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Eins, Zwei, Drei – vorbei. Das Billy Wilder’s gibt es nicht mehr.

Manche haben das Billy Wilder’s nicht so recht ernst genommen. Dabei war es eine wichtige Institution am Potsdamer Platz und sehr beliebt beim Publikum. Auch haben viele Bartender hier die ersten Schritte getan. Nun musste es seine Türen schließen. Ein Verlust.

Kennen Sie Otto Ludwig Piffl? Kennen Sie! Horst Buchholz spielt ihn in Billy Wilders Srewball Comedy „Eins, Zwei, Drei“ aus dem Jahr 1961. Berlin als Brennpunkt des Ost-West-Konflikts. Während der Dreharbeiten wird die Mauer gebaut und für den Film muss das Brandenburger Tor im Studio nachgebaut werden.

In diesem modernen Klassiker wird heftig intrigiert, getanzt und getrunken, eben wie in mancher Bar. Manchmal auch so, wie im Billy Wilder’s. Damit ist jetzt Schluss. Billy Wilder, der selbst einige Jahre im Berlin der 1920er und 30er Jahre gelebt hat, verfügt selbst über gastronomische Wurzeln, da sein Vater in Krakau ein Hotel und mehrere Restaurants betrieben hat. Er überließ der Bar am Potsdamer Platz seinen Namen und für viele Jahre war sie, mit ihren markanten roten Wänden, ein zentrales Element im Treiben dieses Touristen-Hot-Spots.

Ende und Anfang

Das Aus für das Billy Wilder’s hat einen profanen Grund – der Pachtvertrag wird nicht verlängert. Der Vermieter, das Filmhaus Berlin, will ein anderes Konzept. Offenbar möchte man sich auf ein reines Tagesgeschäft umorientieren. Die Logistik ist nicht optimal für einen Barbetrieb in den gleichen Räumen mit einem Filmhaus, mit seinen diversen Institutionen. Hier wächst nicht zusammen, was zusammen gehört.

Spulen wir zurück. Billy Wilder verdanken wir legendäre Komödien und Dramen wie, „Manche mögen’s heiß“, „Das Appartement“, „Zeugin der Anklage“ oder die Alkoholikeragonie „Das verlorene Wochenende“. Sechs Oscars gewinnt er, große Teile seiner Familie werden von den Nazis ermordet, Flucht in die USA 1933, ein Leben, ausgetrunken mit 95 Jahren in Kalifornien 2002. Dann gibt es einen Familienbetrieb, eine Konditorenfamilie seit 1928 namens Otte in Berlin, die neben verschiedenen Filialen der „Wiener Conditorei“  auch Cafés betreibt – unter anderem das bekannte Opernpalais Unter den Linden. Was fehlt? Richtig, eine Bar. Der jetzige Familienpatriarch erkundigt sich bei Billy Wilder, ob diese Bar seinen Namen tragen darf. Unter der Bedingung, dass dies an diesen besonderen historischen Ort, den nach dem Mauerfall neu gestalteten Potsdamer Platz, das heutige Mekka der Filmfestivals gebunden ist, sagt er ja. Also, Klappe auf.

Der Anfang ist etwas holprig, das Geschäft ist neu. Nach und nach entwickelt sich das Billy Wilder’s zu einer beliebten High-Volume-Bar. Es ist auch Café und Bistro und saugt die Touristenströme und Berliner Potsdamer Platz-Gucker, die Kinobesucher und Philharmoniebetörten in sich auf.

„Spannend waren vor allem die Filmpremieren. Promis und lange Schlangen. Schauspieler und nervöse Moderatoren waren dann bei uns. Ansonsten hatten wir eine gute Mischung von etwas reiferen Leuten aus der Philharmonie und anderen Vergnügungssüchtigen zwischen 25 und 30 Jahren“, sagt der ehemalige Mitarbeiter Phum Sila Trakoon, heute Barchef im Le Croco Bleu. Die Barkarte ist eher geprägt von Klassikern und Fancy Drinks. Dazu kommen Nachos, Club Sandwich oder Panini auf den Tisch. Traditionell eben. „Aber man darf auch nicht vergessen, dass hier viele ihre erfolgreiche Karriere gestartet haben“, erwähnt Sila-Trakoon zu Recht. Auch der spätere Le Lion-Bartender und Amano-Barchef Philip Bischoff (heute in Singapur) und sogar ein gewisser Helmut Adam haben hier am Anfang ihre Kreise gezogen.

Moderne Barkultur und Publikumsmagnet

Seinen Weg geht ebenfalls Antonio Vargas San Roman. Der gebürtige Kubaner war von 2010 bis 2012 Barchef im Billy Wilder’s und ist heute Barsupervisor im Steigenberger Grandhotel Handelshof Leipzig. „Für mich war das eine gute Bühne. Hunderte von Events mit langen Schlangen und attraktivem Publikum. Die Industrie hat uns die Tür eingerannt“, erinnert er sich. Er versucht die Bar auch inhaltlich weiterzubringen. „Wir haben den Anteil der Fancy Drinks abgebaut, haben Klassiker mit Twists angeboten. Infusionen selbst gemacht. Keiner von uns konnte das. Es war Learning by doing. Aber die Inhaber haben uns weitgehend freie Hand gelassen. Auch Küche und Service haben an Veranstaltungskonzepten gearbeitet. Das Publikum hat gut darauf reagiert und der Stammgästeanteil ist stetig gewachsen.“ Das darf nicht als selbstverständlich gelten an einem Ort, der eher als Schmelztiegel verschiedener Nationen und Kulturen gilt. Das Billy Wilder’s scheint aber einen guten Kompromiss gefunden haben und ist weiter Publikumsmagnet.

Vargas berichtet, dass der Nachteil des Erfolges und des begleitenden Stresses ein stetes Personalkarussell gewesen sei. „Ich hatte manchmal bis zu 14 Bewerbungen an einem Tag von überall her auf dem Tisch. Da gab es Leute, die teilweise Monate gewartet haben, die wollten nur bei uns arbeiten.“

Einen gewissen Zauber hat es also gehabt, das Billy Wilder’s. Keine High-end-Bar, aber eine Heimat für Menschen, denen nerdige Bars auf die Nerven gehen oder die sie einfach nicht interessieren. Gute Arbeit, guter Service, stabile Drinks, das hat hier gereicht.

Billy Wilder ist schon lange gegangen. Es ist eine Ironie, dass er 1961 während des Mauerbaus den Film „Eins, Zwei, Drei“ gedreht hat, der bei der Kritik und beim Publikum weitgehend durchgefallen ist. Erst Mitte bis Ende der Achtziger Jahre erlebt er ein Comeback und wird zum Kultfilm. Pünktlich zum Mauerfall. Dann wird als eines der ersten Großprojekte der Potsdamer Platz neu gestaltet und bebaut. Billy Wilder ist wieder in Berlin – als Bar. Eins, Zwei, Drei – vorbei.

Credits

Foto: Billy Wilder's via Capitu (ou Marcela)

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