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Bitte kein Session-Bier

Aaron Goldfarb regt sich auf. Hauptsächlich darüber, dass man bei Bier verquere Maßstäbe ansetzt. Warum ein Kneipenabend am besten gar nichts mit einem Hot Dog-Wettessen gemeinsam haben sollte und das Session-Bier der erklärte Feind ist.
„Klar, es schmeckt gut, aber ich könnte das jetzt nicht den ganzen Abend trinken.“ – das ist ein Satz, den man oft hört und nur selten infrage stellt. Die Aussage bezieht sich interessanterweise meistens auf Bier, völlig außer Acht gelassen, dass niemand von einem verlangt, dieses IPA oder jenes Pale Ale den gesamten Abend zu trinken. Und zwar durchgehend.
Davon abgesehen, dass das niemand je von einer Spirituose oder der Hauptspeise erwarten würde. Mehrere Stunden lang Steaks, Schnitzel, was auch immer essen zu können, ist kein Qualitätsmerkmal. Literweise nur einen einzigen Islay Single Malt wie Wasser trinken zu können auch nicht. Warum aber stellt der Anspruch an die Drinkability bei Bier oft so viele andere Aspekte in den Schatten?
Know Your Enemy
Stein des Anstoßes für Aaron Goldfarb ist der Begriff „Session-Bier“ und alles, wofür das steht. „Session“ trägt schon im Namen, was genau die Anforderung ist. Es geht um einen längeren Zeitraum. Zum Beispiel einen Kneipenabend, der sich einige Stunden zieht.
Das passende Bier dazu hat eine hohe „Trinkbarkeit“ und ist folglich eins, von dem man ruhig einige nacheinander trinken kann ohne die Geschmacksknospen zu sehr zu fordern, noch allzu betrunken zu werden. Ein Session-Bier bewegt sich in Sachen Volumenalkohol im niedrigen Bereich, hat eine ausgeprägte Balance zwischen Hopfen- und Malzaromen und verabschiedet sich bis zum nächsten Glas mit einem unaufgeregten Abgang.
Viele der irischen Biere fallen in diese Kategorie, was mit der Pint-Kultur Hand in Hand geht. Ein Pint, zwei Pint, 15 Pint – es trinkt sich dahin.
Mäßigen Sie sich
Warum aber sollte man Unmengen an zumeist fad schmeckender Flüssigkeit in sich hinein kippen und das über mehrere Stunden ohne größeren Effekt? Genau das fragt sich auch Goldfarb. Natürlich gibt es einen Unterschied zwischen Essen und Trinken, ersteres ist ein klar abgegrenzter Vorgang mit Anfang und Ende. Aber ist das Grund genug, dem Geschmack bei Nahrung mehr Priorität einzuräumen als beim Bier? Nicht wirklich.
Um wieder zurück zum Steak zu kommen: man bestellt im Restaurant auch kein geschmacksarmes Session-Steak, das man dann den ganzen Abend durchgehend verzehren kann, und das deshalb einer guten „Essbarkeit“ bedarf.
Gourmet oder Gourmand
Goldfarb macht sich für den Anspruch stark, den Geschmack über die „Drinkability“ zu stellen. Lieber wenige IPAs mit IBU im mittleren Feld und einem Alkoholgehalt von um die 7% Vol. genießen, anstatt ein flaches Bier nach dem anderen in sich hinein zu kippen, um schließlich aufgebläht und im letzten Drittel des Abends leicht alkoholisiert die Bar zu verlassen.
Er vergleicht Session-Biertrinker mit Teilnehmern an einem Hot Dog-Wettbewerb: auch hier stehe Quantität vor Qualität.
Heißer Tipp
Ein wertvoller Rat zum Schluss. Wer dennoch gerne hin und wieder eine „Session“ einlegt und sich dafür etwas Wohlschmeckendes wünscht, das nicht zu stark füllt, dem rät der Autor von Esquire zu Wasser. Sein eigenes Lieblingsbier ist übrigens das Harvest Ale von Founders.
Goldfarb hat Recht. Geschmack sollte immer Priorität haben. Die Bewegung hin zu Genuss und Qualität, ob nun trinkbar oder essbar, unterstreicht das. Zugleich muss man sich bewusst sein: Hot Dog-Wettessen wird es auch weiterhin geben. Genau wie das leicht bekömmliche Session-Bier, Craft Beer-Connaisseur hin oder her.
Und das ist auch gut so. Denn das eine braucht das andere. Und wohin sonst mit Bud Lights 50 Millionen US-Dollar Werbe-Etat, um die eigene Drinkability in einer Kampagne zu feiern?

Credits

Foto: Bierflaschen, Bar, Babyflaschen via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker

Comments (4)

  • Stefan

    Seid ihr diese missioniererei für craft bier nicht leid? Neugieriger macht mich das ewige gelaber jedenfalls nicht.

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    • SABINE

      @STEFAN, wie meinst du das ?

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  • Benedikt Rausch

    Es muss nicht immer Geschnmacksneutral sein wie das Crew Detox beweist. Und wenn ich Fahrer bin freu ich mich darüber über den Abend hinweg wenigstens 3 Bier trinken zu können die nicht wie Malzbier schmecken und Ordentliche schöne Hopfennase haben. Es ist eben eine Kunst ein Bier mit 2.5% zu brauen und es vollmundig und Aromenreich schmecken zu lassen. Und es gibt nicht umsonst Bierstile die sich klassischerweise um so eine Alkoholregion drehen: Berliner Weisse, Mild Ale (aus bestimmten Zeiträumen wie z.B. http://barclayperkins.blogspot.de/2012/06/lets-brew-wednesday-1955-fullers-x.html), Viele Stouts, Leichtes Weißbier oder generell der in der 5% Einheitsriege untergegangene Begriff des Deutschen Schankbier. Ich finde es wichtig das die neue Craft Bierkultur sich auch im diese Bierstile kümmert. Sie haben ihren Sinn und nicht alles was 3 % Alkohol hat muss schmecken wie Miller/Coors und Co.

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  • Jens

    Ich stimme dem Inhalt des Artikel nur zum Teil zu. Die Rückkehr des Schankbieres würde ich zT auch begrüßen.
    ABER: es gibt Abende, an denen will ich ein Bier nach dem anderen um blau zu werden. Und nicht die Lychee- oder Grapefruitnoten diskutieren möchte.
    Und hier für einen Artikel einen englischen Begriff zu bemühen, den hier wohl sehr sehr wenige verwenden, wirkt, naja: bemüht.
    Im großen und ganzen belangloser Artikel mMn…

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