Im Barhimmel: Die Top 10 Bar-Eröffnungen des Jahres 2016

Damit 2016 nicht nur als Jahr der Verluste – wir sagen nur Bowie, Prince, Cohen – in Erinnerung bleibt, richten wir das Spotlight auf tolle Neuigkeiten. Und das mit zehn neuen Bars, die uns in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf Anhieb gefallen haben.

Jahresrückblicke leben in der Regel nicht von „good news“. Der redaktionelle Seiten- und Sendeplatzfüller lässt vielmehr noch einmal die Galle hochkommen, die Tränen erneut fließen und einen die Welt erneut weniger verstehen. So weit, so schlecht. MIXOLOGY ONLINE hält da dagegen und ruft noch einmal Feines in Erinnerung, das in schnelllebigen Zeiten vielleicht übersehen wurde: Die neuen Bars im GSA-Raum, die zwischen Jänner und November die Szene bereichert haben.

Wenn der Boulevard und seine Entrüstung über ein politisch chaotisches, musikalisch ärmeres Jahr schon außen vor bleiben, sei auch ein „Beipackzettel“ zur Top 10 angefügt: Es ist eine Liste, kein Ranking! Wir freuen uns einfach, wie vielfältig mittlerweile die Bar-Landschaft geworden ist, die sich zwischen dem Sölringer Alembög und dem Tessin, zwischen dem Genfer See und Görlitz erstreckt. In dieser Hinsicht darf man sogar mit dem alten Tresen-Soundtrack-Lieferanten Frank Sinatra summen: „It was a very good year“.

10) Roomers, Baden-Baden

Wir beginnen mit einer Punktlandung. Denn es war der erwartete Start, den der jüngste Neuzugang auf unserer Jahres-Hitliste hinlegte: Enrico Albrecht sperrte die Roomers Bar in Baden-Baden auf und zeigt mit seinem Team, wofür Barkultur heute steht: Cuisine-Style mit Shiso-Kresse, Kürbissuppe und Kastanien in den Cocktails, dazu Augenzwinkern (der „Suppen-Cocktail“ heißt „What the fu***“) und lokale Zutaten. Schließlich ist der Südwesten ja auch Wein-Land.

Und wenn Iwan Sergejewitsch Turgenjew, der berühmte Bewohner der Casino-Stadt im 19. Jahrhundert, die zum neuen Outlet der Gekko Group dazugehörige Rooftop-Bar beträte, würde er wohl erneut attestieren „Hier ist es gut: grün, sonnig, frisch und schön“.

9) Kleinod, Wien

Schon etwas länger sind die Türen in der Wiener Singerstrasse geöffnet; das Kleinod ist auch tatsächlich ein solches geworden: Ein intimer Raum, der mit seiner selbstverstärkenden Dreiteilung – kommunikative Bar-Lehner, flirtende Paare in der Ecke und Checker an den Tischen links vom Eingang – jedem den Start in den Abend ermöglicht. Je nach Gusto mit einem Porn Star Martini oder Tee-Infusionen von Nachbarin Eva Haas.

Das Betreiber-Quartett Oliver Horvath, Alexander „Xandi“ Batik, David Schober und Phillip „Drops“ Scheiber hat mit Marcel Katzer auch einen der aufstrebenden jungen Bartender Wiens an die elegante Bar mit dem legendären Zigaretten-Automaten gebunden. Wenn da nicht die Sorgen mit Anrainern wären, schiene die Sonne der Nacht besonders hell im Schatten des Stephansdoms.

8) Renée Bar, Basel

Klingental im Stadtteil Kleinbasel kam in der ordentlichen Schweiz einem verruchten Kiez so nahe, wie das nur möglich ist. Nun herrscht dort immer weniger Rotlicht, aber umso mehr Rock ‘n’ Roll. Obwohl, mitunter kann es auch House oder Soul sein. Denn im Renée gibt es viel Live-Musik, man legt sich aber nicht fest. Das gilt auch bei den Getränken, wo auch einmal eine Champagner-Verkostung am Plan steht. Als eine der wenigen Adressen mit guten Cognac-Drinks pflegt man die Nachbarschaft zu Frankreich ebenfalls.

Denn Qualität war Patrick Wermelinger schon in seiner alten Wirkungsstätte, der Agora in der Feldbergstrasse, wichtig. Es muss nicht immer Zürich sein, wenn es um Barkultur geht, Basel und Genf (Geheimtipp!) holen mächtig auf. Wir bleiben wunderfitzig (=neugierig), was 2017 bringt.

7) Tiger-Bar (im: Oh, Panama), Berlin

Andere haben einen Koffer in Berlin, Phum Sila-Trakoon hat eine Villa. Denn als großzügiges, leicht kolonial inspiriertes Privathaus, in dem „zufällig“ auch Essen serviert wird, ist das Oh, Panama von Multi-Gastronom Ludwig Cramer-Klett angelegt. Und die Tiger-Bar ist quasi der Salon, in dem man sich in der Potsdamer Straße trifft.

Phum, mittlerweile fixe Berliner Größe, liefert dazu etwa einen Radieschen-Daiquiri. Oder er bringt Bourbon einmal mit der bodenständigen Linse und Sesam zusammen – hier kommt das angeschlossene Contemporary Food-Lab zur Geltung. Nicht zuletzt war diese Kreativität auch auf Wettbewerben nachzuschmecken, bei denen der Barchef aus „Panama“ wieder glänzte.

6) My June Bar, Berlin

Dass die Hauptstadt auch bei unserem subjektiven Jahresrückblick mehrfach anschreibt, war zu erwarten. Eine Verdoppelung stellt in gewisser Weise auch die My June Bar dar, nämlich als Schwester-Bar der Bryk Bar. Und doch funktioniert der im Oktober eröffnete Zweitling in der Sredzkistraße wie Carsten Schröders Wohnzimmer.

Optisch sorgt dafür der Kamin mit Fläz-Sofa, inhaltlich der Fokus auf gutem Bier und Highballs. Und es gibt auch massig Knete. Denn Laura Knete hat den nach ihr benannten, von Florian Faude gebrannten Hip Hop Wannabe-Gin am Start. Wer lieber Diskussionen über Rotovap und Cold Drips führt, kann immer noch in die Bryk wechseln. Clever!

5) Guts&Glory, Karlsruhe

Mit Sarah Deuss als Verstärkung geht Karlsruhes Neueröffnung 2016 ins neue Jahr. Es läuft offenbar im Guts&Glory, das ab sofort auch den Sonntag geöffnet hat. „Man könnte sagen, dass Guts&Glory das Bindeglied zwischen den Städten Mannheim und Stuttgart mit ihren tollen Bars ist“, zeigt sich Mo Kaba noch immer froh, vor sieben Monaten in die Fächerstadt übersiedelt zu sein.

Nachdem die Region hier Ende Dezember ihre „Christmas Barkeeper Reunion“ gefeiert hat, folgt auch die neue „G&G“-Karte: Ab Ende Januar wird es dann Drinks zum Thema Holz und Kohle geben, „passend zur noch kalten Jahreszeit, in der man gerne den Kamin anmacht“, so Mo.

4) Bricks Bar, Düsseldorf

Mit dem Wechsel aus dem Kölner Spirits blieb Max Bergfried am Rhein – und er hat das ruhige Oberkassel (damit seine Kölner Fans hier nicht Düsseldorf lesen müssen) auf die Bar-Landkarte gesetzt. Der Tresen unter den lasziven Blicken der gemalten Nackten an der Wand wird vom Essener (u. a. „Newcomer des Jahres“ bei den vorjährigen MIXOLOGY BAR AWARDS) mit Zutaten abseits der Vodka-Gin-Rum-Trias bespielt.

Speziell mit heimischen Inspirationen, das kann ein Fichtennadel-Sirup, aber auch ein Pflaumen-Brand sein, setzt er Glanzlichter. Deutscher Rum in Düsseldorf? Aber so was von! Dazu sorgt das Restaurant nicht nur für exzellente Speisen-Begleitung (oder umgekehrt), sondern es liefert auch die Hardware für Bergfrieds kreative Ader. Mag noch wer einen Dark and Dirty?

3) Toddy Tapper, Köln

Um in Köln mit einer Bar aufzufallen, braucht es mehr als eine gute Lage. Und Indika Silva hat im Agnesviertel tatsächlich Geschmäcker zu bieten, die in Erinnerung bleiben. Das nach den Palmwein-Zapfern Toddy Tapper benannte Refugium des ehemaligen Shepheard-Bartenders zehrt auch auf der Karte von den aromatischen Inspirationen aus Sri Lanka.

Mit viel Arrack etwa gleist Silva seinen Train to Kandy auf. Kreuzkümmel-Honig und die Süße der Mango entführen hier geistig schnell aus der Dom-Stadt. Und auch wenn es für die Terrasse leider schon zu kalt ist, ein Yuzu-befeuerter Ceylon Mule geht auch im Winter.

2) Herzog, München

Der einstige Kollegen-Flachs von der „Limo-Bar“ wird von Lukas Motejziks Herzog heute als Auszeichnung getragen. Denn es wäre ein leichtes gewesen, in dieser Münchner Lage zu verspießern. Stattdessen hat der immer höfliche Bar-Bayer die Fröhlichkeit, die von der Karte weg im Zephyr, seiner ersten Wirkungsstätte, herrscht, in einem gestyleteren Ambiente (samt Restaurant) auf ein anderes Level gehoben.

Einfach formuliert: Herzog geht immer. Wer neue Bartender anwirbt, trifft sich hier, wer spannende Weine sucht, kommt auch her, wer guten Schmäh braucht, ebenfalls. Ein Slushy? Kein Problem! Und definitiv kommen auch alle, die einen stilvollen Absacker möchten. Denn dafür steht das „All Star“-Team, das sich hier um die Gäste kümmert.

1) Hunky Dory, Frankfurt

Mit David Bowie, dem ersten großen Musik-Verlust dieses Jahres, schließt sich der Kreis: „Hunky Dory“ hieß eines seiner Alben, und diese Devise („Alles gut“) hat auch Armin Azadpour für seine neue Bar gewählt. Denn das Leben geht immer weiter, auch wenn Bowie nicht mehr da ist. Etwa mit den Tisch-Telefonen in der Baseler Straße, die nicht nur zum Bestellen von Tap Cocktails dienen.

Denn der Kinly-Mitbegründer will Kommunikation in seiner Bar, kein tiefsinniges In-den-Tumbler-Starren. Spiele und eben die Telefone unterstützen diesen Ansatz, zu dem es wechselndes Bar-Food gibt. Wenn der nebenberufliche Leder-Designer aus Frankreich retour kommt, sind das auch schon mal frische Austern, die Stunden davor in Cancale geholt wurden. Und zu Silvester wird auch die Dachterrasse, programmierter Frankfurter Sommer-Hit 2017, erstmals bespielt. Prosit!


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert