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Heimkehrer Trattner ist Barmann des Jahres

Mehr Bartender, weniger Show – der Modus des österreichischen Barmann des Jahres-Wettbewerbs wurde 2015 geändert. Der Spirituosenvertrieb Top Spirit und der Gastronomie-Guide Gault Millau” kürten über den Dächern von Wien zum 20. Mal ihren Champion viel Nostalgie inklusive.

 

Gleich vorweg: Die Misswahl-artige, öffentliche Abstimmung per Punktekarte versagte man sich diesmal beim „Barmann des Jahres“. Im 20. Jahr seines Bestehens wurde „wie international üblich abgestimmt“, so Jury-Mitglied Geri Kozbach-Tsai. Gemeinsam mit Österreichs World Class-Teilnehmer Philipp Ernst, Tom Sipos (Barfly’s, Wien) und Alexander Radlowskyj, Präsident der Österreichischen Barkeeper Union (ÖBU), vertrat der „Tür 7“-Bar-Gründer, der auch für die „Neueröffnung des Jahres“ geehrt wurde, die Barszene. Spitzenkoch Alain Weissgerber und das Gault Millau-Herausgeber-Paar Martina und Karl Hohenlohe zählten neben Franz del Fabro vom gleichnamigen Getränkehandel ebenfalls zur zehnköpfigen Jury.

Das Gremium konnte in diesem Jahr vier statt bislang nur drei Teilnehmer bewerten, denn zur Jubiläumsauflage „waren besonders viele Anmeldungen eingelangt“, wie „Top Spirit“-Chef Walter Wallner eingangs verriet. Allerdings mixte das Quartett im 57. Stock des Melia-Hotels gleichzeitig, nicht zeitversetzt. Womit etwa Maximilian Wölle (MH Cocktail-Entertainment) mit seinen besonders aufwendigen Garnituren gut zehn Minuten später an die Bewertungstische treten durfte als der erste Teilnehmer. Doch bevor es überhaupt losging im edel-schwarzen Ambiente auf der Donau-Platte, war noch etwas Nostalgie angesagt.

Exotik anno 1995: Früchte-Import

Rainer Husar, der 1967 seinen ersten Drink servierte, erinnerte als erster Sieger des Bar-Wettbewerbs an frühere Cocktail-Zeiten. „Boston-Shaker? Das war Neuland, da haben wir gestaunt wie die Kinder vorm Christbaum“ erzählt der heute beim Pfarrwirt aktive Doyen launig, während er eine White Lady für die Jury zubereitet. „Von der Europameisterschaft in Opatija haben wir Früchte aus Kroatien mitgebracht, wie man heute Obst aus Japan importiert“, gab es eine andere Schnurre aus der Zeit vor dem Internet, „als noch nicht in Mistelbach oder im Mühlviertel jeder Cocktail nachgemacht werden konnte, der in Honkong präsentiert wurde“. Rückblickend wurden auch die beste Bar der letzten 20 Jahre (Planter‘s Club) sowie die beste „Szene-Location“ (Summerstage, ebenfalls in Wien) ausgezeichnet. Robert Glock dankte in seiner Rede Planter’s-Gründer Peter Rössler, der die Aufbau-Arbeit in der Kolonialstil-Bar geleistet hatte.

Enge Vorgabe fürs Quartett

Nach so viel Rückschau schritten die aktuellen Teilnehmer zur Competition. Sie mussten laut Regelwerk mit Stolichnaya Elit bzw. Bulldog Gin und mindestens einer Bols-Zutat arbeiten. Auch die Gläser (Martini bzw. Ballon-Glas) waren vorgegeben. In der dritten Runde, einer klassischen Black Box-Aufgabe, sollte dann Schlumberger-Sekt zum Einsatz kommen. Der Kreativ-Spielraum war also relativ eng, da auch keine selbstgemachten Zutaten erlaubt waren. Andreas Trattner aus der Grazer Pop up-Bar Viertel 4

legte mit der Startnummer 1 und seinem Vodka-Cocktail „Call me Alpha“ los. Womit er kurioserweise neben seinem aktuellen Barchef, dem wettbewerbserfahrenen Dominik Wolf, um den Sieg mixte.

Weltenbummler Trattner, der bereits in Beaver Creek arbeitete, aber auch 2014 für die Cayman Islands zur World Class nach London fuhr, sorgte vor allem bei der Gin-Runde für das spannendste Geschmackserlebnis. Mit Joghurt-Likör und Zitronensaft baute er eine säuerliche Spannung zu den Himbeeren und dem Vanillesirup auf. Süß-sauer oszillierte der „Hello Bulldog“ benannte Drink, während ansonsten „off the records“ öfters die eindimensionale Süße der Kreationen moniert wurde.

Welke Frühlingsblume: 15 Minuten Delay

Bei Tamás Gömbiczki war aber ohnehin nicht mehr viel zu schmecken; geschlagene 16 Minuten (!) stand die „Frühlingsblume“ im Ballonglas mit Eis am Tresen, ehe sich die Jury ihr widmete. Auch wenn der Ungar aus dem Zweiraum in der Wiener Millennium City aufgrund kleinerer, technischer Unsauberkeiten nicht um den Sieg mitmixte, war der zweimalige Nachteil nicht zu übersehen. Erst in der dritten Runde wurde in gestürzter Reihenfolge serviert. Zufall oder nicht, es gewann jener Teilnehmer, der in zwei von drei Durchgängen den frischesten Drink servieren konnte. Was aber keineswegs den Sieg des 37-jährigen Trattner schmälern soll.

Der frisch gebackene Barmann des Jahres sondiert bereits Angebote für das nächste Auslandsengagement. „Miami schaut derzeit gut aus“, erzählte der gebürtige Steirer. Parallel dazu stehen seine hausgemachten Shrubs, an deren Vermarktung unter dem Label „Alchemist Kitchen“ er aktuell arbeitet (Trattners Favorit: Kirsche), im Mittelpunkt seiner Arbeit. Langweilig wird dem Sieger also keineswegs. Auch wenn er schmunzeln musste, als er den Hauptpreis – eine Reise in die holländische Bols-Zentrale – entgegen nahm. Der kosmopolitische Bartender war erst am Tag vor dem Wettbewerb aus Amsterdam zurückgekehrt.

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