TOP

So nicht! Der BIERLikör 22

Bier und Likör sind nicht gerade zwei enge Verwandte, wenn es um die Wahrnehmung in der breiten Masse geht. Dennoch ist ein Bierlikör eine schöne Idee, um die Aromenwelt des Gerstensaftes in stärkerer Form an die Bar und in den Shaker zu transportieren. Vielleicht mit dem Bierlikör 22 von der Mosel? Ganz sicher nicht.

Der Bierkosmos wächst und gedeiht in alle Richtungen. Bisweilen liegt dabei zwischen Kreativität und maskierter Ideenlosigkeit, zwischen großer Klasse und erschütternd schlechten Erzeugnissen nur ein schmaler Grat.

Der Exot in der Nische

Ein Produkt, das durchaus einen Status als Exot für sich in Anspruch nehmen darf, ist Bierlikör. Einerseits durchaus mit Tradition behaftet, ist die Nische andererseits derart klein, dass es sich nicht einmal anbietet, überhaupt von einer „Kategorie“ zu sprechen. Würde man unter Bartendern fragen, ob sie einen Bierlikör im Rückbuffet stehen haben – der Anteil an „ja“-Antworten dürfte im unteren einstelligen Prozentbereich rangieren. Wenn überhaupt.

Das will man im Kinheimer Hause Gourmet-Depot ändern und lanciert mit dem Bierlikör 22 das nach eigener Aussage „neue Trendgetränk der Craft-Bier-Szene“. Komplett von Hand gefertigt weist das Etikett stolz auf seine Inhaltsstoffe hin: ein vollmundiger Doppelbock bildet die Basis des „22er“, gewürzt mit Malz, Hopfenblüten und selbstverständlich Zucker – sonst wäre es ja kein Likör. Der Name scheint sich aus dem Alkoholgehalt zu speisen, denn dieser beträgt 22%/Vol., was für Liköre gesundes Mittelmaß bedeutet.

Noch ein Likör? Noch mehr Bier?

Stellen wir hier einmal folgende Frage: brauchen wir einen Bierlikör? Nun ja, mag man einwenden, häufig wird einem der Bedarf erst klar, wenn das erste Produkt vorliegt. Jedenfalls wird der „22er“ stolz als Ergebnis einer durch Leidenschaft und Begeisterung geprägten Entwicklung dargestellt. Und, was da wichtigste ist: „Frauen werden ihn lieben, und kein Mann, der etwas auf sich hält, wird ihn verschmähen“, wie uns die Website klar macht. Aha – also dürfte prinzipiell jeder den „22er“ mögen! Außer natürlich Männer, die nichts auf sich halten. Aber davon gibt es ja nicht ganz so viele.

Die Unverschämtheit im Glas

Um es direkt auszusprechen: wer etwas „auf sich hält“, sollte die Finger von diesem Produkt lassen. Und fragen, warum die Macher derart viel davon zu halten scheinen. Der Bierlikör 22 ist – gelinde ausgedrückt – eine ziemliche Unverschämtheit. Warum? Das wollen wir natürlich nicht verschweigen.

Im Glas macht der Bierlikör beim bloßen Anblick zunächst noch Freude und Lust: mit satter Bernsteinfarbe leuchtet er trotz schwacher Trübung kraftvoll und die leicht sirupartige Konsistenz erinnert an einen Madeira. Allerdings zeigt sich bereist beim Schwenken, dass der Zucker nicht gut eingebunden scheint, denn es bilden sich zähflüssige Tränen, denen jede Viskosität fehlt und die sich leicht auskristallisieren.

Die betrunkene Nase klebt am Glase fest

Beim Nosing kommt zuallererst tatsächlich ein sehr präsenter Malzton zur Geltung, der leichte Anklänge von Butter und Honig mitbringt. Doch leider schnuppern wir nicht nur vergeblich nach kräutrig-harzigen Aromen, die uns den Hopfen verraten könnten. Nein, auch jene Komponenten, die es zu riechen gibt, werden mehr oder weniger komplett erschlagen durch den penetrant-fuseligen Duft, den der Bierlikör 22 verströmt: es drängt sich die Assoziation eines betrunkenen Bienenkorbes auf. Ein sauber angesetzter Likör darf so nicht riechen.

Zwar präsentiert sich der Likör auf der Zunge zunächst unerwartet cremig und konsistent, gleitet dann aber nach hinten raus wieder in eine sehr dominante alkoholische Schärfe ab, die so einfach nicht stehen gelassen werden darf – derart unsauber darf ein Produkt mit einem Literpreis von über 40 Euro einfach nicht daherkommen. Das Schlimmste jedoch ist die alles niederwalzende, vollkommen eindimensionale Süße des „22er“.

Auch Zucker will gelernt sein

In bester Chartreuse-Marnier hat man hier selbstbewusst auf einen sehr hohen Zuckergehalt gesetzt. Leider ist dabei der Umstand vernachlässigt worden, dass der Zucker auch einen kräftigen Gegenspieler in Form starker Aromen braucht. Und die bekommt er hier nicht einmal im Geringsten. Bereits beim zweiten oder dritten Schluck drängt sich einfach nur noch das Bild eines Rock-Candy-Sirup auf, in den man schlechten Vodka gekippt hat. Keine Kräuter, keine Frucht, nichts Blumiges, kein Aroma – nur alles dominierende Süße. Selbst die malzigen Noten geraten in den Hintergrund, während das, was vielleicht an Hopfen zu erahnen wäre, mitleidlos und brutal zur Unkenntlichkeit zerzuckert worden ist.

Ganz im Ernst: So nicht!

In erster Linie ist das, was einem dort so selbstsicher und zu einem überaus stolzen Preis angeboten wird, eine Frechheit. Aus Bar- und Bier-Sicht ist es aber vor allem überaus schade, denn ein gut gemachter Likör, der typische Bieraromen auch in anderer Form zugänglich macht, wäre etwas, das so manchen Bartender zur Kreativität anregen mag. Aber so nicht! Beim Bierlikör 22 mag man weder an Bier noch an Likör denken – weil er beiden Begriffen nicht gerecht wird.

Und besonders an den Braukesseln geschieht derzeit zu viel Gutes, als dass man es zulassen dürfte, dass man beim Gourmet-Depot anmaßend vom „Trendgetränk“ einer florierenden Szene zu sprechen, mit der man offenbar nichts gemein hat. Sonst würde dieses Produkt nicht in seiner jetzigen Form vorliegen. Einen Bierlikör? Gerne. Aber so nicht!

 

Credits

Foto: Bier, Likör und Hand am Mülleimer via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

Comments (4)

  • jgehrig

    Hallo Nils,
    es ist schon interessant wie Du den Bierlikör da auseinandernimmst. Leider kenn ich diesen nicht hätte aber gerne mal von Dir gewusst was Du Dir effektiv unter einem Bierlikör vorstellst. Vielleicht habe ich eine Alternative für Dich
    Gruss
    Johannes

    reply
  • Redaktion

    Werter Johannes,

    ein wenig hinterlässt mich Dein Kommentar mit einer gewissen Ratlosigkeit: um was für eine Alternative soll es denn gehen? Um einen anderen Bierlikör? Ich bin immer interessiert.

    Um aber Deine Frage zu beantworten: Grundsätzlich geht es gar nicht darum, was ich mir vorab von einem BIERlikör verspreche – ich habe ja selbst vorher noch keinen getrunken, da es sich (s.o.) doch um eine regelrechte Nische handelt. Stein des Anstoßes, und das legt der Text auch offen dar, sind zwei andere Aspekte.

    Erstens: ich vermisse im “22” die Charakteristik eines Bieres. Ein guter Triple Sec schmeckt und duftet nach Orangen, ein Kaffeelikör nach Kaffee und guter Met nach Honig – bei allen kommen jedoch noch viele andere Noten hinzu. Und auch wenn, wie im vorliegenden Fall, ein Bockbier, also ein malzbetonter Stil Pate stand, fehlt mir die Aromenvielfalt des Ausgangsproduktes. Malzaroma allein reicht nicht aus, um von “Bier” zu sprechen. Abwesend sind all die Dinge, die ein Produkt komplex und interessant machen. Ich denke, dass ich das im Artikel recht deutlich ausgeführt habe: Wo ist der Hopfen, die damit verbundenen ätherischen, fruchtigen und bitteren Aromen? Ich konnte und kann sie leider nicht finden.
    Zweitens: Die Vokabel “Likör” mag bei manchem noch die Assoziation von hochgradiger, einseitiger Süße hervorrufen. Das sollte aber nicht so sein. Hinzu kommt der Aspekt, dass der “22” schlicht und einfach den Eindruck einer aus meiner und unserer Sicht nicht wirklich sauberen Likörs erweckt. Es stellt sich rasch eine deutliche alkoholische Schärfe ein. Auch das habe ich oben erläutert. Besonders Liköre haben bei vielen Menschen einen schweren Stand, weil sie behaftet sind mit dem Klischee vom “Katermacher”, obwohl es in dem Segment geradezu erlesene Köstlichkeiten gibt. Insofern ging es mir auch darum, klar zu stellen, dass der “22” einfach nicht meiner Vorstellung von einem guten Likör entspricht – ganz gleich, worauf er nun basiert. So, wie er nun vorliegt, ist er jedenfalls kein ausgewogenes Produkt.

    Und, um auf Deine Formulierung zurück zu kommen: mit “Auseinandernehmen” hat das für mich nur bedingt zu tun. Zugegebenermaßen ist das eine saftige Kritik, die ich da austeile. Aber diese Ehrlichkeit nehmen wir uns heraus. Oder gefiele es Dir besser, wenn wir das, was wir eigentlich denken und schmecken, später schönschreiben? Das wäre eine ziemlich fatale Vorgehensweise. Zumal ich an keiner Stelle beleidigend oder ausfallend werde. Vielleicht wird der Likör ja an andere Stelle besser oder gut besprochen. Wir halten jedenfalls daran fest.

    Bleibt mir nur, noch einmal nach der feilgebotenen Alternative zu fragen.

    Herzliche Grüße aus der Redaktion,
    Nils Wrage

    reply
    • Johannes

      Hallo Nils,
      ich habe also auch einen Bierlikör in meinem Repertoire und würde Dich gerne einladen diesen bei uns zu verkosten. Melde Dich doch mal bitte direkt bei mir.
      Viele Grüße
      Johannes

      reply
  • gourmet depot

    „Halt, Stop!“ Auch Kritik will gelernt sein.
    Unsere Stellungnahme zum Verkostungsartikel über den BIERLikör22

    Vor ein paar Tagen sind wir eher zufällig über den Artikel zu unserem BIERLikör22 gestoßen. In diesem geht Herr Wrage, stellvertretender Chefredakeur der Mixology, ungewöhnlich hart mit unserem Bier Likör ins Gericht.

    Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, ansonsten würden wir auch in einer sehr langweiligen und monotonen Welt leben. Wer uns näher kennt weiß aber, dass wir für Kritik jederzeit offen sind.
    Der Artikel von Herr Wrage hat damit aber nichts mehr zu tun. Ziemlich beleidigend und fern jeder konstruktiven Kritik wird unser Produkt auseinander genommen.

    Wir sind keine newcomer am Markt und haben jahrelange Erfahrung im Likör- und Spirituosenbereich, was uns auch die ein oder andere Auszeichnung beschert hat. Unser BIERLikör22 ist also kein Schnellschuss, sondern das Resultat aus fast 9 Monaten Arbeit und intensiver Auseinandersetzung mit dem Thema „wie passen Hopfen und Malz, Zucker und Alkohol zusammen.“ Die leckere Antwort war keines Wegs nur eine Mischung aus Bier und Likör, sondern ein aufwendiges Kalt-Mazerat aus Hopfenblüten und Malz, viel Zeit, kräftige Stammwürze eines Doppelbocks und unsere Erfahrung in der Likörherstellung.

    Seit Januar sind schon eine Menge Flaschen (inklusive Nachbestellungen) über unsere Ladentheke gegangen. Für uns als kleines Familienunternehmen wirklich eine Herausforderung, die wir mit sehr viel Spaß und Einsatz meistern. Wir sollten all den Käufern doch kein kollektives Deppentum und fachliche Inkompetenz unterstellen?

    Auch die ersten Cocktails wurden gemixt was somit ebenfalls zeigt, dass Fachleute aus der Barszene sich auf unseren „betrunkenen Bienenkorb“ einlassen und sehenswerte Neukreationen entstehen lassen – für uns Grund genug um von einem Trendgetränk zu sprechen. Übrigens lassen wir uns gerne inspirieren. „Drunken B-Hive“ ist kein schlechter Name für eine gemeinsame Cocktailkreation. 

    Auch um Ihre Kritik an unserem Website Slogan zu entschärfen, jeder der keine Coca Cola trinkt, kann seinen „way of life“ doch hoffentlich trotzdem finden?

    Schreiben können wir jedenfalls viel und es wäre müßig zu jedem Kritikpunkt eine Stellungnahme abzugeben.
    Daher unser Vorschlag:

    Jeder der sich noch traut unsere „Unverschämtheit im Glas“ selbst zu probieren und sich sein eigenes Urteil bilden will, ist herzlich eingeladen, ein kostenloses Schmeckmuster anzufordern.
    Und Herrn Wrage würden wir gerne noch besser kennen lernen und wer weiß? … vielleicht können wir ja noch etwas lernen.

    gourmet depot
    [email protected]

    reply

Kommentieren