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My June Bar: Denken macht froh – und Bars!

Die Welt ist Wille und Vorstellung, sagt Schopenhauer. Und das heißt lange nicht, dass alles nach den eigenen Vorstellungen laufen muss.Man kann es aber versuchen. Manchmal funktioniert es immerhin zweimal. So wie für Carsten Schröder, der sich neben seiner Bryk Bar erweitert.

Es ist noch dunkel in der My June Bar und still. Es riecht nach Holz, Beton und Arbeit, nach Baumarkt und nach Möglichkeiten. Wenn man durch den Baumarkt geht, sieht man die Versatzstücke seiner Vorstellungen, man legt sie in den Wagen und sammelt Zukunftsmaterialien, nach Konzept. Carsten Schröder hat sich für einen Kamin entschieden, für viele, viele Holzscheite und rote Würfel. Wer Lynchs „Twin Peaks“ mochte, wird sich in der Black Lodge der Sredzkistraße sehr wohl fühlen. Carsten sitzt im Eck, schraubt, putzt und entstaubt. Auf ein Pale Ale in seiner Bryk Bar um die Ecke unterbricht er seine Arbeit. Frau, eine Tochter und zwei Bars – Zeit zu verschenken hat Carsten nun wirklich nicht.

Das BRYK – die Bar für Besondere

In der Bryk Bar ist es nicht ganz so Lynchesque wie in der My June Bar; eher wie in Kubrick’s Korova Milk Bar – bloß ohne Frauentische, versteht sich. Dafür mit Geweihen an den Wänden, denn jüngst war Glenfiddich zu Besuch, um im untergeschossigen Separee für schottische Unterhaltung zu sorgen. Hier riecht es nicht nach Baumarkt und Zukunft, sondern nach Zedernholz und Gegenwart. Nach Gesetztheit und einer Gegend, in der Grauburgunder zum glutenfreien Gratin gang und gäbe ist.

„Mir schien das eine passende Gegend für einen Ort wie die Bryk Bar zu sein,“ so der gebürtige Bremer. „Hier wohnen Menschen, die wissen, wie sie leben wollen. Die verdienen Geld, gehen möglicherweise nicht besonders viel aus, weil sie bereits Familie haben, aber wenn, dann gezielt.“ Denen kommt die Bryk Bar gelegen. Die eigenhändig kuratierte Karte wechselt alle drei Monate, das Personal ist Bar-bewandert ohne übermäßiges Bar-Ego, und es gibt Cocktailkurse – für alle, die es genau wissen wollen. Das Bryk ist der Ort, an dem nicht geraucht wird, weil es um den Einsatz aller Sinne und um den kultivierten Kenner geht. Selbst wenn es bloß um ein Kennertum der Momente geht, in denen man sich Belehrungen an den Bartender sparen sollte. „Wenn ein Gast darauf besteht, dass ich ihm einen Whiskey Sour mache, wie er im Buche steht, ist die Diskussion für mich vorbei“, so Carsten. Und trotzdem freut er sich, wenn sich die Leute auf seine Ideen einlassen. Dass dies meist der Fall sei, fällt zu glauben leicht.

Es dauerte dennoch zwei Jahre, bis das Bryk sich etablieren konnte. „Obwohl hier jeder willkommen ist, scheinen einige Leute Bedenken zu haben, etwas falsch zu machen, sich nicht ausreichend auszukennen.“ Aber dafür gibt´s doch Carsten! Und nicht nur den, mit Cordula Langer an seiner Seite kann konzeptionell kaum mehr etwas schief gehen. Doch auch gut gebaute Häuser wollen bewohnt werden.

My June – my home

Ab dem 1. Oktober 2016 ist die My June Bar in der Sredzkistr. 65 bewohn- und bestellbar. Nach häufigem Pächterwechsel endlich in Händen, die es nicht nur behalten, sondern behüten wollen – vor dem Verfall hochqualitativer Drinks, vor Spätkaufs, die Menschen davon abhalten, in Bars zu gehen. „Ich habe keine Angst vor Leuten, die in andere Bars gehen. Aber Spätis sind gefährlich.“

Wer im Sommer Bier trinken will, geht zum Späti, auch Carstens Kumpels. Der „Dackel“ gegenüber macht zu und Carsten hofft auf gute neue Nachbarschaft. „Bloß bitte nicht noch einen Späti!“ My June ist nämlich eine Bar, in der es angenehm und preislich annehmlich sein soll. Ein 1,50-Euro Bier ist preislich zwar sehr annehmlich, ab den nächsten Wochen aber ungemütlich. Und ohne Kaminfeuer.  Dafür mit Unterschieden. Oben stehen die hochklassischen Spirituosen, in der Mitte die für zehn Euro, drunter die für acht. Da weiß jeder Bescheid und jeder kann entscheiden.

Früher war das My June eine klassische 1990er-Jahre Cocktail Bar ohne den Anspruch an Unterhaltung des mixologischen Volks. „Die Bar ist in einen Dornröschenschlaf verfallen – und wir rütteln sie jetzt mal wach.“ My June war Carstens Stammbar gewesen, als ihr Eigentümer Miguel ihn fragte, ob er sie übernehmen wolle. Ein halbes Jahr hat Carsten überlegt, dann zugesagt. Eine Bar ist viel, zwei Bars sind mehr – mehr Möglichkeit.

Tafeln weisen den Weg

Jetzt wird geraucht, der Fokus auf Highballs gerichtet, es gibt drei Fassbiere und auch Weine. Für den gewöhnlichen Bargänger ist sie die zugänglichere Bar. Sie soll ein gemütlicher Ort werden – einer, an dem man unter der Woche einen Feierabenddrink einnehmen, an dem man sich vor dem Club zusammenfinden und am Sonntag dem Tatort entfliehen kann. Weil My June sieben Tage die Woche geöffnet haben wird.

Carsten geht es nicht um das Geld verdienen. Das sagen viele und es klingt gut. Wer allerdings einen Blick auf Carstens Vita wirft, muss es ihm glauben. „Es gibt die Momente, in denen man sich überlegen muss, was man machen will, womit man glücklich wird“, so Carsten. Ihn macht es glücklich, Konzepte auszutüfteln und sie umzusetzen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Ideen von der Marketing-Abteilung justiert werden, in denen Budgets analog vom eingespielten Profit abhängen und in denen von allem Erdachten nur ein Teil umgesetzt wurde. Nämlich mit der Bryk und der My June Bar.

Das erklärt auch eine Tafel mit Wegweisern vor der Bryk Bar, die auf befreundete oder als gut befundene Bars und Konzepte hinweist. Das macht keiner, der Angst vor Konkurrenz hat und schwabylonische Grabenkämpfe auszukämpfen wähnt. Sondern wer sich entschieden hat, eine geschichts- und gerüchtsträchtige Gegend begehbar zu machen für alle, die es sich gern gut gehen lassen. Ob gehoben oder gemütlich, die Entscheidung macht etwa 50 Meter Wegunterschied, eine falsche gibt es nicht.

Es muss ein schöner Baumarkt sein, in dem Carsten einkaufen war. Das denkt man, bevor man bemerkt, dass es auch ideelle Baumärkte gibt: da liegen Konzepte neben Vorstellungen, Träume, dicht an Zielen und Leidenschaften, die bloß zusammengebaut werden wollen.  Man weiß nicht genau, wie dieser eine Carsten Schröder all das schafft. Dass er es tut, ist offensichtlich. Da gibt es eine Familie, eine fachkundige Crew und einen ganzen Haufen feierfreudiges Berlin, erpicht auf eine Einweihungsfeier.

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