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Cocktails die Ecken abschneiden, mit Milch

Schon zur Zeit Charles Dickens’ war eine Methode bekannt, mit der man Getränke unglaublich leicht und bekömmlich behandeln konnte – besonders für größere Mengen wie den damals unglaublich beliebten Punch. MIXOLOGY ONLINE experimentiert mit dem Filtern durch Milch.
Es ist richtig, dass diese Filtriermethode noch ein wenig mehr Geduld erfordert, als das einfache filtern. Berechtigt ist also die Frage, wofür man diesen Aufwand auf sich nehmen will. Hierfür gibt es zwei bedeutende Gründe. Der erste ist – wie immer an oberster Stelle – ein deutlich raffinierterer, verfeinerter Geschmack. Cocktails, die sehr geschmackvoll sind, haben oft auch eine Ecke oder Kante. Manchmal sind auch nicht die allerbesten Ingredienzien zur Hand. Diese Feinheiten auszubügeln ermöglicht die Technik des milchfilterns.
Beeindruckte Gäste
Margaritas, Bourbon Sours oder Negronis werden auf diese Weise auch dem zartesten Gaumen bekömmlich. Je nachdem, wie viel Milch man einsetzt, kann der Geschmack abgerundet werden wie gewünscht, ohne den eigentlichen Charakter des Drinks zu verlieren. Der zweite Grund ist ein eher ästhetischer, doch nichtsdestotrotz überaus publikumswirksamer. Denn bei korrekter Filtrierung gewinnt man eine glasklare, irisierende Flüßigkeit, die Gäste leicht in den Bann schlägt und Nachfragen generiert. Sollten diese Gründe nicht ausreichend sein, lohnt ein weiterlesen nicht!
Überblick
Wie genau also funktioniert milchfiltern? Zuerst mischt man einerseits das gewünschte, zu filternde Getränk komplett und erhitzt separat Milch. Diese wird kurz vor ihrem Kochen mit Säure zum Gerinnen gebracht. Diese, eher unappetitlich ausgeflockte, Milch wird nun mit dem eigentlichen Getränk heiß vermählt und durch ein feines Filtertuch gegeben. Nach und nach werden so die dickgelegten Festbestandteile (tatsächlich Frischkäse) von der Sauermolke und dem Drink getrennt. Die dadurch gewonnene Flüssigkeit ist das gefilterte Endprodukt.
Theorie und Praxis
Dies klingt recht einfach und ist es größtentils auch. Doch musste der Autor einige Klippen zu einem perfekten Ergebnis umschiffen. Zuerst ist natürlich die Qualität der Milch grundlegend. Homogenisierte Milch kann verwendet werden, mindert allerdings die Qualität des Endproduktes. Je frischer und vollwertiger die Milch ist, desto seidiger und ausgeglichener wird der  Endgeschmack.
Der nächste Faktor ist die Säure. In der Theorie bewirkt ein senken des pH-Wertes der Milch von üblicherweise ca. pH6,6 auf unter pH5,2 die Denaturierung des in Milch enthaltenen Caseins (wovon sich der Name Käse herleitet). Dadurch verliert Casein die Eigenschaft, sich gegenseitig abzustoßen, es klumpt zusammen und aus der Wasser-Fett-Protein-Emulsion Milch entstehen zwei Phasen. Dies passiert schneller mit Hitzezufuhr. Daher erzielt man die besten Resultate mit Milch, die kurz vor dem Kochen mit Säure versetzt wird. Etwas knifflig wird es mit der Art der Säure. Denn obwohl theoretisch jegliche Absenkung des pH-Wertes die Ausfällung herbeiführen sollte, wurde ein Ausfallen mit Limettensaft nicht erzielt. Essig oder Zitronensäure funktionieren hingegen hervorragend. Ersterer hinterlässt allerdings einen bissigen, unerwünschten Geschmack im Endprodukt. Die Anomalie der Limettensäure konnte partout nicht erklärt werden. Doch findet sich auch in allen Rezepten (bis zurück zu Jerry Thomas’ “Bonvivant’s Companion” von 1862 – Seite 20) ausschließlich Zitronensaft!
Zeitgefühl
Wichtig zum Gelingen ist Zeitgefühl. Denn man ist gut beraten, die Mixtur aus allen Teilen im Kühlschrank ruhen zu lassen. Filtert man die Mischung zu früh, bleibt sie eher trüb. Filtert man zu spät, wird der finale Geschmack etwas beißend und weniger vollmundig. Als gute Ruhezeit stellten sich 2-12h heraus, abhängig vom behandelten Drink. Schlussendlich wird die gesamte Mixtur durch ein feines Käsetuch gegossen und benötigt erneut etliche Stunden zum kompletten durchlaufen. Diesen Prozess nicht zu beschleunigen, sei empfohlen. Denn gerade das langsame Durchtropfen durch die Festbestandteile sorgt für die klarsten Ergebnisse!
Der so als Nebenprodukt gewonnene Käse ist zwar gewöhnungsbedürftig, aber unter Umständen lecker.

Credits

Foto: Milch via Shutterstock

Comments (3)

  • Ruben

    Lieber Robert,
    wieviel Zitronensäure empfiehlst du auf einen Liter Milch und wieviel gesäuerte Milch sind angemessen, um einen Liter Drink zu filtrieren?

    reply
    • Robert Schroeter

      Hallo Ruben und FLO,
      entschuldigt bitte diese spaete Beantwortung – Eure Frage ist mir erst jetzt aufgefallen.
      Leider ist sie auch nicht mit nur einer Zahl zu beantworten. Denn die Menge der genutzten Milch und Saeure beeinflusst den finalen Geschmack Eures Getraenks deutlich. Je mehr gebrochene Milch ihr hinzufuegt, desto weicher und leichter wird der finale Drink. Was teilweise reine Mathematik ist. Denn bei dieser Filtriermethode werden nur der Milch feste Bestandteile (Lab) herausgefiltert. Die Molke verbleibt im Cocktail und verduennt ihn.
      Weiterhin ist ein Liter Milch wirklich eine Menge! Zwei Beispiele:
      Ich filterte hier in Ho-Chi-Minh-Stadt pro 3 Liter Punch mit insgesamt 400ml gebrochener Milch (50:50). Und das Ergebnis wurde gelegentlich als “zu leicht im Geschmack” beschrieben.
      Den letzten Negroni, welchen ich so in groesseren Mengen herstellte, nutzte eine aehnlich niedrige Konzentration von 1:6 oder 1:5 und er war ueberaus sueffig und leicht. In Blindtests wurde er gar fuer einen Martini Bianco gehalten.
      Dementsprechend bringt Euch ein Liter Milch problemlos 5 Liter Endprodukt ein.
      Und wieviel Zitronensaft ihr fuer die Milch braucht haengt auch von deren Frische und Bearbeitung ab. H-Milch zum Beispiel ist schwieriger zu brechen!
      Ich hatte mit einer 50:50-Verteilung nie Probleme. Habe es aber auch schon mit 1(Saft) : 4 (Milch) machen koennen. Es hilft Euch deutlich, wenn ihr die Milch erhitzt, wie im Artikel beschrieben. Und am Ende gibt man die Saeure ja nur zur Ausfaellung der Milch hinzu. Ich persoenlich versuchte, damit dem Getraenk keinen weiteren Geschmack hinzuzufuegen. Also moeglichst wenig Zitrone nutzen, wo moeglich.
      Ich hoffe, diese Antwort kommt weder zu lang noch zu spaet bei Euch an – Prost aus Vietnam!

      reply
  • Flo

    Würde mich auch interessieren. 😉

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