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Old Fashioned Bar Frankfurt

DIE OLD FASHIONED BAR FRANKFURT: FRISCHER WIND AM ALTEN TRESEN

Stummfilme, Tom Waits und Klassiker der American Bar in den Gläsern: Die Old Fashioned Bar Frankfurt hält, was der Name verspricht. Dafür sorgen Barchefin Diana Haider und ihr Team in Alt-Sachsenhausen. Markus Orschiedt zoomt mit einem Teleskopblick hinter den Tresen – und natürlich weit darüber hinaus.

Alt-Sachsenhausen wird nach Jahren der Missachtung und Geringschätzung für die Barkultur immer interessanter. Während lange alles in die Frankfurter City drängte, zeichnet sich in dem Dorf jenseits des Mains, das am Wochenende noch immer mit seinem zweifelhaften Ruf zu kämpfen hat, eine kleine Trendwende an. Schon immer für Qualität hat das Old Fashioned gesorgt, Diana Haider ist hier das Kontinuum dieses Versprechens. „Das Team ist mega nett, also ganz anders als ich“, sagt sie.

Heroinen-Chic: Jetzt in der Old Fashioned Bar Frankfurt

Diana Haider stößt zu einer Zeit in die Männerdomäne Bar vor, in der Bartender als innovativ gelten, wenn sie eine Vanilleschote aufschneiden und zehn Tage lang in Vodka ziehen lassen. So ist das in Berlin-Mitte. Vollgestopft mit Agenturen, mit einem eigens errichteten Supermarkt. Bars sind Clubs mit Unisextoiletten, ficken, Koks, Elektromucke, eine Stunde Schlaf – dickes Ding. Das ist um die Jahrtausendwende, der Neue Markt beseitigt sich selbst, killt Illusionen und Kapital, die Agenturen pleite, der Supermarkt nur noch eine Brache und all die Trauer darüber wird in den verbleibenden Bars begossen, die daraus die Konsequenzen ziehen.

Das billige und schnelle Abfüllen – mit unterkomplexen Dickstrahlpisser-Spirituosen in dubiosen Mischverrenkungen – weicht einer Rückbesinnung und Neuorientierung der Genusskultur, und Bartender teilen die Sehnsucht ihrer Gäste nach besseren, früheren Zeiten. Sie hegen eine neue Ethik und Ästhetik des Trinkens und destillieren aus einem vielschichtigen Handwerk das, was heute gemeinhin als Barkultur bezeichnet wird. Unter den Pionieren und Heroen dieser Bewegung in den Dunkeltageszonen mischen vereinzelt nicht nur Helden, sondern auch Heroinen mit – eine davon ist Diana Haider.

Old Fashioned Bar Frankfurt: Wehrhaft gegen die Absturzschwemmen

Da auch Mobilität zu einem Markenkern des modernen Bartenders gehört, verlässt Haider das zu ihrer unterkühlten Unnahbar-Diktion eigentlich gut passende Berlin. Frankfurt hat zwar kein Mensch verstanden, aber da sind sie ja wieder: die Börsenmongolen, Jungmanager, deren Zigarrendeckblätter aus Telekom-Aktien gerollt sind.

Aber vor allem hungrige Bartender mit Sinn für geerdete Ideen und eine Stadt im Umbruch, mit immer spürbareren internationalen Einflüssen und bei aller hessischen Breitmäuligkeit ein Ort, der Menschen sucht, die auf mehr Lust haben als nur auf Projekte im Berlin-Style. Haider arbeitet in Bars mit so ornamentalen Namen wie The Parlour, Blumen oder Diamonds & Pearls in der Frankfurter City. Frankfurt entwickelt sich zu einer der Bar-Metropolen in Europa. Aber Frankfurt besticht auch durch Tradition, wird bei aller kosmopolitischer Aufladung nie entkoppelt von seinen regionalen Wurzeln.

Eine dieser alten Kapellen ist die Old Fashioned Bar Frankfurt in Alt-Sachsenhausen. Historisch gewachsenes Viertel, am Wochenende immer einen Schritt vor dem Säuferwahnsinn. Haider hat hier zu Beginn des Jahres das Zepter übernommen. „Ich habe vorher schon ein Jahr hier gearbeitet, und als der Besitzer dann lieber in den Süden wollte, habe ich die Bar übernommen. Ich bin Alt-Sax-Fan und wohne auch hier. Klar, am Wochenende herrscht hier oft Junggesellenterror, aber unter der Woche ist das wie auf einem Dorf“, erklärt Haider.

Das Old Fashioned wirkt wie ein Wehr im Strom der unaufhörlich auf den Katarakt zutreibenden Absturzschwemmen. „Wenn die bei uns die Tür aufmachen, realisieren sie gleich, dass es hier keinen Schnaps für einen Euro gibt, und drehen wieder um.“ Dabei gibt es im Old Fashioned auch Apfelwein, das ist eine Referenz an die alten Stammgäste, die man ja auch mitgenommen habe und ganz auf den „Äppler“ könne man in Sachsenhausen nicht verzichten – Tradition und so.

Zurück zu den Wurzeln

Wenn eine Bar Old Fashioned heißt, ist das ein deutlicher Fingerzeig, was man zu erwarten hat. An den Wänden laufen Stummfilme in Schwarz-Weiß, das Konterfei von Tom Waits qualmt imaginär auf knapp hundert Quadratmetern gegen den realen blauen Dunst an, in den Shakern scheppern die Klassiker der American Bar und Haider fühlt sich irgendwie wohl dabei, auch zurück zu ihren eigenen Wurzeln gekehrt zu sein.

„Ich lebe gerne in Frankfurt, würde aus heutiger Sicht nicht zurück nach Berlin gehen, und im Großen und Ganzen pflege ich hier die Schule meines ersten Mentors Jens Hasenbein“, sagt Haider. Der war in den Nuller-Jahren Barchef in der längst untergegangenen Lore-Berlin, in der sich aber immerhin der Nukleus des MIXOLOGY Magazins gebildet hat.

Haider nimmt sich im täglichen Betrieb zurück, ist Teil des Teams, das im Wechsel alle Positionen einnimmt und in der Außendarstellung ohne Chefin auskommt. „Das Team ist die Bar, ich bin besser im Hintergrund aufgehoben.“ Eine kleine Leidenschaft jenseits der Hauptspirituosen Bourbon und Gin, wo schon ein Gin Sour mit Blaubeer-Rosmarin-Ingwer-Twist als Spurwechsel im steten Fluss der guten alten Zeit gilt, leistet sich das Old Fashioned – Mezcal wird mit wachsendem Erfolg der bunt gemischten Gästeschar näher gebracht.

Haider betont: “Klar gehe ich gerne in Bars, in denen wild herumexperimentiert wird und genieße die abstrakten Aromaspiele, aber man muss wissen, wo und für wen man das macht.“ Das entscheidende sei Qualität, egal, wo sie ins Glas kommt. In Sachsenhausen gilt das noch immer als Alleinstellungsmerkmal, das in jüngster Zeit durch Neueröffnungen wie das Bonechina Unterstützung erfährt.

Verschwörung mit dem Bürgermeister

Während an Wochentagen Jazz und Saxophon das Treiben begleiten, lässt man sich am Wochenende von DJs treiben und die Old Fashioned Bar Frankfurt  transformiert sich in eine Bar mit Clubatmosphäre. Elektro Swing und Boogie, Balkan Beats, ab und zu auch Hip Hop oder Deep House geben dann den Rhythmus in der Klappergasse vor.

Am folgenden Tag kommt dann ein alter Bekannter auf seinem Rad vorbei. Murat, der heimliche Bürgermeister, bringt die Pakete, putzt die Fenster, fegt die Terrasse, und nachdem er auf alles und jeden geschimpft hat, sagt er geheimnisvoll: „Doch ich schwör Euch, das Viertel verändert sich. Das meint auch mein Kollege Cunitz. Und dennoch wird mein Alt-Sachsenhausen immer das bleiben, was es ist: ungeschminkt, ehrlich und unverrückbar südlich des Mainstreams.“ Die Eitelkeiten der City sind hier weit weg, und neben Murat wirkt Diana Haider eigentlich ganz nett.

Credits

Foto: Foto via Corinna Kaiser

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