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Bars in Florenz

Die sechs besten Bars in Florenz: moderne Cocktails zwischen Palastgeflüster und Piazza

Florenz atmet Geschichte und Eleganz. Der Geburtsort von Gucci und Negroni verharrt aber nicht in der Vergangenheit, sondern erfindet sich gastronomisch immer wieder neu. Wir präsentieren die sechs besten Bars für Cocktails in Florenz.„"

Über die florentinische Kultur zu berichten ist hochgefährlich, das weiß man spätestens, seit eine US-Amerikanische Lehrerin ihren Job verlor, weil sie ihren Schülern ein Bild der Davidsstatue zumutete, der von ihrem Schöpfer, dem berüchtigten Renaissance-Schweinigel Michelangelo, in einem Anfall von Realitätswahn ein Marmorpenis aus dem Block herausgedengelt worden war. Ein gefährliches Pflaster also, dem nur mit großem journalistischem Wagemut zu begegnen ist.

Es klang schon in etlichen vorhergehenden Beiträgen an: Italiens Barszene, einst wie eine Villa, in der nur das Aperitivo-Zimmer im Erdgeschoss bewohnt schien, ist mittlerweile lebendig und weltweit geachtet wie nie zuvor, und das liegt nicht nur am – exzellenten – Marketing. Dahinter steckt ein Paradigmenwechsel: Italien, in vielerlei Hinsicht durch Landschaft, Geschichte und Klima gesegnet, war in so vielen Bereichen der Kulinarik und der Gastlichkeit tonangebend, dass man sich wenig Gedanken darüber machen musste, in welchen Bereichen man wohl Defizite aufweisen könnte. Wer vor der Meute läuft, macht sich keine Gedanken über das Schuhwerk des Drittplatzierten. Seit zehn, 15 Jahren etwa kam dann Bewegung in die Sache; Paola Mencarelli, die Gründerin der Florence Cocktail Week, spricht von einem „schlummernden Erbe, das einfach ans Licht gebracht werden musste.“

Die Zeiten haben sich geändert, und auch der Italiener greift nicht mehr unmittelbar zur Schrotflinte, wenn ein Anderseuropäer um drei Uhr nachmittags einen Cappuccino bestellt. Mencarelli erkennt eine „Koexistenz der historischen Seele des italienischen Trinkens und der Moderne des internationalen Trinkens in Harmonie.“ Nicht nur der stetige Wandel des Tourismus ist dafür verantwortlich, sondern, in gewisser Hinsicht, auch der Brexit: Wie allgemein bekannt, sind einst die Reste von Roms verschollener neunter Legion in der Londoner Barszene aufgegangen und haben diese zu ungekannter Blüte geführt. Heute ist es nun für Nachzügler vom Kontinent viel schwieriger geworden, eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, und andererseits bietet Italien im Gegenzug seiner ausgewanderten Bartender-Elite mittlerweile genug Möglichkeiten, ihren Beruf in der alten Heimat auszuüben. Und siehe da: Bartending auf höchstem Niveau, ohne die Mieten und das Wetter Londons, da wurde schon so manches Rückreiseticket gelöst. Und wohin genau? Der Wunsch nach guten Cocktailbars auf dem Stand der Zeit formuliert sich auch in Italien zuerst da, wo internationales, finanzstarkes Publikum gemäß seiner Standards bewirtet und unterhalten werden will. Und damit – Willkommen in Florenz!

Apropos finanzstark: viele der Plätze, die nachfolgend erwähnt werden, wurden nicht gerade für den schmalen Geldbeutel geschneidert. Florenz, die toskanische Perle, muss man sich gerade im Bereich der gehobenen Gastlichkeit leisten können; Drinks bewegen sich schon mal im Bereich um und über 20 Euro. Allerdings bekommt man dafür auch – und das ist das Schöne der Entwicklung der letzten Jahre – mehr geliefert als nur Ambiente. Viel mehr, und auch das ist ja lobenswert: An vielen Orten könnte man einfach die Kulisse arbeiten lassen und sein Geld mit Prosecco und Spritz verdienen; dass man das nicht will, spricht sehr für die Menschen dieser Stadt.

Also nichts wie rein in den Luxus; zumindest kurzzeitig geht das schon, und besonders im Hinblick auf den Unsinn, für den man sonst Geld ausgibt, ich sage nur Homöopathie, DAZN-Abos oder Helene-Fischer-Tickets. Hilft halt nichts, das ist auch gerade in Florenz keine Entwicklung der Neuzeit; im Grunde haben schon die Medici das Preisgefüge nachhaltig versaut.

Das Four Seasons Florenz samt der Atrium Bar ist in einem alten Palast der Medici angesiedelt
Das Four Seasons Florenz samt der Atrium Bar ist in einem alten Palast der Medici angesiedelt
Head-Bartender Edoardo Sandri und sein Team führen das Atrium nach oben
Head-Bartender Edoardo Sandri und sein Team führen das Atrium nach oben

Atrium Bar im Four Seasons

Borgo Pinti, 99
50121 Florenz Italien

Atrium Bar im Four Seasons

Die Medici haben uns auch einiges Werthaltiges hinterlassen, von einer gewissen Giftmord-Expertise einmal abgesehen. Was für Bauwerke, gerade in Florenz! Und wenn sich da so ein Kanzler im 15. Jahrhundert einen Palazzo mit dreistelliger Zimmeranzahl und dem größten, privaten Park der Stadt hinstellt, dann baut man kein Ibis-Hotel hinein. Das Four Seasons Florenz wurde letztes Jahr in der Liste der 50 Best Hotels weltweit auf Platz neun geführt, und das zu einem nicht geringen Teil der Leistung des Barteams zuzuschreiben, das über Jahre hinweg einen unaufhaltsamen Weg nach oben genommen hat. Es ist auch kein Zufall, dass auch hier wieder einmal eine Hotelbar eine tragende Rolle spielt; in den Hotels manifestieren sich die Wünsche eines internationalen Publikums zuerst, und je hochwertiger das Hotel, umso schneller und umfassender wird darauf reagiert – ganz abgesehen davon, dass im Luxussegment auch das Geld vorhanden ist, um im Barbereich schnell und grundlegend etwas verändern zu können. Die Atrium Bar jedenfalls ist eine fast zwingende Gelegenheit für all jene, die sich keinen Aufenthalt im Fünfsternehotel leisten können (mithin also so ziemlich jeden), um dennoch einen Hauch des Glanzes miterleben zu können. Im Glas wird nämlich mit großer Könnerschaft der umgebende Palast umgesetzt, indem einem klassischen Gerüst ein modernes Zuhause geschaffen wird, ohne dabei in irgendwelche Firlefanzereien zu verfallen.

Locale Firenze

Paläste hat’s in Florenz wie andernorts Dönerbuden. Also, was soll’s, nur der Not keinen Schwung lassen, wie man in südlicheren Regionen Deutschlands so schön sagt. Das Locale, dessen Name ein beinahe unverschämtes Understatement zeigt, hat genau da wieder seine Berechtigung, wo es gelingt, Leichtigkeit in ein derart prachtvolles Ambiente hineinzubringen, die man bei aller Klischeehaftigkeit nur als italienisch bezeichnen kann. Sinnbildlich dafür steht die eigentliche Bar, die in den alten Innenhof gebaut wurde, mit einer viele Meter hohen Backbar, über der sich ein Glasdach befindet, das sich je nach Wetter und Wunsch öffnen oder schließen lässt. Das Locale verbindet Fine Dining, Bar und Club in einer Selbstverständlichkeit miteinander, bei der man sich nur die Augen reiben kann. Mittlerweile wird die Bar auch unter den World’s 50 Best Bars geführt, und das zu Recht. Spazieren sie ruhig ein wenig herum, erkunden Sie die vielen Räume des alten Gemäuers, das bis ins 13. Jahrhundert zurückgeht. Der Rotovap im Kreuzgewölbe wirkt wie ein alchemistisches Utensil, aber was das Team um Head Bartender Alessandro Mengoni diesem Gerät zu entlocken vermag, gehört zum Besten, was man in dieser Beziehung verkosten kann. Wahrhaft Hexenwerk. Versuchen Sie mal den „Foglia“, ein Getränk mit unverwechselbarem und dennoch nicht zu aufdringlichem Cannabis-Aroma. Granate. Und dann bekommt man einen kleinen Martini-Twist gereicht, ein Stück Brot mit Olivenöl, und man weiß mit absoluter Sicherheit, dass es in diesem Moment auf der Welt gerade keinen größeren Genuss geben kann. Pures Glück.

Das Locale Firenze ist die perfekte Verschmelzung von Modernität und historischer Eleganz
Das Locale Firenze ist die perfekte Verschmelzung von Modernität und historischer Eleganz

Locale Firenze

Via delle Seggiole 12r
50122 Florenz Italien

Das Gucci Giardino 25 wurde 2022 ins Leben gerufen
Das Gucci Giardino 25 wurde 2022 ins Leben gerufen

Gucci Giardino 25

P.za della Signoria, 37r
50122 Florenz Italien

Gucci Giardino 25

„It may be years until the day my dreams will match up with my pay,“ summt der Journalist leise den Feist-Song vor sich hin, während man sich auf den Weg zu Gucci macht. Gucci, Gucci, Gucci. Florenz ist der Geburtsort des Modehauses, was nicht überrascht; schließlich konnten die ganzen übriggebliebenen Medici nicht mit der Plastiktüte zum Einkaufen gehen. Im Angedenken an diese Keimzelle des Modegiganten gibt es in Florenz auch ein Museum (in einem alten Palazzo, eh klar), eine Osteria (von niemand Geringerem konzipiert als der italienischen Koch-Legende Massimo Bottura) – und eben auch eine Bar, die seit 2022 floriert, wie man es sich nur wünschen kann, wenn man „Gucci Giardino 25“ heißt. Martina Bonci wurde erst kürzlich als beste Bartenderin des Landes ausgezeichnet und hat mit ihrem Team lange bewiesen, dass sie keine Angst hat vor großen Aufgaben. Gucci, Bottura, Bonci. Alles ganz normal. In der Bar wird aber auch mit einer Freude gearbeitet, die auch in einer Kleinstadtkneipe nicht unbeschwerter sein könnte. Die Drinks sind herausragend, und die eigene Negroni-Variante mit Gin und Sake, der von den Blüten der Schmetterlingserbse eine blauviolette Farbe verliehen bekommt, ist mittlerweile so beliebt, dass sie auf Flaschen gezogen und verkauft wird. Nicht schlecht für ein Land, in dem man keine drei Schritte gehen kann, ohne einen Negroni gereicht zu bekommen. Wobei, es drängt sich auch ein modischer Meilenstein der Gucci-Geschichte beim Besuch des Giardino 25 auf: der Bamboo. Ist auch erschwinglicher als die Handtasche.

Martina Bonci wurde bereits als beste Bartenderin Italiens ausgezeichnet und leitet die Geschicke des Gucci Giardino 25
Martina Bonci wurde bereits als beste Bartenderin Italiens ausgezeichnet und leitet die Geschicke des Gucci Giardino 25
Grandios: Der Garibaldi-Twist im „Giacosa 1815“ ist so herzhaft wie ein kleines Frühstück
Grandios: Der Garibaldi-Twist im „Giacosa 1815“ ist so herzhaft wie ein kleines Frühstück
Giacosa 1815

Auch Italiens wichtigster Drink ist ein Adliger, wie könnte es anders sein, und die Geschichte, wie dem Grafen Negroni irgendwann mal sein Americano zu langweilig wurde, ist sattsam bekannt und muss auch nicht weiter diskutiert werden. Der Geburtsort des Negroni seinerzeit war das Caffè Giacosa, das sich über die mehr als 200 Jahre seiner Existenz in typisch italienischer Manier manchmal nicht an die Grundsätze einer Immobilie hielt und ein bisschen herumgewandert ist. Sein letzter Standort war schräg gegenüber der Neueröffnung, die aber immer noch nah genug liegt, um schnell mal einen Blick auf die Gedenktafel für die Geburtsstätte des Negroni zu werfen. Wie gesagt, das Giacosa ist neu, aber es wirkt so, als wäre es schon immer da gewesen, fast gar, als hätte man Florenz drumherum erbaut. Natürlich ist alles nagelneu, aber das edle Ambiente, das dunkle Holz, die Polster, das Messing, all das verbreitet ein derart perfektes Flair, als hätte man den Geist des Grafen mit zum Umzug bewegen können. Und warum auch nicht; warum sollte so ein Geist in einem getränkelosen Gemäuer weiterspuken, wenn es gegenüber richtig gute Drinks gibt, und insbesondere eine ganze Reihe von beachtlichen Negroni-Twists? Time to move on, sagt da doch der praktisch denkende Geist. Ach ja, Move On: auch eine Lokalität gleichen Namens gehört zu der Gruppe, die das Giacosa betreibt, und die auch mit dem Caffè Paszkowski und dem Caffè Gilli zwei weitere gastronomische Eckpfeiler der Stadt unter ihren Fittichen hat. Die Kulturerbe-Kompetenz ist also vorhanden, insbesondere auch, nachdem man mit Luca Manni einen Mann mit Sheriffstern und Getränkeliebe ins Giacosa abgeordnet hat. Der Favorit auf der Karte ist aber immer noch der Garibaldi-Twist. So herzhaft wie ein kleines Frühstück.

Das „Giacosa“ hat seinen Standort gewechselt, nicht jedoch seinen Anspruch
Das „Giacosa“ hat seinen Standort gewechselt, nicht jedoch seinen Anspruch

Giacosa 1815

Via della Spada, 15 R
50123 Florenz Italien

Im Santa Cocktail Club geht es alles andere als weihnachtlich zu
Im Santa Cocktail Club geht es alles andere als weihnachtlich zu

Santa Cocktail Club

P.za di Santa Maria Novella, 1,
50123 Florenz Italien

Santa Cocktail Club

Wenn Johannes Calvin in Florenz aufgewachsen wäre, dann hätten die Reformatoren eine wichtige Säule an die Völlerei verloren. Es ist schon auch viel leichter, Versuchungen zu widerstehen, die erst drei Tagesritte entfernt lauern. Anders in Florenz. Versuchung auf Schritt und Tritt. Entsprechend scheint auch die Religion eine lebensbejahendere Form angenommen zu haben, verkörpert durch die strahlende Baulichkeit des Domes zu Florenz, der so ganz anders zum Beten einlädt als die Schwarzgräulichkeit deutscher Münster. Wem allerdings der Dom zu überlaufen ist, der kann sich auch an der Kirche Santa Maria Novella erfreuen, die außerordentlich hübsch anzusehen ist, am Besten von außen, und idealerweise, wenn man vor dem Santa Cocktail Club mit einem Getränk sitzt, das beim Betrachten unterstützt. Das Projekt wurde vor der Coronapandemie gegründet und darf mittlerweile florieren und expandieren, und mit Simone Covan hat man sich eine wahre Ducati ans Brett geholt. Es bietet sich an, mit einem „Dr. Punch“ (Rum, Cognac, Arrack) eingehend die wichtigen Fragen des Lebens zu kontemplieren. Wer sind wir, woher kommen wir, warum sitzen wir erst jetzt hier? Jeder Mensch braucht ab und an eine Piazza, an der er sitzen kann, um den Zuhausegebliebenen mitteilen zu können, dass er gerade an einer Piazza sitzt, und für diesen Zweck ist diese Piazza der besten eine. Wen es dann doch nach drinnen verschlägt, der wird natürlich auch nicht enttäuscht, und man darf sich in verschiedenen Räumen austoben, die mit dem Begriff „Salon“ vielleicht besser umschrieben sind. Bitte auch das Essen nicht ignorieren. Alles exzellent, aber eine wahrhafte Fushion-Schweinerei ist das „Schnitzel Carbonara“: panierte Fleischhäppchen, dazu zwei Schüsselchen mit Sojasauce und Carbonara. Mag der Purist zetern, aber hat man einmal davon gekostet, entsteht beim Gedanken daran Fernweh.

Cornern auf Italienisch: der Ausblick vor dem Santa Cocktail Club
Cornern auf Italienisch: der Ausblick auf die Piazza vor dem Santa Cocktail Club
Im MAD setzt Betreiber Neri Fantechi auf viele hausgemachte Zutaten
Im MAD setzt Betreiber Neri Fantechi auf viele hausgemachte Zutaten
MAD – Souls & Spirits

Wenn man alle Getränkepaläste in Florenz – und es gibt etliche davon – besucht hat, kann man schon einen leichten Knick in seiner Rezeption der Realitäten erleiden. Bevor man also zuhause beginnt, huldvoll aus dem Stadtbus heraus den Passanten zuzuwinken, empfiehlt sich eine gewisse Erdung, ein Purgatorium nach der Todsünde der Maßlosigkeit, und glücklicherweise sieht diese Form des Fegefeuers das Leiden erst für den Tag danach vor. Das MAD ist genau der richtige Ort, um noch einmal richtig loszulassen und bei geilen Drinks ordentlich auf die Kacke zu hauen. Besitzer Neri Fantechi macht auch seine eigenen, sehr guten Liköre (Kamille mit grüner Paprika zum Beispiel, sehr zu empfehlen) und weiß genau, was er seinen Gästen bieten will und was nicht: „NO SPRITZ ALLOWED“. Da weiß man, was es geschlagen hat, gerade in Italien. Das MAD ist so etwas wie das Satan’s Whiskers von Florenz, wo auch die Kollegen in den White Jackets dieselbigen nach der Schicht gerne mal ablegen. Jede Stadt braucht so etwas. Sogar das prachtvolle Florenz.

Mad – Souls & Spirits

Borgo S. Frediano, 36/38r
50124 Florenz Italien

Das MAD ist die Bar in Florenz, um richtig loszulassen
Das MAD ist die Bar in Florenz, um richtig loszulassen

Ach ja, noch Lust auf Scotch und Abenteuer? Klein wenig geheim? Dann hier entlang: Rasputin Secret Bar.

Credits

Foto: Aufmacher: Atrium Bar Four Seasons

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