TOP
Baijiu Cocktails

Baijiu – zum flüssigen Kulturgut Chinas, Teil II

Werden Baijiu Cocktails bald vermehrt in Bars in Europa zu finden sein? Und wie verhält es sich mit der Mixability der chinesischen Nationalspirituose? Sie scheint auf jeden Fall bereit für den nächsten Sprung in die Rührgläser und Cocktailgläser der westlichen Welt. Auch – oder gerade weil – Baijiu die Gemüter spaltet.

Chinesen lieben ihr Land. Sie lieben ihre traditionsreichen Rituale, Feiern und Zusammenkünfte sowie ihre Ess- und Trinkkultur. Ergo lieben sie auch ihre Baijiu Cocktails. Doch was für chinesische Gaumen und Geschmäcker das Nonplusultra der Trinkkultur, das erzeugt hierzulande und allgemein in der westlichen Hemisphäre häufig nur Unverständnis und ruft so manches Kopfschütteln hervor. Entweder man liebt oder man hasst Baijiu Cocktails, ein Mittelding scheint es nicht zu geben.

Was für Anekdoten sich um die Spirituose aus dem Reich der Mitte ranken, zeigten wir bereits im letzten Teil dieser Reihe auf, mehr oder minder Bezug nehmend auf amerikanische Präsidenten und Geheimdienstler der 1960er Jahre. Die mythenreichen Anekdoten und interessanten Fakten schlängelten sich dabei durch die Historie des Landes des Lächelns wie der Jangtsekiang durch die vielen Täler im Hinterland. Doch scheinen sich Baijiu Cocktails immer mehr vom reinen Nischenprodukt hin zum „hidden gem zu entwickeln.

Baijiu Cocktails

Erst unlängst kamen ein paar sich in Peking niedergelassen habende Auswanderer – neudeutsch und modern wohl als Expats zu bezeichnen – auf die wahnwitzige Idee, dort eine eigens auf Baijiu ausgerichtete Bar zu eröffnen. Sie zählten schon bald eine große Auswahl an Qualitäten, die sich in vier verschiedenen Richtungen einteilen ließen: reisartig, mild, kräftig und soßig. Einer der Gründer lies dabei verlautbaren, dass er der Spirituose vor fünfzehn Jahren – dem Zeitpunkt, als er nach China kam – kein bisschen abgewinnen konnte. Mit der Zeit, dem bewussten Konsum und ein wenig Recherche lernte er die Besonderheiten in der Destillation kennen (Siehe Teil 1) und merkte schnell, dass Baijiu nicht gleich Baijiu ist. Fortan bietet er in seiner Bar Capital Spirits verschiedene Tastings und massenweise Shots an, die auch beim westlichen Publikum immer besser anzukommen scheinen.

Gerade wohl auch deshalb scheinen sich große Spirituosen-Vertriebe mittlerweile um besonders gute Baijiu-Qualitäten zu reißen, sichern sich Patente und planen die Markteinführung in Europa, respektive auch in Deutschland. Doch kann das funktionieren, welche Risiken sind damit verbunden und wie funktioniert der Baijiu im Drink?

First serve

Letztere Frage scheint insofern am wichtigsten, da die Beantwortung aller anderen Punkte von ihr nicht wenig beeinflusst wird. Kann ein im Geschmack so intensives, von vielen als überlagernde Spirituose beschriebenes Produkt am Ende auch im Cocktail funktionieren?

Kan Zuo, Inhaber der The Sign Lounge in Wien und selbst sozusagen ein Expat – in China geboren, in Österreich lebend – begrüßt die der Spirituose entgegengebrachte, nicht abklingende Aufmerksamkeit. „Ich finde es großartig, dass Baijiu in der weltweiten Barszene immer mehr an Bedeutung gewinnt. Seit noch nicht allzu langer Zeit gibt es auch eine Baijiu-Cocktail Competition, die auch bald eine Auflage in Deutschland erleben wird. Bis dato waren die Vertreter nur in chinesischen Restaurants unterwegs.“ Dieser Schritt zeigt somit, dass man den hiesigen Markt für sich entdeckt hat und vollends angreifen will.

Angesprochen auf die mögliche Unverträglichkeit und den gewöhnungsbedürftigen Geschmack, ist Zuo kritisch. „Das wird bestimmt ein langer Prozess, bis sich Baijiu hierzulande etabliert. Das wird viel Arbeit bedeuten, und es wird sich mit hoher Wahrscheinlichkeit im Endeffekt gar nicht wirklich auszahlen. Viel zu groß sind da die Vorurteile. Anderer Lifestyle, weniger Sex-Appeal, höherer Alkoholgehalt, komplexe Story und aufwendiges Herstellungsverfahren. Den Leuten das erst einmal bewusst zu machen …“

Made in China? Ein Gütesiegel?!

Zuos Bedenken sind nur allzu verständlich. Hierzulande und in der breiten Meinung der Bevölkerung wird die Herkunft eines Produktes mit Stempel „Made in China“ nicht gleich mit den Attributen „premium“ und „qualitativ hochwertig“ assoziiert. Viel zu groß sind da Vorbehalte, basierend auf vermeintlich schlechten Erfahrungen in der Vergangenheit sowie den kulturellen Gräben, die zwischen den beiden gänzlich unterschiedlichen Kulturen vorherrschen mögen.

Dieses Negativum in puncto Wertigkeit wird – so tragisch-ironisch es klingen mag – vor allem auch von den Chinesen selbst befeuert. Ein chinesisches Restaurant um die Ecke ist im Regelfall genauso authentisch wie die originale, ach-so deutsche Thüringer Rostbratwurst im Szene-Viertel Shanghais. Diese falsche, von windigen Geschäftsleuten ausgelebte Marketing-Strategie, das bewusste Spielen mit Erwartungshaltungen und das Promoten des Klischees schadet der Kultur insofern, als dass nur billige, auf hier westliche, dort östliche Standards abgestimmte Replika des Originals angeboten werden, nicht aber das Original selbst. Im seltensten Fall stimmt dann hier auch die Qualität. Und so schadet ein billiger Pflaumenschnaps im China-Imbiss der Spirituose Baijiu auch auf indirekte Art und Weise.

Bye-jiu?

Ob sich Baijiu in Deutschland, Europa oder auch den USA durchsetzen kann, wird die Zeit zeigen. Abhängig ist das wie so häufig von einer Vielzahl von Faktoren. Da wäre allen voran natürlich der Mut und die Aufgeschlossenheit hiesiger Barchefs, eine gute Qualität als Test-Ballon in ihr Sortiment aufzunehmen und ihren Gästen in homöopathischen Mengen zu verabreichen. Zum Anderen bedarf es eines geschickten Marketings auf der anderen Seite, eine Lücke zu füllen, Baijiu als Nischenprodukt zu platzieren und von dort aus wachsen zu lassen. Ganz, wie es den Mexikanern vor Jahren mit Mezcal gelungen ist.

Doch am Anfang steht der Mut. Er lässt uns über uns hinauswachsen und fördert die wirklich großartigen Dinge. Vielleicht und hoffentlich auch Baijiu!

Credits

Foto: Foto via Shutterstock.

Kommentieren