Heilbronner Tandem: Der Ludwig bei Tag, Old Fashioned Cocktailbar bei Nacht
Elena Mayr und Stefan Glück betreiben zwei unterschiedliche Bar-Konzepte am Marktplatz in Heilbronn. Den Anfang machte 2018 die Old Fashioned Cocktailbar, im Juni 2020 folgte die Aperitif-Bar Der Ludwig. MIXOLOGY Online mit einem Besuch bei Tag und Nacht.
„Entweder es funktioniert so, weil wir darauf Lust haben und uns nicht verbiegen wollen, oder eben nicht“, erinnert Stefan Glück die mit seiner Partnerin Elena Mayr getroffene Entscheidung, eine klassisch ausgerichtete Cocktailbar zu eröffnen.
Das war im Jahre 2018. Ihr Wunschvorhaben, ihr Plan ist aufgegangen. Seither funktioniert ihre Old Fashioned Cocktailbar mitten am Marktplatz der fränkischen Stadt Heilbronn. Anfangs sei man hier ein wenig verblüfft gewesen über das neue Etablissement. „Die gehobene Barkultur ist in Heilbronn noch nicht etabliert. Bei vielen ist ein Cocktail noch ein Saft mit Alkohol. Andere Drinks als Sex on the beach, Caipirinha oder Swimming Pool sind kaum bekannt. Wir sind auf die klassische Kernkompetenz beschränkt, es gibt nur Cocktails“, erzählt Glück.
In Heilbronn einen Ruf erarbeiten
Zu Beginn sei es auch nicht immer einfach gewesen, das sofortige Verständnis von Heilbronns Nachtschwärmer:innen für hochpreisige Drinks zu bekommen. „Doch Qualität steht bei uns an erster Stelle. Wenn man sich diesen Ruf erarbeitet hat und Drinks um rund 16 Euro anbieten kann, dann wissen die Gäste: Da muss guter Stoff drinnen sein“, meint Glück. Große Industriemarken versucht das Betreiberpaar zu meiden, arbeitet lieber mit hochwertigen Produktqualitäten von noch eher unbekannten, kleinen Manufakturen in Deutschland oder auch ausländischen Produkten, die in Deutschland noch nicht so weit verbreitet oder populär sind.
Manchmal verirrt sich ein Milk Punch als Ergänzung auf die Barkarte, manchmal sticht eine Eigenkreation hervor, und französischer Crémant hat einen Stammplatz für Schaumwein-Drinks wie French 75 oder Pornstar Martini. „Wir arbeiten in diesem Segment mit Crémant, weil der Champagner-Durchlauf nicht so groß ist“, erklärt der gebürtige Heilbronner. Aber stets bleibt die liquide Ausrichtung auf die Klassik mit hohem Produktniveau gelegt. „Ich trinke auch privat klassische Cocktails“, erwähnt der ehemalige Textileinzelhandelsunternehmer einer bekannten Sport- und Outdoor-Marke, zu der er sich erinnert. „Diese Arbeit war cool, und ich hatte auch in Heilbronn eine Filiale, aber der steigende Online-Handel hat den Abwärtstrend des textilen Einzelfachhandels schon angedeutet“, sagt Glück.
Old Fashioned Cocktailbar
A lot of Rum
Er lässt dieses berufliche Dasein hinter sich, wechselt an die Bar des Hotel-Restaurants seiner Schwester und entscheidet sich nach vielen Caipirinhas und Margaritas zur Vertiefung der Materie zu einer eigenen Bar. Der Name Old Fashioned Cocktailbar scheint die gediegene, in Dunkel gehaltene Bar mit Chesterfield-Stühlen und Hockern aus Samt, dunklem Holzboden, Vintage-Spiegeln und einem in Gold lackierten Holztresen auch trinkkulinarisch gerecht zu werden. In der Barkarte mit klassischen Drinks mit viel Rum und Top-Sellern wie dem Mai Tai oder beliebten Daiquiris hat der Old Fashioned auf Basis verschiedener Spirituosen stets einen gesicherten Auftritt.
Platzhalter ist hierbei die komplexe Haus-Komposition „A lot of Rum“, die zur Zeit mit Rums aus Barbados, Jamaika und Kuba gemixt wird. „Wir wechseln hier immer wieder mal durch. Mehr als vier Rums aber nehmen wir nie. Und es muss immer ein Cask Strength Rum sein, damit der Drink nicht zu wässrig wird“, so Glück. Neue Drinks kommen direkt aus der Schmiede von Stefan Glück, aber ohne das Urteil und die Meinung seiner Partnerin Elena wie seiner Mitarbeiter:innen fließt kein Drink über den goldigen Tresen.
Gestatten, Der Ludwig
Vor und nach Corona waren das Interesse an der neuen beziehungsweise wiedereröffneten Old Fashioned Bar und der Zulauf so stark, dass gerade an den Wochenenden Gäste bis zum Freiwerden von Plätzen vertröstet werden mussten. Eine solche Situation hatten auch die Vermieter der Geschäftsräume der Old Fashioned Bar miterlebt. „Das geht doch nicht. Wenn sie Gäste wegschicken müssen, verlieren Sie eine Menge an Umsatz. Machen Sie doch nebenan einen zweiten Laden auf“, lautete ihre beherzte Empfehlung. Und so ging nach dem ersten Lockdown im Juni 2020 Der Ludwig an den Start.
Der Ludwig – Café Aperitivo Bar – beginnt um die Mittagszeit mit Kaffee und Kuchen, um direkt oder an deren Stelle in den Aperitif überzuleiten. Eigentlich hätte der neue Hund von Stefan Glück und Elena Mayr Ludwig heißen sollen. Da es aber kein Rüde, sondern ein Weibchen namens Lana geworden ist, kam auch die auserkorene Namensgebung für die zweite Bar zum Zuge. Anders als im Old Fashioned schäumt und spritzt hier ausschließlich Champagner in Weiß und Rosé und nicht sein französischer Schaumwein-Bruder Crémant, der im Übrigen deutschlandweit auf großes Konsumenteninteresse stößt. „Wir wollen die Alltagstauglichkeit und Trinkqualität von Champagner aufzeigen. Die Frage nach Prosecco beispielsweise kommt natürlich auf, aber wir nehmen die Erklärung in Kauf, wenn Spritz-Varianten aufgrund ihrer Qualität im Preis höher sind. Außerdem macht es Spaß, mit preisunsensiblen, weil genussorientierten Gästen zu arbeiten.“
Der Ludwig
Aperitif in allen Varianten
Das Augenmerk im Ludwig liegt auf dem Aperitif, den Glück und Mayr nicht künstlich etablieren, sondern gerade auf den rund 80 Plätzen auf der Sommerterrasse auch aus Eigenmotivation und Leidenschaft zelebrieren wollen. Französisch geschäumte Spritz-Varianten mit Limoncello, Holunderblüten-, Himbeer- oder Bergamotte-Likören und Frucht- beziehungsweise Gemüsenoten aus Zesten oder Kräuterzweigen werden zu Apero-Komplizen wie Serrano-Schinken, Antipasti-Teller, Oliven- und Käseplatte oder Fischkonserven in der Dose gereicht.
Negroni-Varianten mit dem Farb- und Geschmacksprofil der Wermut-Sorten oder dem Ersatz einer Grundzutat durch beispielsweise Bergamottelikör, eine vielfältige Weinauswahl von nationalen wie aber auch internationalen Weingütern mit unterschiedlichen Sorten, Bier, Punsch-Ausschank am winterlichen Marktplatz und auch viele Spritzgetränke mit bekanntem roten Bitterlikör sollen die Heilbronner:innen zum Apero versammeln, zum Austausch und Genuss des Day Drinking animieren. „Wir haben auch andere Bitterliköre probiert, aber diese sind nicht so gut angekommen“, resümiert Glück.
Old Fashioned Bar und Ludwig im Ping Pong
Im Ludwig landen auch Gäste, die in der Old Fashioned Bar auf Kaffee, Soft Drinks, Bier oder Wein gehofft haben. „Diese Getränke wollen wir im Old Fashioned mit einer reinen Ausrichtung auf Cocktails einfach nicht anbieten, um die beiden Barkonzepte voneinander abzugrenzen und doch aufeinander aufzubauen“, so Glück. Beide Bars befinden sich im selben Gebäude und sind durch die Vorbereitungsküchen miteinander verbunden. So ist es ein Leichtes, dass das Personal, mit Elena und Stefan ein fixes vierköpfiges Team samt Werkstudentin wie auch Mini-Jobbern, durch die Hinterräume den Laden wechseln kann.
Andersrum aber landen auch Gäste oft in der Old Fashioned Bar, wenn der Aperitif bei Ludwig gezündet hat. „Geplant war das alles nicht in dieser Form, aber es kam eben eines zum anderen“, so Glück, der die Möglichkeiten mit Mayr beim Schopf gepackt hat. Während Corona entstand eine weitere Idee. Nämlich die des The Bottle Shop für Spirituosen und Weine, von denen einige auch in den beiden Einrichtungen des Paares angeboten werden. „Als wir während der Lockdowns keine Arbeit, aber viel Zeit hatten, kam die Überlegung dazu. Und es war nicht die schlechteste Idee, ein weiteres Standbein für die Zukunft zu haben“.
Wenn das nicht Glücks Sache ist …
Credits
Foto: Ludwig Bar
