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Sicilia est insula: Die Enklave „Pastamara“ im Wiener Ritz-Carlton

Das „Pastamara“ im Wiener Ritz-Carlton wird dank Negroni-Wagen und Drinks aus Bialettis zum Italien-Urlaub an der Ringstraße. Sorbetto, Aranzini und Pasta mit Bottarga darf man auch erwarten, wenn Sterne-Koch Ciccio Sultano eine „Bar con Cucina“ konzipiert. Roland Graf hat die italienische Oase inspiziert und sich von ihrem Amaro- und Wermut-Schwerpunkt überzeugen lassen.

Erstaunlich viel Freiheit gewährte die Hotel-Leitung dem sizilianischen Kulinarik-Aushängeschild Ciccio Sultano („Il Duomo“/Ragusa). Das beginnt beim Namen des „Pastamara“, das an Nudeln denken lässt, aber auch an Bitterkeit. Die Pasta gibt es hier zwar auch – etwa die mit Thunfisch-Rogen servierten Spaghetti – doch die „bittere Paste“ zitiert eine Kakaobohnen-Spezialität, der die sizilianische Patisserie viel verdankt. Die Insel ist auch die wichtigste Inspiration der „Bar con Cucina“. Doch auch mehr als ein Hauch Milano und Venezia schwebt durch die umgebaute Lobby des Ritz-Carlton.

Vom Panino bis zum Negroni-Ritual 

Früher war hier der Verbindungsteil zwischen den Genussorten des Hotels – Lukas Hochmuths famoser „dark spirits“-Hochburg D-Bar und dem Steak-Restaurant  – und seinen funktionalen Ordnungseinheiten Conciergerie und Rezeption. Dilemma der Architektur: Man war zu groß für ein reines Wartezimmer und zu unruhig für eine echte Lobby-Bar. Heute erinnert nur die nicht veränderbare, geringe Raumhöhe an diese Zeiten als Edel-Durchgang. Denn General Manager Christian Zandonella hat daraus eine ganztägig geöffnete Italo-Gaststätte geschaffen, die im Grunde wie die Piazza des Hotels am Schubertring fungiert.

Ebenfalls ungewöhnlich in Zeiten allgegenwärtiger Erlebnis-Versprechen ist die Definition, die der Südtiroler von der echten italienischen Küche gibt: „Sie ist immer ein wenig melancholisch“, meint er mit Verweis auf die Nonna, deren Rezepte eben niemand mehr so liebevoll serviert. Mit leichten Modernisierungen will die „Pastamara“ nun diese Träne im Knopfloch über dem Pucci-Stecktuch trocknen, cari ospiti!

Da leuchten die Aranzini mit ihrem flüssigen Kern aus Risotto, dort werden Oliven und Thunfischpaste zum Brotkorb gereicht und aus der Moka dampft das Trockeneis, wenn jemand den Espresso Martini (15 Euro) des Hauses bestellt. Apropos Caffé: Zum Frühstück gibt es Hörnchen und Espresso, später dann die Köstlichkeiten, die Sultanos Sous-Chef überwacht, ehe dann finalmente die Stunde des Aperitivo schlägt. Denn er ist die wahre Domäne der Bar, die physisch genau die Mitte des Raumes einnimmt und von der nach zwei Seiten gearbeitet wird. Kommt die „dunkle Luft“, wie der Wiener gerne sagt, dann erwacht das Showpiece der Bar zum Leben.

Wien bleibt Wien: Cocktails mixen statt Politik erklären

Über die Kosten dieses Negroni-Wagens kursieren im tratschfreudigen Wien schon wilde Gerüchte. Wichtiger für Verfechter des Day Drinking ist aber, wie großartig der Drink hier nicht nur in Szene gesetzt wird, sondern auch schmeckt: Wie ein Parfümeur lässt Bar-Chef Roberto Cozzolino, natürlich in weißer Barjacke, die Gäste drei Aromen riechen. Je nach gewähltem Duft – Kardamom, Orangen-Blätter oder Zeder – wird dann der Drink auf makellosem Eis gerührt.

Cozzolino hat politische Wissenschaften studiert und einen feinen Humor; hinter der Bar hat soeben der libysche Regierungschef Platz genommen: „Jetzt schauen wir quasi von Sizilien zu ihm rüber“, lacht der 36-Jährige. Bar-Luft hat er schon daheim in Kampanien geschnuppert, wobei es vor allem der Kaffee war, der Roberto ein neues Studium aufnehmen ließ: „Jeder behauptet in Neapel, mein Espresso ist der beste! Da hat mich interessiert, was da objektiv dahinter steckt.“

Mehrere Stationen später steht er in Bahrain in der „Cantina Kahlo“ am Brett, wo ihn dann Christian Zandonella entdeckt. Denn beim heutigen GM des Wiener Luxushotels und seiner ersten Gastro-Liebe verhält es sich umgekehrt: Er ist ausgebildeter Barkeeper. Und diese Leidenschaft spiegelt sich auch im Pastamara-Angebot.

Italo-Sommerhits im neuen Gewand in Wien

Statt es bei elf Tee-Sorten in der ehemaligen Lobby-Bar zu belassen, blättert er stolz zur Seite mit den Wermuts oder Amari. „Wir wollten das Thema Italien auch nicht sklavisch anlegen“, schimmert durch, dass Zandonella selbst beim Einkauf mitgeredet hat. Denn neben seltenen italienischen Einkäufen – Chinotto, Limos von Galvanina oder die Cedrata von Tassoni zeigt, dass man nicht nur Hochprozentiges kuratiert hat – spielen auch Österreichs Brenner eine Rolle in der Karte. Kirchmayr, Burschik und „Vermutlich“ stehen hier neben La Canallese, Cocchi und Mancino.

Die Mehrheit stellen hier (rare) Spirits vom „Stiefel. Etwa der Etna Bitter oder Puni-Alba-Whisky. So kommt auch der famose Wermut „Oscar .697“ in den mit Olivenöl-Fat-Wash versehenen Martini oder der Rosolio von Italicus in den „Signora Fizz“, wo er auf den Gin del Professore trifft. Ja, auch der medizinale Gin „Fred Yerbis“ aus Spilimbergo schafft dank dem neapolitanischem Produkt-Scout seinen Alpen-Übergang. Und wer Kreativbier aus Palermo möchte – auch das schenkt man gerne aus.

Cool, cooler, Grappa-Cooler

Sinnbildlich für diesen süd-nördlichen Bissens-Transfer wurde der „Milano-Torino“ eingewienert und sorgt als „Catania-Vienna“ (12 Euro) für bitter-süße Freuden. Sieben Aperitiv-Klassiker wurden so abgewandelt, der Pastamara-Spritz etwa erhält mit Blutorangen-Likör eine herbere Note.

Das Prinzip bringen auch die elf Signature Cocktails an den Gast, in der „Bloody (Pasta)Mary“ etwa setzen die fruchtigen Tomaten aus Ciccio Sultanos Salsa die Akzente. Kamille wiederum nimmt dem Grappa das herbe Eck und lässt ihn im „Grappa Cooler“ mit der Zitrusfrucht um die Wette Frische verbreiten. „Auf der neuen Karte gibt es dann auch unsere Variante eines Mai Tai“, blickt Roberto Cozzolino in die nahe Zukunft. Bis dahin sorgten Cannoli für den süßen Ausklang auf der Wiener Indoor-Piazza. Die hätten auch Don Altobello, dem alten Sizilianer aus „Der Pate III“, geschmeckt.

Credits

Foto: Ritz Carlton Vienna

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