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Brewbaker – ein brandaktuelles Urgestein

Als Michael Schwab, Brauherr von Brewbaker, begann Craft Beer zu brauen, wusste er noch nicht, dass es so heißt. Nun steht sein gebeuteltes Unternehmen vor einer Wiederauferstehung.  MIXOLOGY verriet der Gründer der „meistbewegten Brauerei Berlins“, warum ihn sein Ruf als Sauerbrauer nervt, wozu er einen eigenen Brunnen braucht und warum Ratten und Kürbisse in all dem eine wichtige Rolle spielen.

Den kreativen Umgang mit Bier übte der Diplom-Ingenieur für Brauereitechnologie bereits um die Jahrtausendwende bei der berüchtigten Beer Company in Berlin aus. Diese brachte unter anderem das immer noch verfügbare Hanfbier „Turn“ heraus und gestatte auch anderen Berliner Craft-Größen wie Thorsten Schoppe das „Herumpro-bieren”, lange bevor es einen Markt dafür gab. Doch im Bereich Kreativbier und Bedarf nach Heimbrauanlagen war das Geschäft einfach vor seiner Zeit, im Bereich Verkauf dahinter, denn das aufkommende Onlinegeschäft erwies sich als zu starke Konkurrenz. Die Beer Company schloss, Schwab beging eigene Pfade.

Kürbisse und Gastro-no-nie

Brewbaker begann 2005. Zunächst versuchte sich Schwab in der Gastronomie, betrieb ein Brauhaus mit Küche in den Berliner S-Bahnbögen in der Flensburger Straße. Nach offizieller Legende war das Bellevue Pils das erste Bier der jungen Brauerei, und tatsächlich wurde es als erstes eingebraut. Zuerst am Hahn war jedoch das Pumpkin Lager, welches Schwab auch heute noch zur Halloween-Zeit braut. Bier mit prophetischem Charakter, möchte man meinen, erblickte doch Schwabs zweites Kind unlängst zu Halloween 2015 das Licht der Welt. Neuanfänge im Hause Brewbaker scheinen also irgendwie mit Kürbissen in Verbindung zu stehen.

Überhaupt braut Brewbaker gern gegen den Strom. Sein Weizen stellte er 2006 ein, als plötzlich klassische Pilsener-Großbrauereien den Markt mit ihren Trendhefeweizen überschütteten. „Ich hatte nicht das Gefühl, dazu noch etwas beitragen zu müssen. Ich wollte etwas brauen, das zu diesem Zeitpunkt nicht vom Massenmarkt bedient wurde. Das waren Ales und Stouts.“ so Schwab.
2010 erhöhte die Bahn die Miete um 66%, und das Projekt Gastrobrauhaus endete. Schwab dazu: „Food Pairing ist für mich immer noch absolut eine Leidenschaft, Bier als Genussmittel eine Herzensangelegenheit. Damit kann man mich immer kriegen. Aber in die Gastronomie gehe ich nicht mehr.“

Von der Müllpresse zum Burnout

Danach zog Brewbaker in die Arminius-Markthalle in Moabit. Doch auch dort wurde Schwab nicht so recht glücklich: Die Kapazitäten waren zu gering, die Bedingungen suboptimal – freundlich beschrieben. Der Gärkeller befand sich unter einer Müllpresse, die Lagerkapazität war beschränkt, es wurden nicht die Brauanlagen-Standards verbaut, die bestellt waren. In dieser Zeit erwarben sich die Brewbaker-Biere einen Ruf kreativer Courage, aber eben auch qualitativer Unbeständigkeit. Als zum Tagesgeschäft von Produktion, Vertrieb und Marketing noch die Geburt des ersten Kindes und ein vermasseltes Großgeschäft um das Brewbaker Stout kamen, kollabierte die One Man-Show schließlich: Ein Burnout zwang Schwab, kürzer zu treten und sich Unterstützung zu suchen.

Aus der Asche…

Jetzt sitzt Brewbaker in der Sickingenstraße, bekommt eine neue Abfüllanlage und erweitert seine Kapazitäten auf ein Vierfaches. Ästhetisch ist es nicht in der Lagerhalle nähe Westhafen, aber sie bietet Platz für Wachstum und deutlich bessere hygienische Bedingungen. Zudem stehen Schwab jetzt zwei Auszubildende zur Seite, hinzu kommt eine Brauerstelle, die er auf zwei Studenten verteilt: „Ein gelernter Brauer aus Österreich und ein Doktor der Biologie. Drunter mach ich’s nicht.“ feixt Schwab. Doch abseits aller Witzelei: die veränderten Bedingungen geben Grund zur Hoffnung, dass Brewbaker die Nachfrage nun zufriedenstellend zu stillen in der Lage sein wird, um endlich wieder Akzente setzen zu können: „Ich habe so viele Biere im Kopf schon gebraut, hatte aber nie den Platz dafür. Barrique will ich seit einer halben Ewigkeit machen. Auch zwei Pilsener, so richtige Bretter, schweben mir schon lange vor.“

Am Brunnen vor dem Tore

Eine weitere Neuerung ist der brauereieigene Brunnen, den zu genehmigen, kontrollieren und zertifizieren bekommen kein Spaziergang war und ist. „Die Lebensmittelaufsicht habe ich in den letzten paar Monaten öfter gesehen als in den 10 Jahren zuvor.“ Doch wozu ein eigener Brunnen? Verzweifelte Suche nach einem Alleinstellungsmerkmal in der zunehmend engeren Berliner Craft-Welt?
„Quatsch! Ich meckere doch schon seit jeher gegen das Gehabe um Felsquellwasser und ähnlichen Marketing-Humbug. Mir geht es einfach nur darum, die Wasserqualitäten nach meinen Vorstellungen einstellen zu können.“
Aber Wasser aus unmittelbarer Nähe des Westhafens klingt jetzt nicht wie das Gelbe vom Ei…„Es ist besser als man denkt. Eisen und Mangan sind zu hoch, aber dafür hat man ja schließlich die Aufbereitungsanlage“, versichert Schwab.

Craft vs. rattengeprüfte Bio-Qualität

Und was hält Schwab von Craft Beer allgemein? “Solang das nicht verbindlich definiert wurde, ist es für mich nur ein schnell verbranntes Schlagwort. Ich bleibe bei Handwerksbrauerei. An der deutschen Szene nervt mich ein wenig, dass ich immer in die Sauerbierecke gestellt werde. Es stimmt, Andreas Bogk und ich haben unabhängig voneinander echte Berliner Weisse in Berlin zu reanimieren versucht, und scheinbar Erfolg gehabt. Aber ich mache so viele andere Biere, die ein wenig untergehen. Elderblossom Ale gefälllig?“ Das stimmt sicher, hat seinen Ursprung aber wiederum in der erwähnten Unbeständigkeit der Biere. Sauerbiere können nicht mehr sauer werden.

Schwab verteidigt sich: „Ich gebe drei Monate Haltbarkeit bei gekühlter Lagerung. Gekühlt, nicht bei 13°C im Keller. Wenn mein Bier ein paar Wochen bei Sommerhitze im Schaufenster steht, ist es hinüber, das muss klar sein. Ich weigere mich auch weiterhin zu pasteurisieren. Ich habe das probiert und empfinde es als geschmackliche Beeinträchtigung.“ Zudem ist Brewbaker jetzt bio-zertifiziert: „In einem Malzlager gab‘s Bewegungssensoren, mit deren Hilfe sie opportunistische Ratten abwehren wollten. Die gingen, wenn sie die Wahl hatten, nur an das Bio-Malz. Ich vertraue deren Riecher. Beim Hopfen wiederum ist man da in seiner Auswahl recht eingeschränkt, wetterbedingte Schwankungen wirken sich stärker aus. Das bringt quasi Terroir ins Bier.“

Bleiben die Probleme der Vergangenheit dort, wo sie hingehören, so steht der Berliner Bierwelt mit dem Neuaufbau von Brewbaker die vielversprechende Wiederkehr eines Urgesteins bevor. Garantiert mit Kürbissen.

Credits

Foto: via M. Schwab

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