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Diebstahlsicher: Deutschlands beste Barkarte

Einen schönen Comic für Erwachsenenannte die Jury der MIXOLOGY BAR AWARDS die Barkarte des Jahres 2015. Der Vorjahressieger Münchens Zephyr-Bar ist auch für 2016 in dieser Kategorie nominiert. Dabei wurde das Format aus der Not geboren.

Am Beginn des gestalterischen Höhenflugs in Sachen Barkarte stand der schiere Zorn. „Wir hatten im Zephyr immer ein großes Problem mit Diebstahl“, erinnert sich Lukas Motejzik, kreativer Kopf der Münchener Bar. Neben den Tiki-Mugs steckten Gäste gerne auch das in Leder gebundene Bar-Menü ein. Die Bleistiftzeichnungen der Drinks auf durchscheinender Folie schienen es den Gästen angetan zu haben – die Erstauflage von 30 Stück war binnen eines Monats bis auf zwei Exemplare „verschwunden“. Bei einem Stückpreis der Karten von 40 Euro stellte das durchaus eine existentielle Frage für die aufstrebende Bar im Glockenbachviertel dar.

Bar-Zeitung als Zwischenspiel

Die erste Reaktion darauf bestand in der Gestaltung der Folgekarte 2014 als „Einweg-Modell“ im Zeitungsstil. Irgendwann wirkte das Papier dem mit seinem Cuisine-Style (Popcorn-Daiquiri, Oliven-Kaffee-Crusta beim G&T) bekannt gewordenen Moteijzik jedoch zu „billig“. Für die mixologischen Kreationen, die das Barteam kredenzt, sollte es eine wertigere und vor allem dauerhafte Präsentationsform sein, denn auch der Nachdruck der wieder immens beliebten Karten war als Kostenfaktor ein Thema.

So kam letztlich die Idee eines eingeölten Holzbretts auf, das anfangs noch per Siebdruck die Cocktails verzeichnete. Der Vermerk „Please, do not steal this menu!“ geht hierbei schon als fast ironische Reminszenz an die schlechten Erfahrungen der Anfangszeit durch. Denn die heutige Kartenserie (vor drei Wochen folgte die zweite hölzerne Version) besitzt das Riesenformat DIN A3. Die aktuelle Fassung der zweiseitigen Karte aus Holz wurde bereits mit dem Laser beschriftet. „Die Vertiefungen geben dem Ganzen auch haptisch eine wertige Dimension“, schildert Motejzik ebenso stolz wie fachkundig.

Dass auch die neue „Surrealism“-Barkarte des Londoner Artesian aus gelasertem Holz besteht, sieht Motejzik als kleine Bestätigung dieses Ansatzes, mit dem er vor allem die Diebstahlsfrage wirksam beendet hat. „Die Karte ist so sperrig, die geben die Gäste sofort nach dem Bestellen zurück“, lacht der 27-jährige Bartender von der Isar. Erst eine der Holz-Karten wurde geklaut, „wie der das angestellt hat, ist mir ein Rätsel“, gönnt der Münchner dem langfingrigen Gast den Erfolg beinahe.

Fokussierung als Umsatzbringer

Doch es geht nicht nur um die Form; das hölzerne Bar-Menü signalisierte auch einen inhaltlichen Wechsel. Die aufwendige erste Karte mit den Zeichnungen, die immer so gern verschwand, erzählte auf 15 Seiten zu den Drinks noch richtiggehende Geschichten. Im neuen Format fokussiert sich das Angebot auf zwei Seiten. Sie sorgten für einen interessanten Nebeneffekt, der selbst dem Querdenker Motejzik „anfangs gar nicht so bewusst war“. Denn die auf einer Seite des Holzbretts anschaulich aufgelisteten neun Longdrinks, die ebenso viel Platz eingeräumt bekamen wie die Signatures, „wurden plötzlich viel öfter bestellt“. Womit wir uns auch denken können, was Niklas Luhmann zur Barkarte gesagt hätte: Kommunikation ist ein Selektionsprozess, der diese Selektion verstärkt.

„Es ist immer ein chaotischer Prozess, macht aber richtig viel Spaß“, so Lukas Motejzik über die Entstehung einer neuen Karte. Eine wichtige Rolle dabei spielt auch der alte Schulfreund des Bartenders, Christian Wandschneider. Ironischerweise gestaltet der nicht nur Cocktailkarten, sondern kümmert sich im Brotberuf auch um das Erscheinungsbild der „Happy Meals“ bei Mc Donald’s. Das witzige Porträt, das die für die MIXOLOGY BAR AWARDS 2016 nominierte Karte ziert, stammt ebenso von ihm wie das auf den Eiswürfeln tanzende Pärchen im Oktoberfestlook auf dem vor drei Wochen vorgestellten neuen Menü.

Das Ende des Holz-Zeitalters

Zuletzt hat man im Zephyr die Idee des Holzbretts noch radikalisiert und es in die Form eines Glases gesägt. Die schwarze Schnittkante, die der Laser hinterlässt, unterstreicht den Eindruck einer edlen Aufmachung, auch wenn es bei den Motiven und Piktogrammen gewöhnt locker zugeht. Lukas Motejzik, der den „Professor Nickel“ auf der neuen Karte mit einer Crusta aus dehydriertem Pumpernickel und einem Apothekerfläschchen serviert, liebt solche kleinen Details. Umso gespannter darf man sein, was nach dem „Holz-Zeitalter“ folgt. Denn an sich bilden je zwei Karten eines Jahres immer ein gestalterisches Pärchen. Mit Jahresende wird also ein neues Kapitel in der Barkarten-Historie der Bar aufgeschlagen. Ideen für die Winterkarte 2016 gibt es schon, doch als echtem Münchner ist dem Bartender dazu nur eines zu entlocken: „Schau’n ’mia mal“. Nur eines wissen wir jetzt schon: langweilig wird es nicht.

Credits

Foto: Zephyr Bar

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