockerer Atmosphäre im Team und dem Ausleben seiner Kreativität in der Bar – einer Eigenschaft, derer er sich in seinem alten Leben nicht hat bedienen können. „Natürlich gibt es auch die Momente, in denen die Kreativität auf der Strecke bleibt. Stunden, in denen die Arbeit mehr Arbeit ist als Spaß“, so der heutige Wahl-Kölner. Und er fährt lächelnd fort: „Aber in welchem Beruf ist das nicht so?“

Als der 22 Jahre alte Bartender aus Essen Mitte 2015 für den Newcomer-Award der MIXOLOGY BAR AWARDS 2016 nominiert wurde und diesen Anfang Oktober auch gewann, „war das wie ein Ritterschlag für mich. Ich war total euphorisch und habe mich mega gefreut“, grinst Bergfried. Um seinem neuverliehenen Titel gerecht zu werden, war die Zeit für eine Weiterentwicklung schließlich gekommen: Mit dem Kölner Spirits und dessen erfahrenem, vielfach prämiertem Team rund um Dominique Simon fand Max Bergfried schließlich Seelenverwandte, denen Gastfreundschaft und Schöpfergeist gleichermaßen am Herzen liegt.

Quo Vadis, was bringt die Zukunft?

Dass Bergfried sich nicht auf seinen Lorbeeren ausruhen möchte, zeigt auch sein Bemühen, über den Shaker hinauszublicken. Sein neues Interesse gilt ganz der Erforschung neuer Aromen, die er in dem erst vor kurzem veröffentlichten Blog Fountain of Flavour wöchentlich bespricht. Jeder gute Drink beginnt mit einer Pflanze, –steht es schon im Inlet des Islay-Gins „The Botanist“ – greift der Newcomer des Jahres diesen Leitsatz auf und fügt hinzu, wie cool er es fände, nur noch mit natürlichen Produkten zu arbeiten. Eine Spezifizierung strebe er an und mit dem Blog sei der erste Schritt in die richtige Richtung getan. Und wenn dann die weite Welt einmal rufen sollte, vielleicht gehe er dann auch ins Ausland. „Mal schauen“, so Bergfried gelassen. Man werde von ihm hören, auch wir sind uns da sicher.

 

Der MIXOLOGY-Autor und Max Bergfried kennen sich seit längerer Zeit gut und betreiben gemeinsam ein Blog. Gerade weil sich Philipp Gaux und Bergfried schon lange kennen, war uns allerdings daran gelegen, dass Gaux den Newcomer des Jahres 2016 bei den MIXOLOGY BAR AWARDS porträtiert. Die Neutralität des Autors bleibt gewahrt.

Credits

Foto: Max Bergfried

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