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Wesentlich mehr als kalter Kaffee!

Kaffee und Cocktails. Was für viele beim White Russian aufhört, erhält mit Timon Kaufmanns Coldbrew Fashioned” eine völlig neue Dimension.  Im Interview mit MIXOLOGY ONLINE begründet der Münchener Bartender außerdem seinen temporären Schritt weg von der Bar und hin zum Kaffee. Ein erweckendes Gespräch.

Wenn man hinter der Bar schon eine ganze Menge gesehen hat, aber der Wissensdurst noch lange nicht gestillt ist, dann hilft es, den Blick in andere Richtungen zu lenken. Alkohol und Cocktails sind nicht die einzigen flüssigen Genussmittel. Der renommierte und weitgereiste Münchner Bartender Timon Kaufmann möchte daher seinen Gesamtblick komplettieren und sich in der nächsten Zeit intensiv mit Kaffee auseinandersetzen. Zwar meist am Tage und ohne alkoholische Zusätze, für die Cocktailrubrik macht er aber eine Ausnahme.

Der Schritt aus der Bar

MIXOLOGY ONLINE: Timon, für einen Bartender mit Deinem Erfahrungsschatz hast du gerade einen ungewöhnlichen Schritt unternommen. Was genau machst du jetzt?

TIMON KAUFMANN: Ich arbeite seit 3 Wochen im Standl 20. Das ist ein kleiner Verkaufstand auf dem Elisabethmarkt, an dem der Kaffee der Münchner Rösterei JB Kaffee verkauft wird. Zusätzlich zum Verkauf bereiten wir den Kaffee nach höchsten Standards zu. Neben Espresso aus dem neusten Modell der Firma La Marzocco, dem Bentley unter den Kaffeemaschinen, gibt es Filterkaffees in allen Variationen, Coldbrew-Kaffees sowie eigene Kaffee-Kreationen.

Der Hauptgrund für den Wechsel war mein Wissensdurst. Ich hatte das Gefühl, in meiner damaligen Situation nicht weiter voran zu kommen. Jeder, der schon einmal eine Bar leiten durfte, weiß, wie Zeit- und Arbeitsintensiv dies zuweilen sein kann. So gern ich die Cortiina Bar geleitet habe, hatte ich doch kaum Möglichkeiten zur persönlichen Weiterentwicklung. Zudem hatte ich nicht das Gefühl, genug gelernt zu haben um „sesshaft“ zu werden. Da es ab einem gewissen Punkt jedoch schwierig wird, reizvolle Barprojekte in der gleichen Stadt zu finden, habe ich mich dazu entschieden, einen Blick über den Tellerrand zu wagen.

MO: Was reizt dich am Kaffee so besonders, dass du dafür den Schnaps erstmal zurückgestellt hast?

TK: Kaffee wird an der Bar noch sehr stiefmütterlich behandelt. Die meisten Bars haben eine Kaffeemaschine, die wenigsten wissen aber damit umzugehen. Hinzu kommt, dass viele Bars, gerade im Hotelbereich, ebenfalls ein Tagesgeschäft bedienen, in dem Kaffeegetränke häufig eine wichtige Rolle spielen. Wer sich mit dem Thema Kaffee schon einmal intensiver auseinandergesetzt hat, weiß, wie vielseitig und komplex dieser sein kann.

Für mich ist Kaffee bisher ebenfalls noch eine Grauzone, die ich gerne mit Farbe füllen würde. Kaffee ist in großen Teilen Deutschlands noch ein Wirkungsgetränk und kein Genussmittel. Wie in den meisten Food-Bereichen ist aber auch bei Kaffee ein deutlicher Trend hin zur Qualität erkennbar. Um Qualität beurteilen zu können, muss man ein Produkt aber erst verstehen und sich damit auseinandersetzten. Genau das mache ich jetzt.

Die Verbindung von Kaffee und Barkultur

MO: Wie kommen Cocktailkreationen und Kaffeekunst zueinander?

TK: Für mich ist diese Thematik nicht so weit von der Bar entfernt, wie es oft dargestellt wird. Man denke an Kaffeeliköre und die zahlreichen Drinks, die mit ihnen zubereitet werden. Oder an den Brandy zum Kaffee, den Irish Coffee oder die vielen Kollegen, die ihre Spirituosen mit Kaffee aromatisieren.
Kaffee bietet ein enormes Spektrum an Aromen, das wiederum mit einer Großzahl von Spirituosen harmonisiert. Dennoch sollte man damit umgehen können, denn wie wir wissen, kann bereits das unbedachte Pressen einer Zitrone das Endprodukt beeinflussen und zwischen einem guten und einem großartigen Drink entscheiden. Zudem freue ich mich darauf, auf die Anfrage: „Ich brauch was, das wach macht!“ mit mehr antworten zu können als mit dem beliebten „Liquid Cocaine“ oder Vodka-Bull.

MO: Gibt es parallelen, was die Kreativität angeht?

TK: Definitiv. Alkohol ist ein Genussmittel, Kaffee auch. Beides sind Aromengeber, die man pur trinkt oder in ein Getränk mit einbindet. So, wie ich Alkohol aromatisieren kann, kann ich Kaffee schon alleine durch die Zubereitungsart andere Aromen entlocken oder zusätzliche Aromen beim Brühen hinzufügen. Kreative Grenzen setzt nur die eigen Vorstellungskraft.

Als ein Resultat seiner Recherche präsentiert Timon uns heute seinen hocharomatischen Coldbrew Fashioned Cocktail. Cheers!

Credits

Foto: Kaffee via Shutterstock

Comments (3)

  • Carsten Tiebel

    Erstaunlich wie treffend manchmal eure Beiträge oder Trend-Prognosen sind.
    Exakt diese Entwicklung mache ich momentan auch durch, auch, weil ich einen Barista kennen gelernt habe. Noch heute Abend ist mein erster Kaffeelikör nach 2 Wochen Ziehzeit fertig. Ich hoffe auf weitere Beiträge–>Inspiration zu diesem Thema von euch!
    Grüße Carsten

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  • Kevin Herschbach

    Ist euch vielleicht beim Cold Brew-Rezept ein Fehler unterlaufen? 60 g Kaffeepulver auf 1 Liter Wasser klingt für mich etwas wenig. Ich kenne dasselbe Verfahren mit der mehr als dreifachen Menge Kaffee (tatsächlich wurde in eurem Artikel über den Cold Brew Gin Tonic aus Münster sogar das Verhältnis von 220 g Kaffee zu 1 Liter Wasser empfohlen). Zwar sind 6 g Kaffee auf 100 ml Wasser bei heißen Zubereitungsmethoden absolut normal, aber da es sich um das Cold Brew-Verfahren handelt, kann ich mir nicht vorstellen, dass sich das Endprodukt im Drink geschmacklich gegenüber dem Rum behaupten könnte. Aber vielleicht liege ich auch völlig daneben.

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    • Johannes Bayer

      Schönes Interview! Timon hat es auf den Punkt gebracht.
      @Kevin: Ich oute mich hier mal als Drahtzieher des 60g auf 1 Liter Rezepts. Auch im Coldbrew-Verfahren kann man auf 6g/100ml setzen. Das Ziel ist es die gleiche Konzentration im kalten Getränk zu erreichen wie bei einem heiss gebrühten Kaffee. Dies schafft man eben nur durch die extrem lange Infusionsdauer von bis zu 24 Stunden. Man kann natürlich auch mehr Kaffee auf die gleiche Wassermenge nehmen, doch dann erhält man ein konzentrierteres Kaltextrakt.
      Doch am Ende entscheidet eben immer der Geschmack.
      Für viele andere Kaltkreationen im Kaffeebereich eignet sich z.B. eine aeropress bzw. ein pour over auf Eis um einiges besser.
      Der Gedanke ” der Kaffee müsse sich behaupten” bzw. hervorheben ist auch immer eine Frage des persönlichen Geschmacks. Es gibt viele Menschen, welchen der Espresso im Cappuccino zu schwach erscheint. Da rate ich dann eben zu einem anderen Getränk, z.B. dem Espresso Macchiato oder dem puren Espresso. Im Grunde geht es doch bei Drinks, und da zähle ich auch den Cappuccino dazu, um die Schaffung eines neuen eigenständigen Getränks.
      Wenn ich dies eben nicht möchte, dann muss ich die Zutaten eben separat trinken 🙂

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