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Bier, Bars & Brauer im November II

USA, USA wohin man schaut! In dieser Ausgabe von Bier, Bars & Brauer beschäftigen wir uns mit den Auswirkungen von US-Trends auf den hiesigen Markt.

Erfolgreiche Crafties aus den USA drängen nach Europa und suchen dafür finanzstarke Partner, und ein Österreicher hat die Schnauze voll vom Craft-Gedöns. Da wirkt eine neue Hamburger Bar mit nichts als klassischem Pilsner am Hahn schon fast wie ein Sonderling.

Billion Dollar Ballast

Die Meldung wetzte wie ein Lauffeuer durch die sozialen Netzwerke: Ballast Point, eine der erfolgreichsten Brauereien an der Westküste der USA, ist für rund eine Milliarde Dollar an Constellation Brands (u.a. Corona, Svedka Vodka) verkauft worden. Damit reiht sich Ballast Point in eine stets länger werdende Liste erfolgreicher US-Craft-Brauer ein, die Unterstützung bei den ganz Großen der Branche suchen. Ob Goose Island oder die Craft Brew Alliance bei AB-InBev, Lagunitas bei Heineken, Firestone Walker bei Duvel Moortgat oder Brooklyn bei Carlsberg – man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass Craft in den USA das Ende der Fahnenstange erreicht hat, dass der nächste Schritt nur über interkontinentalen Vertrieb möglich wird. Und dafür braucht es offenbar die Hilfe genau jener Konzernriesen, die all diese Brauereien zu Beginn ihrer Laufbahn verteufelt haben.

Stein des Anstoßes

Eine Alternative beschreitet Stone Brewing, deren Dependence in Berlin die Tür zum europäischen Vertrieb aufstoßen soll. Deutliches Indiz dafür war die frühe Einstellung eines European Sales Managers (Frank Reinwand, zuvor bei LMVH). Bei Stone Berlin sieht man die mittelfristige Profitträchtigkeit der Restaurantanlage also offenbar realistisch und forciert die Verfügbarkeit der Biere in Europa. Das erste in Deutschland gebraute Stone-Bier mit dem Namen Xocoveza wird am 7. Dezember in einem deutschlandweiten Release in 10 Bars allein in Berlin gleichzeitig an den Start und an den Hahn gehen und auch europaweit in rund 30 weiteren ausgewählten Lokalitäten zu haben sein. Sobald die 100-Hektoliter-Anlage steht – voraussichtlich 2016 – werden Stone-Biere dann in Fass und Flasche (oder Gerüchten zufolge auch in der Dose) verfügbar.

Dass ein erfolgreicher Vertrieb jedoch aus dem Boden gestampft wird, darf auch hier bezweifelt werden, und bestehende Netzwerke werden eine Rolle spielen. Schon Mikkeller wählte deshalb Radeberger als deutschen Vertriebspartner. International wie national stellt sich also mehr und mehr die Frage: Quo vadis, Craft Beer, und wer bringt dich hin? Doch nicht etwa die vielgescholtenen Feinde des Craft?

Craft, die Vierte

Passend zum Ausverkauf der Amerikaner und deren erhöhter Präsenz auf dem GSA-Markt werden auch die Stimmen wieder laut, welche die Begrifflichkeit selbst kritisieren und entweder eine einheitliche Definition fordern oder diese rundheraus ablehnen.

So versuchte Reinhold Barta, Braumeister des österreichischen Brauhaus Gusswerk, seine Brauerei mit einem Schuss vor den Bug der Craft-Welle ins Gespräch zu bringen. “Craft” sei inflationär, ob groß oder klein, solide oder wackelig, jeder bediene sich des Begriffs, seine ursprüngliche Bedeutung komme abhanden. „Eigenes Bier in Garagen abzufüllen macht noch lange keinen Braumeister, auch wenn man das mit Begeisterung tut“, so Barta.

In den USA sieht man die Entwicklung nach 30 Jahren gelassener, geht mit dem dort geprägten Begriff lockerer um und gebraucht ihn so, wie man ihn auch hierzulande verorten sollte: als Schlagwort. Auf seinem Blog stellt Stephen Beaumont (The Beer & Food Companion) die Frage “What is the problem with craft?” Und er beantwortet sie provokant mit “Nothing!”

Bierbar Wald in Hamburg

Bier selbst zapfen, noch dazu am eigenen Tisch – das ist sicherlich der Traum vieler bierseliger Runden. Wahr werden kann er seit Ende Oktober in der neuen Wald-Tankbierbar in der Hamburger Neustadt. Grün und Holz als zentrale Elemente sorgen für die richtige Waldlust, Pilsner Urquell aus dem Tank für die richtige Trinklaune.

Tankbier? Dabei handelt es sich um große Vakuumtanks, die mit maximal 24 Stunden altem, naturtrübem Pilsner Urquell (ab Brauerei) befüllt werden. Bier wird dort durch Druck auf Plastikbehälter gezapft, ohne weitere Zugabe von Kohlensäure, was ein möglichst brauereinahes Biererlebnis garantieren soll.

Hoher Durchsatz ist also erwünscht, denn ein langes Liegen in Plastiksäcken ist auch bei noch so moderner Beschichtung nicht das Gelbe vom Ei. Die Wald Bar scheint jedenfalls nicht nur mit ihrem rustikalen Design, sondern auch mit ihrem Ein-Bier-Konzept bewusst gegen den Zeitgeist zu steuern.

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