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Der Beer Fizz: ein weites Feld voller Möglichkeiten

Mixen mit Bier, leicht gemacht. Ganz jenseits von Infusionen, Bitters und abseitigen Spirituosen wartet eine winzige Untergattung des Cocktailuniversums auf ihre wirkliche Entdeckung. Eine kleine Rundreise durch die Aromenwelten des Beer Fizz.

Man hört es letzthin oft: mit gutem Bier kann man auch jenseits von Radler, Diesel und Ähnlichem ganz formidabel mixen. Befeuert durch die Entwicklung der Braulandschaft bietet die aktuelle Craft Beer-Szene außerdem ein schier grenzenloses Aromenspektrum, das eigentlich nur auf den Einsatz in kreativen mixologischen Sperenzchen warten dürfte.

Bier in der Bar? Ja. Bier im Cocktail? Selten

Allein, die Realität sieht anders aus. Die Anzahl der Bars, die neben einer Auswahl guter Biere auch Cocktails oder Highballs mit Bier anbieten, ist bislang noch überschaubar. Wie Schade! Dabei ist das Feld weitaus weniger „vermint“ als man auf den ersten Blick annehmen könnte. So speziell und eigensinnig Bier für sich manchmal scheinen mag — so vielseitig und bereichernd ist es im Zusammenspiel mit anderen Zutaten. Um vielleicht ein wenig die Angst vor dem Erstkontakt zwischen Bier und Shaker zu nehmen (natürlich nur im übertragenen Sinne, denn Bier gehört niemals in den Shaker!), wollen wir uns heute einmal eine simple Gattung anschauen, die sich derzeit zaghaft verbreitet, einfach zu handhaben ist und die dabei doch unzählige Varianten bietet: den Beer Fizz.

Der Fizz bzw. Collins an sich ist eine mehr als zugängliche Kategorie. Eine Spirituose mit Zucker und Säure „aufgeschlossen“, schließlich mit etwas Soda vitalisiert und verlängert — eine herrliche Erfrischung zu beinahe jeder Tages- und Nachtzeit! Das Soda fungiert nicht nur zur Verdünnung, sondern trägt durch seine Kohlensäure zu zwei weiteren Phänomenen bei: Einerseits erhält der Drink durch die leichte Karbonisierung ein filigraneres Mundgefühl. Und ebenso wichtig ist die Tatsache, dass die Kohlensäure zu einem in sich bewegten Drink führt, dessen Perlenspiel — wie im Falle des Champagners — zu einem deutlicheren Aromentransport an der Oberfläche führt.

Perlen ohne Power

Der einzige Nachteil beim Soda: es verdünnt die vorhandenen Aromen, ohne diesen Verlust durch eigene geschmackliche Komponenten auszugleichen. Manche Bartender behelfen sich in modernen Fizz-Varianten durch andere Filler, um auch nach dem Topping aromatische Intensität beibehalten zu können. Ein Nachteil von Limonaden, die als Filler genutzt werden ist allerdings folgender: sie bringen eine überflüssige Süße in den Drink. Man kann diesem Umstand dadurch begegnen, dass man den Sirup- oder Liköranteil im Fizz reduziert — dennoch ist später bemerkbar, dass mit Limonade aufgefüllt worden ist, weil deren Süße weniger harmonisch eingebunden ist als die des Zuckers, der zuvor mitgeschüttelt wurde.

The Beer does the Trick!

Und hier tritt das Bier auf den Plan. Neben der präsenten Kohlensäure, vor allem bei den untergärigen Stilen wie Pils oder Lager, bringt es eine ganze Menge Aromen mit — aber ohne zusätzliche Süße, sondern eher durch ein erhöhtes Maß an Trockenheit. Bereits vor einigen Jahren setzte sich Jeffrey Morgenthaler mit dem Shandy auseinander, also dem bei uns als „Radler“ bekannten Mischgetränk aus Bier und Zitronenlimonade. Und siehe da, Morgenthalers These ist so einfach wie präzise, so direkt wie genial: „Es geht nicht darum, das Bier fruchtig oder süß zu machen. Es geht darum, Dryness in die Limonade zu bekommen.“ Exakt diese Funktion kann das Bier im Fizz auch übernehmen. Und das unter Hinzubringung einer gewaltigen, schier endlosen Fülle weiterer Geschmacksnoten!

Besonders Fizzes, die auf leichten, weißen Spirituosen basieren, lassen sich durch die Zugabe spritziger, fruchtiger Biere oftmals im Handumdrehen in eine völlig andere Richtung lenken. Angefangen beim Vodka Fizz, kann dieser durchs Auffüllen mit einem guten Lager weitaus prägnanter werden: die malzige Frische und feine Bittere eines Lagerbieres oder leichten Pilseners unterstreicht die getreidigen Noten des Vodkas und macht aus einem Drink mit dem Spirituosen-Underdog eine frische, komplexe, aber nicht überfordernde Angelegenheit, mit der man auch Cocktail-Neulinge erfreuen kann.

Gin Fizz 2.0

Noch spannender wird es bei Gin, weißem oder goldenem Rum. Hier bieten sich kraftvolle tschechische Pilsener oder nicht zu intensive, aromagehopfte Pale Ales an, die häufig schon für sich allein einen regelrechten Obstkorb ins Glas befördern. Ein Gin Fizz, anstelle von Soda mit einem Pale Ale getoppt, fächert seine Aromenstruktur in ungeahnte Weiten auf — keine hohe Mixologie, aber ein erstaunlicher Drink! Je nach verwendetem Bier und den darin enthaltenen Hopfensorten kann der Fizz sich in zitruslastige, exotische, herbale oder blumige Richtungen bewegen.

Und all das, wie erwähnt, unter Beibehaltung einer erfrischenden, knackigen Trockheit, die kein Soda dieser Welt jemals erzeugen kann. Durch eine geeignete Garnitur, von diversen Zesten über Minze und Dörrobst bis zu saisonalen Beeren, lassen sich die hervorgebrachten Geschmackswelten noch vertiefen. Biere mit Polaris-Hopfen bringen einen Fizz mit ätherischer Frische hervor, während Mandarina, Chinook oder Citra für ordentlich Zitrone und Orange sorgen; Mosaic-Hopfen wiederum führt in die Welt von reifer Mango, Aprikose und Melone.

Ein besonderer Twist kann leicht mit einem Weizenbier auf den Plan gerufen werden, das neben der kraftvollen Kohlensäure auch seine charakteristischen Töne von Banane, Vanille und Fruchtestern, und damit eine unerwartete Würze in den Fizz bringt, besonders im Zusammspiel mit der grasigen Frische eines Blanco Tequilas. Der Hopfen aus dem Bier führt ferner zu einem nachhaltigeren Finish im Mund, wie es ein konventioneller Fizz kaum haben wird. Einzig auf Eiweiß sollte verzichtet werden, weil ansonsten beim Auffüllen eine Schaumbildung entsteht, die häufig nicht zu kontrollieren ist und den Mixvorgang unnötig verlängert.

Der neue Begleiter zum Dessert

Doch es muss nicht zwangsläufig die leichte, fruchtige Ecke für laue Grillabende sein. Wer nach schwereren Geschützen sucht, der wird vielleicht fündig in einer Kombination aus Bourbon oder gereiftem Rum mit einem vollmundigen Stout oder Barley Wine. Jene Paarungen, die sich durch die Zugabe einiger Spritzer Orangensaft harmonischer präsentieren, eignen sich dann oft als echte Sipping Drinks voller Tiefe und Charakter, mit Noten von Salmiak, Nelken, dunklem Karamell, Anis, Rübensirup oder Toffee — ein Traum zu so manchem Dessert! Gerade die dunklen Bierstile und ihre zurückhaltende, aber extrem feine Kohlensäure bringen außerdem eine sonst nicht vorhandene Cremigkeit mit in den Fizz. Der Einsatz von Bitters wird obsolet, denn Bier und Spirituose bringen eine Komplexität hervor, wie sie sonst nur selten erreicht wird.

Wir sehen: was vielen, gerade ungeübteren Gästen vielleicht auf den ersten Blick widersinnig erscheint, ist in Wahrheit ein immenses, kaum erschlossenen Feld der Barkultur. In erster Linie darf gehofft werden, dass sich mehr Bartender der Thematik annehmen und so die Barflys davon überzeugen, dass das Mixen mit Bier weitaus mehr sein kann als Pils plus Limonade — und das absolute Gegenteil jener obskuren Biermischgetränke. Und über die Wahl des Sirups haben wir noch gar nicht gesprochen. Ein guter Beer Fizz ist nichts anderes als eine Delikatesse, die alles hat, was ein zeitgemäßer Drink braucht. Und das bei so wenig Aufwand.

Credits

Foto: Bier & Tools via Shutterstock. postproduktion: Tim Klöcker

Comments (2)

  • Herr S.

    Das ein oder andere Rezept wäre bei einem solchen Artikel natürlich die Schaumkrone…

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    • Redaktion

      Lieber Herr S.,

      gerade das – nämlich Rezepturen versammeln – wollte dieser Artikel nicht. Es ging vielmehr darum, einige Anregungen in Richtung dessen zu geben, was im Bereich Bier-Fizz für Möglichkeiten bestehen. Letztendlich sind, wie im Text beschrieben, die Grenzen nicht eng: ein einfacher Sour im Verhältnis 5/3/2 (Spirituose/Säure/Zucker) wird geschüttelt und nach dem Abseihen auf Eis vorsichtig mit einigen cl Bier der Wahl aufgegossen. Welche Paarungen sich anbieten, können Sie wiederum dem Text entnehmen. Aber auch Experimente sollen und wollen erlaubt sein 😉

      Ich hoffe, ein wenig geholfen zu haben. Herzliche Grüße aus der Redaktion,

      Ihr Nils Wrage

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