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Hulkster: Die Wiese auf Eis!

Was aussieht wie ein Gin Basil Smash, ist in Wirklichkeit das Ergebnis ewig langer Aromentüftelei von Guillermo Delgado Barrantes aus dem Suderman in Köln. Dahinter versteckt sich allerdings kein mixologisch-selbstverliebtes Gimmick, sondern ein durchdachter, raffinierter, großartiger Drink. Quasi der rote Faden im grünen Gewand!

„Schon wieder ein Kräuterdrink…!“ Dies mag der eine oder andere Kritiker, jedoch einst größter Fan von Gin Basil Smash und Co., dem Bartender entgegenschreien. Wir finden, die Revolution hat gerade erst begonnen und präsentieren mit dem „Hulkster“ einen in vielerlei Hinsicht ganz außergewöhnlichen Drink.

Das blaue Wunder

In der Bar wie auch draußen gilt vor allem: Jeder Gast hat eine Meinung. Wie verschroben sie auch sein mag, wie sehr sie mit unseren Grundsätzen übereinstimmt oder uns in den eigenen Grundwerten erschüttert, sie ist das subjektive Bildnis unseres Gegenübers. Demokratie nennt man das für gewöhnlich, und gerade in der Bar kommt sie in besonders ausgeprägter Form zur Geltung. Nicht selten wird ihr jedoch auch zu viel Wert beigemessen. So wird die Getränkebestellung, Zutatennachfrage, Herstellungsbekundung einzelner Sirups, ja, „von wo haben sie denn die Shiso-Blätter bezogen?“ mitunter zur Grundsatzfrage.

Und da der Anschluss ans Kollektiv das Ich nur bestärkt, haben sich um alle edukativen Barflies, kosmopolitischen Connaisseure und aktive Mitgestalter der Barszene zwei Bewegungen herauskristallisiert, die man ob des Eifers und Engagements das in ihnen steckt, durchaus als Strömung der Cocktailwelt bezeichnen kann.

Sich nicht grün sein

Da wären zum einen jene Puristen, die Cocktailliteratur quasi frei zitieren können und mit ihrem enzyklopädischen Wissen den Bartender ganz gerne zum schwitzen bringen. Gäste, die sich selbst als Inventar in der Bar ihres Vertrauens sehen, ein-, aber nicht mehr ausgehen und immer – aber wirklich immer – an jeder Handlung des eigentlich ach so geschätzten Barmannes etwas auszusetzen haben. Sie lieben Klassiker und sie lieben nichts anderes. Je unbekannter, desto hipster – je retro, desto neu.

Dann gibt es da die anderen. Sie bringen dem Bartender aus Urlauben in fremden Ländern Gewürze mit, sind experimentierfreudig und sich selbst für keinen Versuch zu schade. Exotik pur im grauen Alltag als Faustformel des modernen Eskapismus. Roto-Vap und Sous Vide-Geräte bedienen sie im Schlaf und schicken ihrem Barlabor-Kollegen nicht selten Anmerkungen, Hinweise oder auch Tricks für den täglichen Umgang mit Problemen.

Irony off: Es mag überspitzt dargestellt sein, doch trifft es den Kern nur allzu gut. Diese beiden Bewegungen können einander nicht sonderlich viel abgewinnen, sie sind sich nicht grün. Paradox, dass Guillermo Delgado Barrantes’ „Hulkster“ genau jene Farbe trägt und beide Seiten miteinander vereint.

Das schwarze Schaf…

… oder auch der Reformator jener verfeindeten Gruppen wollte Barrantes eigentlich nie sein. „Während eines Workshops habe ich mich einmal mit Thomas Lang unterhalten. Im Kinly werkelten sie gerade an einer Idee, über einen Drink Erinnerungen an Gefühle, Momente oder auch Gerüche greifbar werden zu lassen. Lebensereignisse quasi liquide zu gestalten, das war schon eine coole Idee“, so Barrantes.

Für die Frühlings-Karte suchte das Team im Suderman dann nach saisonalen Komponenten, die sie in ihre Drinks einbauen konnten. Geboren war ein Drink, der nicht nur aus optischer Sicht, sondern vor allem auf geschmacklicher Ebene Frühlings- oder auch Sommergefühle verheißt und dabei an den Duft einer saftigen Wiese erinnert.

Ach du grüne Neune

Allen nicht so olfaktorisch-begabten Gestalten der Nacht sei hiermit ganz klar gesagt: Was sich erst einmal relativ simpel anhört, war in der Umsetzung penibler Justierung, detailversessener Kleinarbeit und ständiger Modifizierung unterworfen. „Relativ schnell fand ich im Zuge meiner Recherchen heraus, dass der Einsatz von Weizengras für die Übermittlung des Wiesen-Charakters wohl am besten geeignet ist. Doch in welcher Form es letztlich im Drink mitspielt, war lange Zeit unklar. Nach der Kalt-Mazeration  ganz einfach zu trüb, im Sous Vide zunächst viel zu intensiv.“

So brauchte es viel Zeit und Mühe, bis man endlich die finale Rezeptur entwickeln konnte. In diese fließen nicht nur Weizengraspulver, sondern ebenfalls mit Löwenzahnsaft und Basilikum weitere grünwürzige Frischespender mit Wiesen-Reminiszenz ein. Diesen besonderen Duft der Wiese tatsächlich nicht nur geschmackstechnisch und gleichzeitig durch optische Wahrnehmung zum Ausdruck zu bringen, war Barrantes sehr wichtig: „Der Spinat, der eine wesentliche Rolle im Cordial spielt, war letztlich vor allem der Farbgeber. Wenn schon Wiese, dann doch auch richtig grün…?“

Der Purist sieht rot?!

Ruhig Brauner, so experimentell-absonderlich die Rezeptur auch anmuten mag, hinter dem Hulkster (einer Namenserklärung bedarf es wohl nun auch nicht mehr) verbirgt sich vor allem ein genialer Drink. Ein Drink, der nicht nur aromatisch neben dem vorherrschenden Wiesen-Flavour mit anderen Zutaten wie Kardamom und Zitrone eine gewisse Leichtigkeit und besondere Frische hervorbringt, sondern vor allem eine Kreation, die sowohl Purist als auch Experimentierfreund gleichermaßen gerecht wird.

Der besondere Clou an der Sache ist nämlich, dass Barrantes den Cocktail – schlussendlich bestehend aus einem Gin-Premix, einem hausgemachten Cordial und ein wenig Zitronensaft – auf der DNA eines der Klassiker schlechthin aufgebaut hat, genauer gesagt dem Gimlet. So vermittelt das freudig-grüne Trinkerlebnis zwischen viel zu verklärten und ernstgenommenen Fronten, kann gleichzeitig für den aufgeschlossenen Puristen der erste Schritt auf neuen Wegen sein und den Troubadour der Exotik einen möglichen sicheren und dennoch spannenden Pfad aufweisen. Wer wird da nicht gelb vor Neid?

Credits

Foto: Foto via Wolfgang Simm.

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