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Benjamin Padron

»Versuchen Sie das mal in einem Restaurant!«

Im Jahr 2011 eröffnete die Licorería Limantour und legte die Schiene für eine moderne Cocktailkultur in Mexico City. Wir haben Betreiber Benjamín Padrón Novoa zum Interview getroffen

Benjamín Padrón Novoa hat sich relativ spät für die Bar entschieden. Als er im Jahr 2011 die Licorería Limantour in Mexico City mit eröffnet, hat er bereits 15 Jahre im Marketing großer, globaler Firmen gearbeitet. Heute gilt die Bar, von der es mittlerweile auch einen Ableger gibt, als eine der führenden Adressen Lateinamerikas und wird regelmäßig in der Liste der World’s 50 Best Bars geführt. „Mit dem internationalen Echo haben wir nicht gerechnet, wir haben als Nachbarschaftsbar geöffnet“, so Benjamín Padrón Novoa, den wir anlässlich des World-Class-Finales in Glasgow, wo er als Juror tätig war, zum Interview getroffen haben.

MIXOLOGY: Benjamin, Du hast dich 2009 entschieden, deine Tätigkeit als Brand Manager aufzugeben, die du u.a. für Calvin Klein, Braun Oral B, Bacardi oder Nestlé gemacht hast. Du feierst praktisch ein Jahrzehnt in der Bar. Wie kam es?

Benjamín Padrón Novoa: Ich war im Marketing tätig, mein letzter Job hatte mit Rum zu tun. Das hat mein Interesse geweckt, und ich bin nach London gegangen, um etwas über Cocktails und Bartending zu lernen. Als ich dann zurück nach Mexiko kam, haben Freunde eine Bar eröffnet. Sie hatten einen Nachtclub und die ganzen Genehmigungen, ich kannte mich mit Cocktails aus. Also haben wir was zusammen gemacht.

MIXOLOGY: Du hast praktisch den umgekehrten Weg genommen: Nicht zuerst Bartender und dann Brand Manager, sondern zuerst Brand Manager und dann Bartender …

Benjamín Padrón Novoa: Das macht auf jeden Fall mehr Spaß so. Ich wüsste nicht, warum man es anders machen sollte. (lacht)

»Für unser einjähriges Jubiläum hatten wir Luca Cinalli eingeladen, um eine Masterclass zu geben. Es waren zwölf Leute da, darunter eine einzige Frau«

— Benjamín Padrón Novoa

MIXOLOGY: Was war die eigentliche Motivation hinter Deinem Wechsel in die Bar?

Benjamín Padrón Novoa: Ich habe 15 Jahre mit internationalen Marken gearbeitet. Das ist harte Arbeit, aber es wird oft nicht gesehen, was du eigentlich machst. Eine Bar ist ebenfalls harte Arbeit, aber du hast zumindest einen Gast am Tag, der dir sagt: ‚Das ist ein großartiger Cocktail.‘ Du hast jeden Abend eine Belohnung. Unsere Vision war, sowohl den Kunden zu erziehen, als auch etwas für die hiesige Bartender-Szene zu machen. In der Bar zu arbeiten ist eben Arbeit, kein Hobby. Der Job ist sehr spezialisiert, man braucht Zeit und muss fokussiert sein. Bartending ist keine einfache Arbeit, denn man arbeitet nachts und ist von Alkohol umgeben.

MIXOLOGY: Wie würdest Du die Barszene in Mexico City, wo die Licorería Limantour ist, beschreiben? Kennt man sich in so einem Riesenmoloch mit knapp 9 Millionen Einwohnern überhaupt?

Benjamín Padrón Novoa: Doch! Als wir aufgemacht haben, hatten wir nur eine Nachbarschaftsbar im Sinn. Wir dachten nicht daran, internationale Aufmerksamkeit zu erregen. Für unser einjähriges Jubiläum hatten wir Luca Cinalli eingeladen, um eine Masterclass zu geben. Es waren zwölf Leute da, hauptsächlich unsere Belegschaft, darunter eine einzige Frau. Zu unserem sechsten Geburtstag haben wir Luca wieder geholt, aber dieses Mal hat er vor mehr als 100 Menschen gesprochen. Es sind jetzt auch mehr Frauen in der Branche. Das wächst also stark. Die Gäste verlangen nach Cocktails, zuvor war es etwas Neues. Wenn wir anfangs einen Drink mit Crushed Ice serviert hatten, haben sich manche aufgeregt, warum wir ihnen nur Eis und keinen Alkohol vorsetzen würden. Das war also ein Erziehungsprozess, und das müssen wir weiterhin machen: vor und hinter dem Tresen.

MIXOLOGY: Was wird in Mexiko hauptsächlich getrunken: Ist Tequila Nationalstolz oder ist man vielmehr doch neugierig auf importierte Spirituosen?
Benjamín Padrón Novoa: Meine Beobachtung ist, dass Männer mehr zu mexikanischen Spirituosen greifen und Frauen offener sind, Neues zu probieren. Wenn ein Mann eine Kategorie Schnaps trinkt, ist es schwieriger, ihn zu etwas anderem zu bewegen, und wenn sie einen Cocktail trinken, dann mit ihrer Lieblingsspirituose. Frauen gehen an eine Empfehlung eher mit der Haltung ran: Klingt gut, das probier ich mal.

»Der Export von Tequila wächst von Jahr zu Jahr, seit drei Jahren gibt es Exportrekorde. Die Welt ist durstig nach Tequila.«

— Benjamín Padrón Novoa

MIXOLOGY: Tequila und Mezcal wird in Deutschland ein ständiger Trend diagnostiziert, gleichzeitig hat er noch Altlasten als Partyshot-Spirituose. Wie ist das in seiner Heimat?
Benjamín Padrón Novoa: Vor ca. acht Jahren hatte Tequila in etwa 70 bis 75 Prozent vom mexikanischen Markt, dann ist es auf 50 Prozent eingebrochen. Jetzt ist man wieder bei etwa 60 bis 65 Prozent angekommen – ich spreche vom allgemeinen Konsum, nicht vom Verhältnis in Cocktails. Der Export wächst von Jahr zu Jahr, seit drei Jahren gibt es jedesmal Exportrekorde. Die Welt ist durstig nach Tequila.

MIXOLOGY: Habt Ihr auch deutsche Spirituosen in der Bar?
Benjamín Padrón Novoa: Nein. Haben wir mal probiert, aber der Import ist ein Problem. Egal ob bekannte Marken aus Deutschland, Frankreich oder Italien, sie sind nicht Mainstream, und es ist schwierig, sie zu importieren: Lieferung, Zölle, Koordination. Wenn wir etwas haben und ich möchte es auf die Karte setzen, geht das nicht, denn wenn es aus ist, bekomme ich es erst wieder in drei oder vier Monaten.

MIXOLOGY: Suchst du Ausgleich, wenn Du nicht in der Bar stehst?
Benjamín Padrón Novoa: Das ist für jeden wichtig. Sonntags und Montags versuche ich es ruhiger angehen zu lassen. Aber auch das ist schwierig, denn auch an diesen Tagen ist unsere Bar mittlerweile recht voll. Es kommen viele Touristen nach Mexiko, und immer mehr kommen nicht wegen der Strände, sondern wegen der Städte. Sie sind kosmopolitischer geworden. Wenn ich nach London, Paris oder Hongkong fahre, stelle ich fest, dass Mexiko City den Abstand verkleinert hat.

»Was macht man, wenn man in eine Stadt kommt? Man googelt. Und dann liest man, dass wir in der Liste der World’s 50 Best Bars stehen.«

— Benjamín Padrón Novoa

MIXOLOGY: Es hilft vermutlich, dass das Licorería Limantour regelmäßig bei den World’s 50 Best Bars gelistet ist?
Benjamín Padrón Novoa: Natürlich. Denn was macht man, wenn man in eine Stadt kommt? Man googelt. Dann liest man, dass wir in der Liste der World’s 50 Best Bars stehen. Man hat auch eine bessere Chance als bei einem Restaurant, das in dieser Liste geführt wird. Beim Restaurant ist es nicht sicher, ob man einen Platz bekommt, außerdem man muss länger im Voraus planen. Und man weiß, es wird teuer. Für eine Bar kannst du dich auch in letzter Minute entscheiden, und selbst wenn sie voll ist, ist das Schlimmste, was dir passieren kann, dass du in einer halben Stunde wiederkommen musst. Nimm London: Du kannst in einer Nacht vier der Bars der World’s 50 Best Bars besuchen. Es wird dich ein bisschen Geld kosten, aber du kannst es machen. Bei Restaurants wird es schwierig.

MIXOLOGY: Was kostet ein Drink im Durchschnitt in der Licorería Limantour?
Benjamín Padrón Novoa: Zwischen sieben und acht Euros, ein paar natürlich mehr.

»Manches Mal geht es den Betreibern mittlerweile nicht um die Leidenschaft zur Sache, sondern darum, dass es angesagt ist, eine Bar zu haben.«

— Benjamín Padrón Novoa

MIXOLOGY: Wie groß ist das Team an einem, sagen wir, Freitag Abend?
Benjamín Padrón Novoa: Wir haben zwei Floors, also zwei mal zwei Barstationen. In Summe arbeiten in einer Schicht in etwa 15 Personen, wobei wir für etwa 100 Gäste Platz haben. Es kommen auch viele, die bei uns arbeiten wollen.

MIXOLOGY: Die Bewegung geht weiter …
Benjamín Padrón Novoa: Wir haben das Fundament für die Cocktailbar-Szene in Mexico City gelegt. Viele, die bei uns gearbeitet haben, sind weitergezogen und haben was eigenes gemacht. Ich würde sagen, es gibt jetzt ein Dutzend guter Bars in der Stadt. Manches Mal geht es den Investoren und Betreibern mittlerweile aber nicht um die Leidenschaft an der Sache, sondern darum, dass es angesagt ist, eine Bar zu haben. Wunderbar, gut für sie. Aber für mich und uns bedeutet eine Bar etwas anders. Es ist kein Geschäft – wobei, natürlich ist es ein Geschäft. Aber vielmehr ist es Familie und Freundschaft. Ich liebe es, in Bars zu gehen, neue Leute kennen zu lernen und zu sehen, was ich Neues ausprobieren kann. Deswegen mache ich das, das versetzt mich immer noch in Aufregung!

MIXOLOGY: Benjamin, danke für das Gespräch.

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