Die Blume von Hawaii: Ein bisschen Neo-Tiki und viel Tintenblut
Neo-Tiki – das ist eine überschaubare Karte, verschiedene Spirituosen und selbstgemachte Sirupe wunderbar zusammen gemixt. Zumindest wenn man zu Gast bei Thomas Stingl in der Nürnberger Blume von Hawaii ist.
Tiki-Cocktails – sind das nicht diese vielen süßen Säfte, billiger Rum und ganz viele andere Zutaten? Bilder im Kopf machen sich breit: riesige Gläser, pseudokunstvolle Becher im polynesischen Göttergewand. Bars mit Sand und Bambusverkleidung. Happy Hour. Erdbeer-Daiquiri. Kopfschmerzen. Jugend.
Es fällt schwer, die Vorurteile ganz auszuklammern, mit denen sich die Tiki-Barkultur seit Jahren konfrontiert sieht. Und ja, teilweise zu Recht, aber auch nein; und vor allem ist diese Diskussion schon etwas überholt. Oder besser gesagt, es wurde auch schon viel darüber geschrieben. Wir von MIXOLOGY haben speziell diesem Thema letztes Jahr einen Essay gewidmet, deswegen sei an dieser Stelle auch schon Schluss damit.
Aloha, Nürnberg!
Um die Ecke der Inneren Laufer Gasse in Nürnberg, im Rosental 15, blüht sie – von außen recht unscheinbar – Die Blume von Hawaii. Durch die langgezogene Fensterfront erkennt man die roten und gelben Lichter der Bar. Seit einem Jahr steht Besitzer Thomas Stingl fünf Mal die Woche hinter seinem Tresen und mixt Klassiker sowie eigene Kreationen nach Einflüssen der Tiki-Kultur, „Die meisten Menschen haben Vorurteile den Cocktails gegenüber. Ich möchte ihnen zeigen, was sich eigentlich dahinter verbirgt, nämlich hochkomplexe Barkultur“, deshalb wechselt er auch vierteljährlich sein Cocktailangebot.
Besonders groß ist das Reich des 46-jährigen Nürnbergers nicht, nimmt doch alleine die Bar schon die Hälfte ein: Es bleiben knapp 35m2 für Tische und ein paar Bambuskorbstühle. Auf den rot gepolsterten Hockern am Tresen lässt es sich gut sitzen, um die Plattencoversammlung über der Bar zu bestaunen: die meisten zieren Bikini-Mädchen am Strand mit Blumen im Haar. Hier und da stehen auch ein paar Tiki-Figuren. Das meiste stammt aus dem Besitz des Barbetreibers, „Mittlerweile bin ich ein richtiger Sammler geworden. Bei mir Zuhause steht noch viel mehr davon“, sagt er.
Von Ganzheitlichkeit und Überzeugung
Auch am Körper „trägt“ er Tiki, und zwar Motive von Cocktailkarten, die er auf der Seite Arkiva Tropika gefunden hat. Zwei von Stingls vielen Tätowierungen sieht man unter den Ärmeln seines Hawaiihemdes: Ein Mädchen mit Blumenhaaren und eine polynesische Maske.
Vor neun Jahren fing alles an, damals war er eigentlich noch als DJ unterwegs – eine seiner vielen Professionen, wie die Theater- und Filmemacherei. Aber auch als Fahrer von Geldtransporten war Stingl schon unterwegs. Eher zufällig sprang er schließlich als Ersatz in der bekannten Nürnberger Bar Europa ein. Vom DJ-Dasein verabschiedete er sich und vertiefte sich in die Kunst der Mixkultur. „Die hatten einen original Mai Tai auf der Karte, der wahnsinnig gut geschmeckt hat“. Anstatt Hip-Hop aufzulegen, wie früher, lud er nun privat zu Cocktailpartys ein und mixte Rezepte rauf und runter – ein paar Hunderte alleine aus der Tiki-Kultur.
Die meisten seiner Gäste kommen regelmäßig und werden mit einem „Aloha“ empfangen – auch das ist Teil seiner Barphilosophie. Hinter seinem Tresen stehen ein paar Riki-Cocktailbücher aus den 1970ern, außerdem jene von Jeff „Beachbum“ Berry, eine der zentralen Figuren des wiederentdeckten Kultes aus Amerika.
Bitte reservieren
Die Karte ist mit 30 Cocktails überschaubar. Klassiker wie Hurricane, Pink Mai Tai oder Bourbon Special kann man genau so ordern wie die Hauskreationen „Die Blume von Hawaii“ – ein scheinbar leichter, erfrischender und prickelnder Cocktail, ohne aufdringliche Süße (Rezept natürlich geheim) – oder einen „Careless Navigator“, aus Gin, Aperol, Liquor 43, Maracuja und Zitronensaft samt frischen Kumquats, „Unsere Cocktails bestehen aus vielen verschiedenen Zutaten und enthalten zwischen 6cl und 17cl Alkohol. Man muss schon wissen, wie man die mixt, sonst kann das schnell schief gehen“, sagt Stingl.
Seine Sirupe macht er selbst, und auch ansonsten sind frische Zutaten für ihn eine Selbstverständlichkeit. Dass Komplexität und Prozente in seinen Drinks stecken, merkt man auch an den Preisen, die zwischen 8,50 Euro und 19,00 Euro differieren.
Sein Konzept scheint aufzugehen, er hat so viel Zulauf, dass er auf Facebook zu einer Reservierung rät – zu oft musste er in letzter Zeit Gäste wegschicken. Und das will er natürlich nicht.
Die Blume: bald auch Open Air?
Knapp vier Jahre hat er nach einem Ort für seine Bar gesucht, und die Zeit hat sich gelohnt: „Die Blume von Hawaii“ ist eine gute Adresse für Cocktails in Nürnberg. Und dazu eine liebevoll eingerichtete, die das Faible seines Besitzers charmant und authentisch widerspiegelt.
Auch wenn er mit der Dekoration noch nicht ganz fertig ist — ein bisschen Bambus fehlt ihm noch und weitere Figuren sollen dazu kommen. In den nächsten Wochen klärt sich auch, ob er vor seiner Bar Tische aufstellen darf. Wenn ja, können sich ein paar Gäste mehr über die Tiki-Interpretationen von Thomas Stingl freuen, und diese in warmen fränkischen Sommernächten genießen.