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KAUFEN SIE NOCH ODER LIEFERN SIE SCHON? COCKTAILS IN ZEITEN DER ONLINE-BESTELLUNG

Das Internet wirkt sich stark auf unser Konsumverhalten aus. Bahnen sich Homeshopping und Lieferdienste auch ihren Weg in die Bar- und Cocktailkultur? Funktioniert die Bestellung 2.0 tatsächlich bei gemixten Drinks? MIXOLOGY ONLINE hat sich im World Wide Web umgesehen und ist fündig geworden.

Wir kennen das alle: Nach einem ermattenden Schlussdienst am Brett und der strapaziösen Schicht des Folgetags verschlägt es uns Bartender am Glück verheißenden Sonntag aus dem Bett direkt auf die Couch. Wohlverdient genießen wir die Stille und frönen der Regeneration. An diesen heiligen Tagen – nicht nur für unsere Gilde – möchte man nicht selbst aktiv werden. Das haben mittlerweile zahlreiche Lieferdienste der Essenskultur erkannt und transportieren uns die nahrhaften Speisen direkt bis vor die Tür.

Den Trend allein auf kulinarische Ergüsse zu reduzieren, wäre in der heutigen Zeit jedoch töricht. Neben Lieferheld & Co. gibt es schließlich in der modernen Zeit für fast jede andere Sparte Lieferdienste. Ob Elektronik, Mode oder Medikamente – der Sektor der Zusteller erfährt einen Boom wie noch nie. Und genau deswegen macht er auch nicht Halt vor Sektionen, die wir in der Form vielleicht nie für möglich gehalten hätten.

Cocktail-Lieferdienste sind ein alter Hut?! Tendenziell und eindimensional betrachtet mag das sogar stimmen, sind doch Cocktail-Taxis weitläufig bekannt und gleichermaßen verhasst. Die Kritik, die Kunst zum Gewöhnlichen zu degradieren, ist hier nicht so maßgeblich wie die niedere Qualität und der Dumping-Preis, welcher in diesem Schüttel-Zirkus für das „leibliche Wohl“ verlangt wird. Während der aufgebrachte Purist hier von irreparabler Reputation faselt, gibt es in unseren Breiten jedoch auch positiv stimmende Alternativen, die als Cocktail-Lieferdienst der Neuzeit mit tollen Ideen aufwarten und das Bild der vergangenen Tage verbleichen lassen.

DAS SYNDIKAT HAT ABGELIEFERT

In einer kleinen Boutique in den Weiten der Hauptstadt versteckt hat sich das seit 2014 bestehende Unternehmen namens Drink-Syndikat. Mafia-ähnlichen Einfluss haben sie sich ob der Namensgebung zwar nicht auf die Fahne geschrieben, doch versuchen sie dem Allgemeinverbraucher von heute Klassiker und moderne Abwandlungen auf jene Drinks der Belle Époque näherzubringen. Dafür haben sich Erik Pfauth und Jens Hoffmann, Gründer des „Lieferdienstes“, ein interessantes Konzept einfallen lassen. Monatlich und/oder auf einmalige Bestellung kann man in ihrem Shop und auf der Internetseite thematisch zusammengestellte Cocktailboxen erwerben. Diese sind nicht nur auf den Zeitgeist zugeschnitten, sondern unterliegen ebenfalls saisonalen Besonderheiten. So werden Trend-Produkte vorgestellt und durch integrierte Rezepte dem Endverbraucher zugänglich gemacht.

Der Lieferumfang enthält nicht nur eine vom Design liebevoll gestaltete Aufmachung und kleine, mit den Ingredienzien beschriftete Flacons, sondern ebenfalls ein Booklet mit geschichtlichen Hintergründen, genauem Rezept und penibler Anleitung zum Mixen des vorgestellten Cocktails. Die übersichtlich gestaltete Box und ihre genauen Angaben zum Nachmixen machen Spaß und geben dem Ottonormalverbraucher das Gefühl, die Kunst der „Großen“ zu Hause spielerisch und informativ nachzuleben.

Dass hierbei enormer Aufwand betrieben wird und selbst als Deko, wie in unserem Fall, eine in Bourbon-Rotwein-Reduktion eingelegte Feige mitgeliefert wird, ist ein wahrer Pluspunkt und Rechtfertigung für den zu zahlenden Preis. Im Lieferumfang erhalten: Zutaten für sechs Drinks, Sieb und Booklet. Der Preis: 34,90 Euro pro Monat. Die Intention für ihr ausgereiftes Projekt sehen die jungen Gründer nicht nur in der Vermittlung von Barkultur, sondern ebenfalls unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Die genaue Lieferung der für die Cocktail erforderliche Messmenge erspart dem Benutzer halbvolle und selten genutzte Flaschen im Wohnzimmer-Schrank. Mehr Infos gibt es hier.

AUS DER BOX GEZAUBERT

In der Kölner Cocktail-Metropole beheimatet, bietet Alessandro Romano, Inhaber der renommierten Bar Ona Mor, ein ähnliches Konzept an, die Belle Booze Box. Was ihn von seinen Brüdern im Geiste aus der Hauptstadt unterscheidet, ist sicherlich zuerst einmal die Tatsache, dass der Bartender seine oftmals prämierten Drinks selbst kreiert und monatlich an den Rezepturen für die neuen Boxen feilt. Er agiert damit autonomer im Hinblick auf die Rezepte, aber ähnlich eigenverantwortlich. Seine Box spiegelt auch die konzeptuelle Ausrichtung des Ona Mor wider und schafft somit eine in sich stabile Verbindung. Diese wird noch mit dem Fachgeschäft Belle Booze Cocktail Boutique unterstrichen, in der von hochwertigen Barmaterialien aus New York bis hin zu seltenen Spirituosen das Herz des Hobby-Mixologen in fröhliche Wallung versetzt wird. Diesen erweiterten Geschäftszweig des Abo-Service zu implementieren ist eine geschickte Idee und mögliche Vorzeige-Option der Kundengewinnung sowie -bindung.

Im Lieferumfang enthalten sind zwei Rezepte für insgesamt vier Drinks, sowie alle dafür erforderlichen Zutaten – bis auf die benötigte Frischware wie zum Beispiel Eiweiß, Obst und Gemüse (das gleiche gilt übrigens für Drink-Syndikat). Thematisch stellt das Team in der Box einen Cocktail-Klassiker vor und liefert gleichermaßen die Idee für einen Twist der Neuzeit, eine kreative Abwandlung, gleich mit. Neben einer schönen Aufmachung und dem hochwertigen Inhalt liefert Romano in seiner „Zauber-Box“ nicht nur Tools für einen gelungenen Abend, sondern auch Profi-und Küchentipps, die gerade für Neulinge interessant und augenöffnend sein können. Die Box ist monatlich für 29,90 Euro zu erwerben. Weitere Infos gibt es hier online oder bei Facebook.

BeGIN OF AN ERA?

Während die einen Genusstrinker dem Gin-Trend ein jähes Ende prophezeien und sich das Maul über die oftmals penible Zubereitung des – so würde der vor Eloquenz und Wissen strotzende Hobby-Connaiseur „Gin AND Tonic“ sagen – zerreißen, nehmen sich andere dem Gin-Hype noch immer an und zitieren munter abgedroschene und semi-lustige Wortspiele wie „Das macht doch alles keinen Gin“. Sie haben es bemerkt: Die sogenannte Trend-Spirituose hat es nicht einfach, und doch gibt es auch hier den passenden Abo-Service für jenen Gin&Tonic-Fetischisten.

Die Idee ist so simpel wie auch einleuchtend. Mit der Vielzahl an Gins, die den Markt unaufhaltsam fluten, macht sich auch beim Verbraucher nicht selten das Gefühl der Überforderung breit. Zu viele Botanicals, zu viele Optionen beim Tonic und überhaupt, mit oder ohne Gurke? Hier schafft das Jung-Unternehmen Gebrüder Gin Abhilfe. In einer modernen, dennoch klassisch gehaltenen Box verschickt es 5 cl Gin-Proben im Reagenzglas. Die sogenannten Verkostungsboxen unterliegen einem festen Thema und sind beispielsweise in Rubriken wie „Gins mit Kräutern und Gemüse“ oder „fassgereifte Gins“ als große Themenbox, sowie auch als kleinere Auswahl in der Einzelbox mit ähnlich interessanten Ausrichtungen wie „Wein im Gin“ oder „Gin Caprese“ erhältlich.

Die Boxen unterscheiden sich nicht nur im Preis (23,90 Euro für die Einzelbox mit drei Gin-Proben und Erklärung), sondern ebenfalls in der Aufmachung und den Bestandteilen (variabler Preis für Themenbox mit zusätzlich Tonic im Lieferumfang). Die Boxen eignen sich vor allem für unentschlossene Trinker, denen die Wahl nach dem geeigneten Gin schwer fällt, aber gleichermaßen auch für diejenigen, die voller Weitsicht und Interesse immer neuen und ausgefalleneren Gins entgegenfiebern. Für den einen oder anderen auf jeden Fall ganz ginvoll.

Mehr Infos gibt es hier.

DAS FAZIT

Mit ihren Ideen haben die drei Unternehmen nicht nur ihr Gespür für eine lukrative Marktlücke unter Beweis gestellt – ihr Vorhaben und ihr Geschäft hilft auch der Bargemeinde enorm. Wie schön ist es für den Bartender, von Gästen umgeben zu sein, die Interesse für das Handwerk zeigen und ähnlich euphorisiert unsere Leidenschaft teilen. Dementsprechend – vor allem aufgrund des vielleicht fälschlicherweise nachgesagten, schlechten Image von Cocktaillieferdiensten – zeigen die drei vorgestellten Unternehmen nicht nur, dass Qualität in der schnelllebigen Zeit von heute weiterhin gewährleistet werden kann. Sie schulen auch den Hobby-Bartender, machen ihn zu einem versierteren Trinker und schaffen damit ein Bewusstsein für die Branche, wie kein anderer Lieferdienst (ob der monatlichen. Zustellung präferiere ich Aboservice) dieser Welt dazu jemals im Stande wäre. Cocktails aus der Box? Why not!

Credits

Foto: Lieferservice & Zeichnung via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

Comments (2)

  • Martin

    Hmm…da gibt es mittlerweile viel viel mehr am Markt und mittlerweile sensationelle und nachhaltige Lösungen. Ein aktueller Bericht über Take-away Cocktails wäre toll.

    LG Martin

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    • Stefan Adrian

      Hallo Martin,
      danke für den Hinweis, da hast du tatsächlich ein Thema getroffen, über das wir vor Kurzem nachgedacht haben.
      Liebe Grüße aus der Redaktion!

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