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Perle in der Tiefe: Das Purl in London

In dieser Bar gibt es Drinks wie Special Effects, und so mancher Gast hat sich in ihr bereits verlaufen: Das Purl in London zelebriert ein souveränes, aber unprätentiöses Speakeasy-Flair.Dazu muss man nur an der U-Bahn Station Baker Street richtig abbiegen. Und an einem Treppensteher vorbei in die Tiefe steigen.

Die Themse plätschert gemächlich am Tower entlang. Der Londoner Nebel wabert durch die Gassen von Marylebone. Wir verlassen die U-Bahn Station Baker Street. Es gilt, einen Fall zu lösen: Das Rätsel des durstigen Wanderers. Wir wenden uns aber nicht nordwärts, in Richtung der berühmten 221B Baker Street, wo heute das Sherlock Holmes Museum allerlei Wissenswertes über den legendären Detektiv und seinen treuen Gefährten, Dr. John H. Watson, enthüllt. Getränke werden dort leider nicht serviert.

Also lenken wir unsere Schritte südwärts und finden nach ca. 250 Metern die Blandford Street an der Ecke zur Chiltern Street. Eine diskrete Treppe führt hinab ins Untergeschoss und fällt eher dadurch auf, dass ein Tür- beziehungsweise Treppensteher den Eingang hütet. Sehr unauffällig, auch das Schild mit Purl London ist sehr zurückhaltend beleuchtet und entspricht dem zuletzt so gerne thematisierten Speakeasy-Charakter, der die geheimen Bars der Prohibitions-Ära bezeichnet.  Die Purl Bar steht zudem für Murmel-Bar. („Purl“ bedeutet auch: murmeln oder plätschern).

Speakeasy at its best

Der Innenraum ist verwinkelt und ausgestattet mit zahlreichen Details und Accessoires vergangener Tage: Chesterfield-Sofas, historische Globen und altertümliche Kronleuchter oberhalb des Kamins. Bei dem eigentlichen Namensgeber „Purl“ handelt es sich um ein altmodisches englisches Getränk, das bereits in „Die lustigen Weiber von Windsor“ von Shakespeare auftaucht, auch der stets trinkfreudige Charles Dickens setzt es seinen Figuren des öfteren vor. Damals setzte man eine Infusion mit Kräutern – insbesondere Wermut – an und goss mit einem Bier, idealerweise einem klassischen Bitter Ale, auf. Der Purl Cocktail wird heute mit Gin und Ale zubereitet. Zuweilen wird noch ein Schuss Wermut beigemengt. Britische Auswanderer nach Nordamerika trugen die Tradition dorthin und eröffneten „Purl Houses“, in denen sie das Getränk feilboten.

Die Getränke der Purl Bar von heute sind klassisch und modern zugleich. Das Barteam beruft sich auf die Tradition der Cocktailkultur, deren Wurzeln im 19. Jahrhundert liegen. Daher liegt der Fokus bei Design, Stil und Musik auch in dieser Zeit und erstreckt sich bis in die Prohibitions-Ära. Für einen Besuch im Purl sollte man heutzutage nicht mehr flüstern, man sollte mailen oder anrufen. Die Bar ist sehr gut besucht und es herrscht eine „no standing policy“. Die Qualität und Originalität der Drinks zeigt, warum auch unter der Woche die verschachtelten Gasträume so gut besucht sind.

Intim oder mondän – immer wieder neu

Barmanager Lukas Stafin lenkt die Geschicke der Bar und verantwortet das Konzept, aus dem bereits weitere herausragende Trinkorte hervorgegangen sind, wie der Worship Street Whistling Shop nahe Old Street oder das VOC bei King’s Cross.

Er geleitet uns durch das Kellerlabyrinth mit den niedrigen Decken und den nackten Backsteinwänden. Hier lodert der Kamin, dort flackert das Kerzenlicht. Man könnte rings um die markanten Säulen Versteck spielen. „Manche Gäste haben sich auch schon in der Bar verlaufen“, lacht Stafin. Der vordere Teil wirkt eher rustikal, die Ledersessel und das schummrige Licht verströmen Gemütlichkeit. Überraschend öffnet sich dahinter ein weiteres, sehr imposantes, hallenartiges Raumsegment. Gewölbeartige Nischen mit hellen Ledergarnituren unter Kronleuchtern bieten den idealen privaten Rahmen für ein intimes Gespräch oder einen Rückzugsraum für kleinere Gruppen.

Köstlich trifft kreativ – Für Auge und Gaumen

Der Raum ist großartig. Wie sind die Drinks? Die Gäste wirken begeistert. Immer wieder verstummt ein Gespräch, wenn ein nach Trockeneis dampfendes Tablett vorbei getragen wird. Eine Glasvariante ist ein Martini-Glas, bei dem der Stiel zum Strohhalm wird. Ein weiterer Drink kommt in einer Blechdose im englischen Telefonzellen-Look. Dampf, Schaum, Infusion, Smoker und allerlei mutige Zubereitungstechniken sind im Purl selbstverständlich. Sie werden souverän gehandhabt und unprätentiös eingesetzt.

Großartig kam der Hay Hanky Panky daher. Plymouth Gin wird mit Punt e Mes und Fernet Branca vermengt, sowie mit getoastetem Heu, das für zwölf Stunden in Wasser eingeweicht wird. Das Heuaroma fasziniert und ist überraschend intensiv. Sehr amüsant und zugleich köstlich kam der Hunny Bunny daher: Chivas Regal 12 Jahre, Drambuie und hausgemachter Buttersirup. Dazu wird ein Eierkuchen mit Marmelade serviert. Jeder Drink macht Lust auf den nächsten. Geschmacklich ist das faszinierend, verspielt, aber nie mit mangelnder Balance auf Kosten eines speziellen Effekts. Die Preise der Drinks liegen meist um die 12 Pfund.

Jazz, Blues und Swing erklingt aus den diskreten Lautsprechern. Oft sind Bars in Großbritannien sehr laut beschallt. Zu laut für ein angenehmes Gespräch. Im Purl ist die Lautstärke jedoch genau richtig, stimmungsvoll und atmosphärisch begleitend. Mittwochs ist die Musik sogar live, wenn der Pianist beweist, dass das Klavier kein reines Deko-Objekt ist.

Das Purl ist eine wundervolle Bar. Zurückhaltend und eindrucksvoll mit faszinierenden Drinks, beeindruckender Präsentation und wunderbarem und sehr freundlichem Personal. Ein Gang auf den Spuren von Holmes und Watson lohnt. Die Fahndung führt nach Marylebone. Als Belohnung ausgesetzt: allerbeste Drinks.

Credits

Foto: Alle Fotos via Purl London.

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