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Bier, Bars & Brauer #2

Willkommen zur neuesten Ausgabe von Bier, Bars & Brauer! Wir sind zurück mit den Nachrichten rund um Hopfen und Malz.

Traurige Neuigkeiten für Fans von Craft Beer bei dieser Ausgabe von Bier, Bars und Brauer: zuerst die Insolvenzmeldung des Braukunstkellers, dann der Abschied des “Bierzauberers” Günther Thömmes, und schlussendlich noch schlecht informierte Hetze gegen die “Craft-Brühe”! Da braucht es eine Stärkung der gemarterten Bierseele! Kann Craft Beer beim Super Bowl Linderung verschaffen?

Bye, bye Braukunstkeller?

Nur wenige Stunden war unsere Meldung zum Umzug des Braukunstkellers von Michelstadt nach Cham online, bevor wir realisierten, dass damit Emotionen in einem laufenden Insolvenzverfahren hoch kochten. Angesichts unserer Unkenntnis der genauen Sachlage löschten wir die Meldung vorerst, doch die Katze war aus dem Sack, und spätestens seit der heutigen Pressemitteilung ist es das Thema der Craft-Welt: Braukunstkeller, eines der populärsten Craft Beer-Unternehmen Deutschlands, ist insolvent.
Wie es genau dazu kam, ist noch immer nicht vollends klar. Eduard Rosin, früherer Mehrheitsgesellschafter der Braukunstkeller GmbH und Vertreter der Michelstädter Bier GmbH, bezichtigt Alexander Himburg, Braumeister und Initiator der Craft-Brauerei, des Betrugs und der Insolvenzverschleppung. Himburg wiederum führt die Insolvenz von Rosins Getränketechnikfirma als Grund für dessen Ausstieg aus dem Braukunstkeller, das Weiterreichen der Anteile an einen weiteren Gesellschafter und die deshalb verweigerte Kreditzusage der Bank als Gründe für die Insolvenz an.
Vom Braukunstkeller ganz Abschied zu nehmen, ist allerdings etwas verfrüht. Himburg braut wie berichtet bei Hofmark in Cham weiter. Die Biere des Braukunstkellers genießen einen guten Ruf und verkaufen sich auch, wodurch in den vergangenen Jahren eine auch international starke Marke etabliert wurde. Sollte es aus eigener Kraft nicht gelingen, so könnten diese Argumente Anreiz für Investoren bieten, den Braukunstkeller aus seiner finanziellen Misere zu befreien.

AUSGEZAUBERT!

Doch damit nicht genug der betrüblichen Nachrichten: Auch Günther Thömmes, bekannt durch seinen historischen Roman “Der Bierzauberer”, welcher in der Folge Pate als Namensgeber für seine “Bierzauberei” stand, hängt den Braulöffel an den Nagel.
Vor sechs Jahren entschied sich Thömmes, die damals eher traditionell eingestellte, österreichische Bierkultur aufzurütteln. Das klappte offensichtlich zu gut, denn mit der aufstrebenden Konkurrenz gelang trotz schwarzer Zahlen nicht der Sprung hin zum mittelständischen Unternehmen, und die One-Man-Show wurde Thömmes auf Dauer zu anstrengend. Auf seinem Blog verabschiedet sich Thömmes voller Dankbarkeit und versichert, auch weiterhin in der Bierwelt unterwegs und für Kollaborationssude verfügbar zu sein. Wir wünschen viel Glück und freuen uns auf weitere Bierzaubereien, diesmal womöglich wieder aus dem Tinten- statt aus dem Bierfass?

Craft Beer beim Super Bowl 2016?

Auch in Deutschland wird das größte US-Sportereignis immer beliebter, die Nachfrage sowohl nach US-Mainstream-Lager wie auch Craft Beer steigt rund um das Finale der NFL enorm. Ausgerechnet Craft Beer soll nun bei der fest in Anheuser Bush-Hand befindlichen Fernsehübertragung einen Werbeplatz ergattert haben?

Nun, nicht so ganz. Denn das Bier, welches sich neben Malzbrausen wie Bud Light und Michelob Ultra am 7. Februar (bzw. zeitversetzt am 8. Februar in Deutschland) im Endspiel zwischen den Denver Broncos und den Carolina Panthers zeigen darf, ist Shock Top, eine der Pseudo-Craftmarken des Bierriesen. Wie auch sein MillerCoors-Stilbruder Blue Moon dient es als Einstiegsbier in die Craft-Welt. Ironischerweise hatte Anheuser Bush erst beim letztjährigen Super Bowl einen Seitenhieb gegen Craft Beer und das damit verbundene Gehabe ausgeteilt.
Jim Koch, CEO der Boston Brewing Company, der einzigen US-Craft-Brauerei, die sich einen Super Bowl-Werbespot (5 Mio. US-$ für 30 Sekunden) ohne Weiteres leisten könnte, erklärte dazu einfach: “Mein Geld ist woanders besser angelegt.”
Um echtes Craft Beer beim Super Bowl müssen sich Fans also wohl weiterhin selbst kümmern.

Bleibt das Reinheitsgebot noch rein?

Die Frage lautet viel eher: Bleibt es auch weiterhin einen faktischen Beleg seiner Notwendigkeit schuldig? Scheinbar ja, denn beim Donaukurier, einer Ingolstädter Zeitung, meldete sich am 1. Februar Hubert Brandl, Braumeister und Erschaffer des Amerdinger Weissbierpils, zu Wort, und zeigte, wie man es nicht macht. Sein Leserbrief strotzt vor üblichen Phrasen, die zu jenem Erlass immer und immer wieder aus dem Klischeekeller geholt werden, als erhöhe sich durch mantrahafte Wiederholung ihr Wahrheitsgehalt:
Das Reinheitsgebot sei “nachweislich das erste Lebensmittelgesetz der Welt, das einer meist noch handwerklich geprägten Sparte wie dem Brauwesen in der Verwendung von lediglich vier Rohstoffen enge Grenzen setzt”. König Hammurapi, der bereits 1.700 Jahre vor Christus pantschende BrauerInnen gesetzlich zum Tode verurteilte, war offenbar zu leger.

Des Weiteren fehlt es bei Brandl am Verständnis für den Craft-Begriff, der sich im Bezug auf Craft Beer eben nicht einfach mit “Handwerk” übersetzen lässt. Auch der Sermon, man könne doch mit Rohstoffvariationen brauen, dürfe es dann nur eben nicht als Bier (sondern nach Brandls Dafürhalten eher als “Craft-Brühe”) deklarieren, ist inzwischen abgenutzt. Schon 1551 wurde der herzögliche Erlass von 1516, den wir heute als Reinheitsgebot kennen, um Koriander und Lorbeer erweitert, erst im 19. Jahrhundert gelangte man wieder bei Hopfen, Malz und Wasser (und nun auch Hefe) an.

Zu Brandls Verteidigung sei gesagt, dass seine Forderung auf den Verzicht fossiler Brennstoffe in der Brau-Industrie einen sinnvollen Beitrag und positiven Abschluss des Artikels darstellt. Dass es bisher noch kein Befürworter des Reinheitsgebots gewagt hat, die faktischen Kritikpunkte seiner Gegner Stück für Stück zu widerlegen, sondern dass stattdessen stets die Verklärung der Vergangenheit als Argument für die Gegenwart herhalten muss, bestärkt in der Vermutung, dass in diesem Jahr Änderungen am Gesetz (nicht am Reinheitsgebot) möglich sind.

Credits

Foto: Bier via Shutterstock.

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