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Biercocktails, ein Plädoyer

„Die erste Pflicht der Musensöhne ist, dass man sich ans Bier gewöhne!“ Eine Weisung von Wilhelm Busch, die bei den Getränkekünstlern hinter der Bar allzu oft auf taube Ohren stößt. Feierabendbier schön und gut, aber Bier im Cocktail ist oft tabu. Zu Recht?
Wer „Bier“ und „mixen“ in einem Satz hört, denkt für gewöhnlich an Biermischgetränke irgendwo zwischen gruselig und erfrischend. Während Klassiker wie Radler oder Berliner Weisse mit Schuss noch ein leichteres Trinkvergnügen liefern sollen, dreht sich bei Fertigmischungen der Bier-Art eigentlich alles nur noch darum, den Biergeschmack hinter gnadenlos süßen und meist künstlichen Aromen von Papaya bis Energy Drink zu verbergen.
Vielfalt als Chance, Vielfalt als Hindernis
Doch wie steht es um Bier als Zutat eines Cocktails? Die Karten der Bars sind hier meist sehr spärlich bestückt. Verwunderlich, denn nicht nur schauen Bierdrinks wie der Dog’s Nose auf eine Historie bis Charles Dickens zurück, Bier bringt als Filler zudem ein ausgeprägtes Profil mit: Malzige Süßnoten von Honig und Karamell bis Kaffee und Schokolade, hopfige Frische von tropenfruchtig bis gaumenaustrocknend bitter. Soviel Vielfalt bietet keine Limonade, kein Sekt, kein Saft.
Doch womöglich macht genau diese Stärke von Bier es in der Verwendung so kompliziert, denn um genau das richtige Bier für einen bestimmten Cocktail zu finden, bedarf es einer eingehenden Kenntnis jener Vielfalt. Diese ist leider nach jahrzehntelanger Dominanz einheitlicher Lagerbiere nur selten gegeben.
Bierernstnehmen
Schnappt man sich einfach „ein Bier“ erhält man am Ende so etwas wie den Beer Margarita, meist mit einem der superleichten, mexikanischen Lager gemischt. Zwar nimmt das Bier etwas die Süße aus dem Cocktail, wirklich einen geschmacklichen Beitrag leistet es aber nicht. Kaum verwunderlich, hat doch schon das Bier an sich wenig zu bieten. Dadurch funktioniert der Cocktail zwar noch, wird jedoch redundant, denn man hätte ja auch einfach beim klassischen Margarita bleiben können. Hier verfällt man demselben Fehler wie die Bierindustrie mit ihren Biermixgetränken.
Bier, das einen Drink bereichern soll, will also ebenso sorgfältig ausgewählt werden wie jede andere Zutat. Dabei kann es nicht das Ziel sein, den Biergeschmack zu verbergen, sondern er muss als gleichberechtigte Komponente betrachtet werden. In obigem Beispiel könnte man ein zitruslastiges, aber ebenfalls leichtes Pale Ale nehmen, oder wie wäre es mit einem (alkoholischen) Ginger Ale? Und warum beim Filler aufhören? An der Bar von Fernsehkoch Jamie Olivers Italian Angel in London gibt es einen selbstgemachten Biersirup aus dem Jaipur India Pale Ale von Thornbridge, der mit Zitronensaft, Gin und dem Hausbier Liberta von Freedom Brewing als Filler zu einem Gin Fizz der bierigen Art beiträgt. Im BrewDog Shoreditch, ebenfalls in London, wird der White Russian anstelle von Kahlua mit einer Reduktion ihres Cocoa Psycho (ein Imperial Stout mit starken Kaffee- und Kokosnoten) gemixt. Bier setzt mit seiner Sortenvielfalt der Kreativität kaum Grenzen.
Von unter der Theke
Warum also findet man so selten Cocktails mit Bier auf der Karte? Die meisten Bartender haben sogar ein Ass im Ärmel. Wer nachfragt, bekommt oftmals einen gut durchdachten Vorschlag für einen Biercocktail. Doch für eine Aufnahme ins Standardrepertoire reicht es meist nicht.
Steht hier gar der bodenständige Ruf von Bier einem größeren Erfolg im Weg? Ist Bier als billiges Allerweltsgetränk, als uniformes Gesöff, so tief im Bewusstsein verhaftet, dass jeder Cocktail damit bei den Kunden automatisch Skepsis erzeugt? Für Schirmchen- und Fruchtsaftläden mag das zutreffen, doch von Aromenspielen fasziniertes Publikum dürfte die Möglichkeiten von Bier spannend finden, so man sie entsprechend kommuniziert. Mit dem Aufschwung von Craft Beer und der Wiederentdeckung der Hopfenbrause als vielseitigem und hochwertigem Getränk ist es nur eine Frage der Zeit, bis es auch als Mixer eine ernstzunehmende Alternative wird.

Credits

Foto: Biercocktail via Shutterstock

Comments (5)

  • Jens Müller

    Weizen-Mojito habe ich vor Jahren schon getrunken, wurde damals von der Bayreuther Maissel Brauerei im Rahmen der “Bayreuther Bierwoche” propagiert. Und es war damals schon erschütternd wie GUT das geschmeckt (hat es tatsächlich!). Und ich hab das eher bestellt um zu wissen, WIE scheiße es wohl schmecken wird. 🙂
    Ein Sirup aus einem Weizen als Süße Quelle für einen Bourbon-Sour ist nicht zu unterschätzen. (“Foodpairing” und “Reife Bananen” sag ich nur).
    Und es gab auch schon bei der Made in GSA eingereichte Drinks mit Bier 😉
    Ausprobieren lohnt sich!!!

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  • Alexander

    Hmmmm, Bier ist Bier und sollte auch so behandelt werden. Selbst als Genussmensch sehe ich die Craftbiere eher skeptisch…..Tradition sollte Tradition bleiben….das gleiche mag für Biercocktails gelten. Von der Grundsubstanz vielseitig verwendbar aber warum? Man(n) muss ja keinen künstlichen Trend triggern…..

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  • Helmut Adam

    Rumfustian
    1 quart of strong ale, 1 pint of gin, 1 bottle of sherry, 12 eggs, 12 large lumps of sugar, 1 stick of cinnamon, 1 nutmeg, grated, 1 lemon
    Whisk up the yolks of the eggs and add the ale and gin. Put the Sherry into a saucepan with cinnamon, nutmeg, sugar, and the rind of lemon peeled very thin; when the wine boils, pour it upon the ale mixture and drink while hot.
    (Cocktail aus Jerry Thomas’ Bartenders Guide, 1876)
    —-
    Die “Tradition” gibt es also auch bei Bier-Cocktails.
    Grüße, Helmut Adam
    (ein ehemaliger Bier-Cocktail-Skeptiker)

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  • Bert Jachmann

    hier noch ein großartiger Drink…
    “Augustus Rex”
    5cl Talisker 10y
    5cl Schloss Eggenberg Samichlaus
    2cl Chambord Royale
    Coupette Glas mit Absinth ausschwenken
    – Whisky und Chambord im Rührglas kalt rühren
    – Starkbier hinzugeben und nochmals sanft verrühren
    – straight in die vorgekühlte u. mit Absinth benetzte Champagner-Schale abseihen
    (by Jan Pavel, Fabios Vienna, 2014)

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  • Jens Müller

    @ Alexander: da musste auch deinen Scotch immer pur trinken und hast nie das Vergnügen eines Laphroig Sour…
    Das “Problem” mit Bierdrinks ist, dass es da wirklich wichtig ist, genau das Bier zu nehmen, das im Rezept steht.

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