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Bartender Wohnungssuche

Wo, wenn nicht hier … vielleicht im Wagen?

Ein Vorteil des Bartender-Berufs ist dessen Flexibilität. Diese hat jedoch einen ernst zu nehmenden Feind: die Wohnungssuche. Wir haben mit Bartendern über ihre Erfahrungen bei der Suche nach einer passenden Bleibe gesprochen und gefragt: Ist Wohnen zu einem Luxus geworden, der eine berufliche Reiselust zunehmend erschwert?
Reisende soll man nicht aufhalten, hat mal ein Freund gesagt. Und er hat wohl recht. Viele Bartender haben dieses versteckte Gen, das einem die Füße nicht auf dem immer gleichen Boden halten lässt. Woher es genau kommt, ist ungewiss, doch eines steht fest: Die vergangenen Generationen hatten es auch schon. Der Beruf bietet Freiheit, und diese dient oft als Nährboden für Ideen; und davon haben Bartender reichlich viele. Noch bevor sie halbwegs gut durchdacht sind, stecken sie im Hinterkopf fest, immun gegen Einsprüche von anderen.
Wir haben mit einigen Bartendern gesprochen, die weitergezogen sind, die das Neue wollten und jenem Urinstinkt ihres Berufs gefolgt sind. Dabei sind wir auf einen ihrer Endgegner gestoßen, der auf sie wartet wie ein Monster im dunklen Keller, das seine Zähne fletscht und sich abwartend die Hände reibt. Es ist die Wohnungssuche.

Von Bamberg zur Wohnungssuche in Shoreditch

„Reiselust“, sagt Matthias Ingelmann und macht eine kurze Pause, so als wäre es das Amen vor und nach allem was er zu sagen hat. Er ist schon als Kind oft umgezogen und ist sich nicht sicher, ob ihn überhaupt mal etwas für immer festhalten könnte. Im letzten Jahr ging es für ihn von Bamberg, der Stadt des jungen Ehrgeizes, nach London. Die Wohnungssuche verlief zwar etwas holprig, über eine Agentur und natürlich über Beziehungen, doch das wahre Problem liegt woanders: Seine Miete hat sich dabei ‚marginal‘ verdreifacht.
Sparen ist dementsprechend schwierig. Doch irgendwie wirkt er davon unbeeindruckt, er behält seine typisch ruhige Ingelmann-Art, welche sich nicht von Dingen beeinflussen lässt, die einfach so sind wie sie sind. Seine Bude liegt in Shoreditch und er kann dadurch mit dem Fahrrad in die Arbeit fahren, auch bei Regen. Das passt ihm so ganz gut.

Stuttgart: Wohnungssuche Katastrophe!

Das Fahrrad ist keine Option für Domenic Achtenicht, der hat keine Wohnung in der Nähe bekommen und schläft deswegen auch manchmal in der Bar – wahrscheinlich mit Jigger und Spoon in der Hand. Das Thema ‚Wohnungssuche‘ lässt ihn seufzen.
In Frankfurt am Main war es schon ein Problemthema und in Stuttgart eine Katastrophe, so Achtenicht, vom Mietpreis ganz zu schweigen. Bliebe ihm nach der Mietzahlung noch mehr Geld, würde er den Führerschein machen, Möbel kaufen oder sich vielleicht auch einen Schlafanzug für die Bar besorgen.

Vitamin B in München: Jo mei …

Gerade erst in den Süden gekommen und grinsendes Ausnahmephänomen, ist Poldo Lippisch. München freut sich über seinen neuen Herzog und seine Taschen klackern beim Gehen, denn sie sind voll mit Vitamin B. Die Problematik mit der Wohnungssuche ist ihm zwar bekannt, aber durch gute Beziehungen ist er problemlos untergekommen. Etwas außerhalb, mit Platz für Orso, den Hund. Poldo wird zwar in Berlin vermisst, aber ist jetzt näher bei der Familie und beschreibt seine Situation einfach als „chillig“.
Gut, dass Falco Torini davon nichts weiß, denn der beschreibt seine Wohnungssuche in München auch mit nur einem Wort, dass wir an dieser Stelle leider für uns behalten müssen. Das nennt man wohl Wiener Schmäh.
Zumindest hat auch er etwas gefunden, natürlich über Beziehungen. Ein Zimmer, nahe an der Isar, nahe an der Arbeit, von seinem Fenster aus sieht er viel Grünes. Das klingt doch fantastisch. Bislang jedoch nicht erwähnt wurde der deprimierende Fakt, dass er für dasselbe Geld jeden Monat einen kleinen Gebrauchtwagen kaufen könnte. Falco lenkt sich von dem Gedanken ab und besorgt sich erstmal neue Gartenmöbel für den Balkon.

Globale Wohnungssuche: Lock who’s talkin …

Einer fehlt noch. Ein wahrer Ritter, mit viel Erfahrungen im Zweikampf gegen die Wohnungssuche. Der heimatlose Anton Lock, dessen Weg in den letzten Jahren im Zickzack über den Globus verlaufen ist, toppt sogar Domenic mit zwei Wochen Nachtaufenthalt im Auto, am Beifahrersitz eines Subarus und mit manisch-rotierenden Gedanken über die Frage, wo zum Henker er sein Vitamin B hat liegen lassen.
Der Parkplatz war wohl trotzdem recht schön, sagt er, und beachtlich ist auch, dass der Weltenbummler fast immer ohne Beziehungen durchgekommen ist. Anton hat sich mit den Wohnungssituationen in München, Köln, Saalbach, Canberra und anderen Städten vertraut gemacht und hat wenig Gutes zu erzählen.
Beim Thema Mietpreis redet er sich fast in Rage. Er will schon immer Geld sparen, weiß aber nicht, wie.

Freiheit gekürzt durch Geld

Den wechsellustigen Bartendern kommt der Wandel der Zeit entgegen, denn irgendwie ist unsere Welt kleiner geworden und überall fließen die Spirituosen gleich schnell durch den Ausgießer. Die Optionen sind vielfältig und reichen von einem kleinen Szenewechsel innerhalb von GSA-Ländern bis hin zu anderen Kontinenten. Doch am Ende wird die sensationelle Freiheit eines Bartenders von der eigentlich unwichtigsten Sache im Leben gekürzt, vom Geld, und rückt dadurch in den Vordergrund, wo es eigentlich nicht hingehört.
Keiner der angesprochenen Charaktere tut sich leicht damit, Geld zu sparen. Und hier entpuppt sich dann auch das eigentliche Problem hinter der Wohnungssuche: Wohnen ist zu einem Luxus geworden. Für eine Berufsgruppe ohne Luxusgehälter ist das ein aussichtsloser Strudel, der einem schlechtweg nicht genug Geld übrig lässt.

Nimm’s mit einem Lächeln?

Am Ende war es das Schönste – und dadurch auch das Traurige – an allen Gesprächen, wie beiläufig und ironisch die Bartender dann doch mit der Situation der Wohnungssuche umgehen. Vielleicht eine Eigenschaft des Jobs, in dem es nicht angesagt ist, schlecht gelaunt zu sein, sondern mit einem Lächeln und einer gewitzten Antwort zu dienen.
Photo Credits : Shutterstock

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