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BIER, BARS & BRAUER #26

2016 wurde mehr Bier verkauft, aber wurde auch mehr getrunken? Bier, Bars & Brauer erläutert, warum diese zwei Umstände sich nicht zwangsläufig bedingen. Außerdem: Krombacher und Warsteiner und die ungleiche Geschichte zweier westfälischer Großbrauereien, Innovationen in der Bierwelt und ein Anti-Trump-Bier aus Berlin.

Rückblicke gibt es zum Jahresende stets zuhauf. Eigentlich verfrüht, denn um Bilanz zu ziehen zu können, braucht es erst einmal bestätigte Zahlen. Oder sagen wir es so: Zum Jahresende gibt es emotionale Rückblicke, im kalten Licht des Januars dann die harten Zahlen. Doch auch Vielversprechendes und Kurioses fand wieder seinen Weg in diese Ausgabe. Viel Spaß beim Lesen!

Deutscher Bierabsatz 2016 stabil

Gute 96 Millionen Hektoliter Bier setzten die Brauereien im vergangenen Jahr ab, im Vergleich zu 95,7 Mio. im Jahr zuvor. Damit bleibt der Bierabsatz im dritten Jahr in Folge ziemlich stabil. Besonders erfreulich ist dabei, dass in den letzten zehn Jahren trotz zunächst sinkender und dann gleichbleibender Biermenge die Vielfalt um 1.000 auf nunmehr ca. 6.000 Marken angestiegen ist, die von rund 1.400 Brauereien produziert werden.

Ebenfalls positiv ist nach wie vor die Entwicklung im Exportbereich, besonders die Ausfuhr in Länder jenseits der EU erreichte mit 15,7 Mio. Hektolitern ein Rekordhoch. Frenetischer Jubel ist dennoch kaum das Gebot der Stunde in Europas größtem Biermarkt. Zieht man eben jenen Exportrekord ab, ist der Absatz im Inland trotz Fußball-EM und Reinheitsgebotjubiläum nicht gestiegen, sondern gefallen, die Wachstumssegmente bleiben weiterhin vor allem alkoholfreie Biere und Biermischgetränke. Holger Eichele, seines Zeichens Hauptgeschäftsführer beim Deutschen Brauer-Bund, äußerte sich dementsprechend: “Die größten Herausforderungen bleiben der demografische Wandel, die starken Kostensteigerungen, der weiterhin hohe Wettbewerbsdruck und der unverantwortliche Preiskampf des Handels.”

Krombacher hat weiterhin die Krone, Störtebeker erstarkt, Warsteiner weint

2016 war für Krombacher ein Rekordjahr. Der südwestfälische Bierriese konnte seinen Ausstoß erneut auf mittlerweile knapp 7 Mio. Hektoliter erhöhen. Ob es die Kreuztaler kümmert, dass sie es damit nur noch um Haaresbreite auf die Craft-Regale der USA schaffen? Das Krombacher Pils, weiterhin das meist getrunkene Bier Deutschlands, macht 4,37 Mio. Hektoliter der Gesamtmenge aus, der Rest verteilt sich auf Biermischgetränke, Alkoholfrei, Weizen und Helles. Auch der Limonadensektor (Krombacher produziert u.a. Schweppes und Dr. Pepper für Deutschland) legte leicht zu.

Beim Bundeslandgenossen und einstigem Spitzenreiter Warsteiner hingegen sieht man weiterhin die Felle der glorreichen 1990er davonschwimmen. Nach Absatzverlusten von 5,5 Prozent im Jahr 2014 und 7,4 Prozent 2015 gab es auch 2016 ein Minus von 3,8 Prozent auf nun 4,3 Mio. Hektoliter. Grund zur Freude geben einzig – wer hätte es gedacht – die alkoholfreien Produkte der Gruppe, die allesamt deutlich zulegen konnten.

Das kann man von Störtebeker erst recht behaupten. Zwar spielt die Stralsunder Brauerei in einer völlig anderen Liga, dafür sind in diesem Bereich aber auch andere Wachstumszahlen möglich: Um satte 22 Prozent stieg der Absatz auf 180.000 Hektoliter. Auch hier fanden vor allem Biobiere und das alkoholfreie Frei-Bier reißenden Absatz, doch auch die Spezialitäten wie Eisbock, Baltic Lager und Atlantik Ale erfreuten sich steigender Beliebtheit.

Brautrends, die die Bierwelt bewegen

Lag das Augenmerk in der ersten Ausgabe 2017 von Bier, Bars & Brauer eher auf den Herausforderungen, mit denen sich die Bierwelt in diesem Jahr wird herumschlagen müssen, folgt nun eine Auswahl an Innovationen, welche sie nachhaltig verändern könnten:

Beton anrühren: Im Weinbereich bekannt, im Bierbereich ein Novum, experimentieren Brauer zunehmend mit Zement-Gärbehältern. Da der Beton porös ist, schaffen es winzige Mengen an Sauerstoff ins Bier und können so Gärung und Reifung beeinflussen, um zum Beispiel das runde Mundgefühl eines holzfassgelagerten Bieres ohne die deutlich vorstechenden Holznoten zu erhalten.

Kavitation: 30 Prozent Energieersparnis in einem Brausystem, das auch noch 30 Prozent weniger kostet als üblich? Klingt zu schön, um wahr zu sein, und so wirklich spruchreif ist es auch noch nicht. Das Prinzip ist allerdings von Schiffspropellern bekannt: Das Wasser wird so schnell bewegt, dass sich ein dampfgefüllter Hohlraum bildet, der anschließend kollabiert. Dabei entstehen Druck- und Temperaturspitzen, die z.B. Malz so arg zerkleinern, dass Schroten und Überschwänzen (das Übergießen des Trebers, um verbliebene, vergärbare Stoffe herauszuspülen) unnötig werden, wie Studien des italienischen Istituto di Biometeorologia in Florenz zeigen. Das resultierende Bier soll höchsten Ansprüchen genügen.

Heftige Hefe: Wer jemals belgische Biere (oder auch nur ein Weißbier) probiert hat, weiß, dass die Hefe nicht nur Alkohol und Sprudel ins Bier bringt, sondern auch Aromen von fruchtig bis funky. So wie Hopfen nicht mehr nur seiner Bitterkraft wegen gezüchtet wird, sondern eine gestiegene Wertschätzung seiner aromatischen Qualitäten erfährt, geschieht es nun auch bei der Hefe. So können bestimmte Stränge inzwischen auf DNS-Ebene verändert werden, um ein gewünschtes Aroma zu erzeugen. “Frei von Gentechnik” steht dann aber sicher nicht auf der Verpackung. Auch der Ansatz, bisher wild- oder mischvergorene und anschließend verschnittene Sauerbiere mit reingezüchteten Hefestämmen zu brauen und so eine ungekannte, aromatische Klarheit zu bekommen, ist neu. Nun ja, eigentlich entstand so die Lagerbierhefe, aber bei Sauerbieren ist es ein neuer Ansatz.

Noch mehr Innovationen finden sich bei Draft Magazine.

Vagabund & Forager brauen Anti-Trump-Bier

Vagabund, die beliebte, von drei US-Amerikanern gegründete Berliner Brauerei & Bar, tut sich anlässlich der Amtseinführung des designierten US-Präsidenten Donald Trump am Freitag (20.01.2017) mit der Forager Brewery aus Minnesota zusammen. Das Ziel? Ein Bier zu brauen, um Donald Trump den Tag zu versauen.

Dabei lässt man es an beißendem Humor nicht mangeln: Das Bier soll so sauer sein wie der Beigeschmack, den der Gedanke an Trump als Präsident im Mundraum hinterlässt. Nach dem Prozess der Amtsenthebung (impeachment) benannt, wird es “Im-Peach Me” heißen und natürlich Pfirsich enthalten. Für ein deutliches Orange in der Farbgebung dürfte also auch gesorgt sein. Zusätzlich wird Vagabunds Brauer Erik Mell drei Kilogramm selbst gemälzten Dinkel verbrauen, stellvertretend für die drei Millionen US-Wähler, die Hillary Clinton mehr auf dem Zähler hatte.

Das Bier wird zu einem späteren Zeitpunkt bei Forager nachgebraut und so auch in den Staaten verfügbar sein. Ob das Im-Peach Me in Deutschland auf den Vagabund Brewpub beschränkt bleiben oder auch darüber hinaus verfügbar sein wird, hängt sicherlich auch vom Erfolg des Erstlings ab.

Credits

Foto: Foto via Tim Klöcker.

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