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Der Nie-Alt-Meister: Charles Schumann Geburtstag

Seinen 75er wird Charles Schumann nicht feiern. „Vielleicht fliege ich nach Tokio“, meint die japanisch lernende Bar-Legende. Eventuell wird es aber auch Frankreich, wo die Gastrokarriere des Pfälzers einst begonnen hat. Zuvor zählt er aber noch auf, was ihn an der Bar heute nervt.

Der Münchner Hofgarten ist geteiltes Terrain. Da der Biergarten, dort Deutschlands bekannteste Bar. Mittags findet man den Namensgeber des Schumann’s, das vor mittlerweile auch schon 14 Jahren hierher übersiedelte, so gut wie immer am Odeonsplatz. „Meine Geschichten funktionieren nur mit meiner Anwesenheit“, meint Charles Schumann, sockenlos wie immer und heute im blitzblauen Zweiteiler, einem Stück aus seiner Zeit als Baldessarini-Modell, das immer noch sitzt. „Ich kann daher auch keine Konzepte für andere schreiben“, erklärt er, warum das Schumann’s kein Franchise aufzog in den letzten Jahrzehnten.

Gefragt war Schumann dieser Tage ohnehin genug. Der Bayrische Rundfunk widmet ihm ein TV-Porträt (mit Weggefährten wie Stefan Gabanyi und Eckart Witzigmann), er selbst tourte für eine Bar-Dokumentation um den Globus. Interviews findet er nicht mehr allzu spannend, „wenn du 30 oder 40 Leuten dasselbe erzählst, fragen sich alle: Hat der nichts Besseres zu tun?“.

CHARLES SCHUMANN GEBURSTAG

Was ihn heute noch reizt und womit er sich nicht mehr anfreunden mag, schildert der Autor der deutschen Bar-Bibel anlässlich seines Geburtstags MIXOLOGY ONLINE. Der Schmäh rennt auch abseits unseres Gesprächs. Die Frau eines bekannten deutschen Philosophen darf sich „ausnahmsweise“ im noch nicht geöffneten Garten in die Sonne setzen. Nachsatz Charles: „Aber geht in die Ecke. Und seid leise!”

Stimmt das Gerücht, dass Sie unlängst beim Koreaner gemeint haben: „Mein nächster Laden wird etwas mit Essen sein.“?

Wenn ich in Deutschland was machen würde, käme nur Berlin in Frage. Das ist als Stadt für mich am spannendsten – und wird es auch länger bleiben. Wobei das nicht heißt, dass ich dort was mache. Alles rein hypothetisch. Aber ich bin letztens um ein Uhr nachts am Montag durch die Stadt gegangen und da lebt alles.

Was nervt Sie am gegenwärtigen Zustand der deutschen Barkultur am meisten?

Ein Problem habe ich damit, dass viel zu junge Leute heute Markenbotschafter sind. Der steht ein halbes Jahr an der Bar und wird plötzlich Brand Ambassador. Da denk ich mir, gibt’s keine anderen Leute? Oder wenn mir irgendein Junger ganz selbstverständlich erklärt, „Ich bin jetzt XY“ – und ich arbeite mit der Marke seit 30 Jahren zusammen.

Wenn man das mit den Anfängen im Schumann’s vergleicht, wo hat sich da am meisten getan?

Es hat sich viel verändert, man soll da nicht immer nur schimpfen. Das Essen wird übrigens immer besser. Es gibt junge Köche – und das gilt auch für die Barkeeper – die ganz selbstverständlich mit den Zutaten umgehen. Die Leute wissen viel besser Bescheid, auch die Gäste. Die bestellen viel bewusster und kennen auch die Drinks gut. Ich hoffe nur, dass es genug gute Leute gibt, die die Ausbildung durchstehen. Das höre ich von allen, dass sie hier das größte Problem haben.

Ich denke aber auch immer mehr darüber nach, wie wenig wir am Anfang wussten. Der erste Italiener in München war sofort überlaufen und wir fanden den alle gut. Die Frage ist nur: Würden wir den heute auch noch so großartig finden?

Ich dachte auch an Ihre bekannte Abneigung gegen „zu viel Schnickschnack“ bei Drinks, also etwa ausgefallene Cocktail-Dekorationen?

Das Maß zu finden scheint schwierig, das diskutiere ich übrigens auch mit unserem 22-jährigen Küchenleiter oft, wenn es um die Portionsgröße geht. Ich persönlich will von einem Teller mittags satt, aber nicht erschlagen werden. Wenn ich an den Aperitivo Lungo, diese feine Erfindung der Italiener, denke, dann war das früher eine Kleinigkeit zum Drink. Heute wirst du zugeknallt mit Pizzabrot, kalten Nudeln und was weiß ich noch allem. Also schlechter italienischer Küche, nach der du nicht mehr Abendessen kannst und willst.

Zu den Dekos: Bitte keine Salami auf den Drink oder ins Glas geben, sondern lieber drei Scheiben Super-Salami dazu anbieten. Oder ein gutes Brot mit Salzbutter, mehr braucht’s doch nicht.

Und wie sieht es mit den Drinks selbst aus?

Ich erinnere mich gerne an einen Artikel von Jürgen Dollase (renommierter Gastrokritiker der F.A.Z., Anm.) mit dem Titel „Klassik, sei wachsam“. Ich meine, wenn es heißt, man soll Cocktails mit einem Twist machen – was soll der Scheiß? Es gibt so viele tolle Spirituosen auf der Welt. Aber entweder ist das ein Klassiker oder du machst einen neuen Drink!

Wie sieht die Zukunft aus im Schumann’s?

Ich weiß nicht, vielleicht gehe ich einfach irgendwann nach Tokio und übernehme die Wohnung einer Freundin. Aber ich sage immer, meine letzte Bar mache ich mit zwei Leuten: Einem, der besser mixen kann als ich. Und mit mir in der Küche, das kann keiner besser. Ich brauche keinen Award, ich will einfach mit Freude in die Bar gehen.

Abgesehen von Ihrer Liebe zum japanischen Bartending, wo schmeckt es Charles Schumann?

Die Bar Reichenbach hier in München hat mir gut gefallen, auch bei Gonçalo de Souca Monteiro war ich gerne, der hat ein sehr großes Wissen. Aber muss man immer alles verstecken, was man an der Bar macht?

Comments (1)

  • Friedrich Springob

    Nur ganz kurz: Charles Schumann ist kein Pfälzer, sondern ein Oberpfälzer – und die Oberpfalz liegt in Bayern.

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