Constança Raposo Cordeiro hat Lissabon einen Cocktail-Fuchsbau gegeben. Und mehr.
Toca da Raposa bedeutet im Portugiesischen wortwörtlich „Fuchsbau“. Es ist der Name der ersten Bar von Constança Raposo Cordeiro, die auf ein Konzept setzt, das konsequent auf lokalen Zutaten basiert. In ihrem UNI wiederum geht es avantgardistischer zu. Wir haben mit der Bar-Protagonisten aus Lissabon gesprochen.
Rund um den Tresen aus rosa Kalkstein, den für Portugal typischen Lioz, kann man den geschäfigten Straßen des Bezirkes Chiado entfliehen – in den wortwörtlichen „Fuchsbau“, inspiriert vom Namen der Gründerin selbst, die den Fuchs quasi im Namen trägt: Constança Raposo Cordeiro.
Die Portugiesin eröffnete die Bar 2018, ein Jahr nachdem sie aus London in ihre Heimat zurückgekehrt war. An der Themse wirkte sie rund dreieinhalb Jahre in verschiedenen Bars, darunter den bekannten Happiness Forgets und Original Sin. Es ging darum, Erfahrungen zu sammeln und schließlich auch um die Inspiration: Matt Whiley, Betreiber der mittlerweile geschlossenen Scout Bar, diente dabei als Muse für Constança Raposo Cordeiros erste eigene Bar.
Toca da Raposa: Zurück zur Natur
„Matt wollte damals nur mit britischen Produkten arbeiten. Er hat mich dazu inspiriert, meine Augen für das zu öffnen, was lokal ist. Das war 2017. Es war auch die Zeit, in der sich unsere Branche in diese Richtung bewegt hat“, kommentiert die Bartenderin ihre Entscheidung. Denn das, was die britische Flora an Wald- und Wiesenprodukten bieten kann, das kann die portugiesische mindestens – und mehr. Geboren war das Konzept für die Bar, das bis heute konsequent gelebt wird: „Wir konzentrieren uns ausschließlich auf lokale Produkte, Pflanzen und Kräuter. Dabei sind unsere Geschmacksprofile recht simpel. Wir wollen die Zutaten so wenig wie möglich manipulieren, damit die natürlichen Aromen in unseren Cocktails zur Geltung kommen. Wir versuchen auch, unsere Zutaten so vollständig wie möglich aufzubrauchen. Wenn wir Obst verwenden, machen wir auch etwas mit den Kernen und so weiter. Somit haben wir kaum Abfälle.“
Nachhaltigkeit findet für Raposo Cordeiro nicht nur im Glas statt, sondern betrifft ihren gesamten Lebensstil: „Wir ernten viel. Nachhaltigkeit macht für mich nicht bei den Drinks Halt, sondern ist auch im Leben wichtig für mich. Ich lebe am Meer, und zwischen meinem Haus und Lissabon gibt es einen Wald. Wir versuchen, so viel wie möglich von dort mitzunehmen, denn es ist unser natürlicher Pendelweg zur Bar. Unkraut gibt es nicht, fast alle Wildpflanzen können verwendet werden.“ Und das spiegelt sich auch in den Cocktails wider: natürliche Aromen mit einer sehr starken pflanzlichen Präsenz.
Toca da Raposa setzt auf eine tierische Karte
Zurück zum Fuchs, denn es bleibt es auch bei den Cocktailnamen tierisch: Die schlanke Karte mit meist um die 14 Positionen wechselt etwa viermal pro Jahr – klar, weil seasonal – und jeder Drink trägt den Namen eines Tieres. Warum das? Manchmal ist es die Farbe, manchmal das, wofür das Tier charakterlich steht. „Es gab einen Drink auf Tequila-Basis, der super erfrischend war und dich wieder zum Leben erweckt hat, deshalb nannten wir ihn Phoenix“, nennt sie ein Beispiel. Die liebevollen Illustrationen auf der Karte zu den jeweiligen Drinks stammen übrigens von Raposo Cordeiros Neffen. Der hat mit 13 Jahren begonnen diese zu zeichnen, mittlerweile ist er 19 und studiert Design – die Cocktailkarten illustriert er immer noch.
Neben den Eigenkreationen finden sich auf der Karte auch ein paar Klassiker – die aber gerne mit Twist. Wie etwa der Penicillin mit Honig-Knoblauch-Aroma. Natürliche Geschmacksprofile bedeutet aber auch, dass es keinen Fokus auf die Spirituosen gibt. Diese sind nur Träger des Geschmacks und Statisten für Raposo Cordeiro: „Wir arbeiten nicht mit irgendwelchen Marken. Ich nehme zuerst das Produkt, Pflanzen oder Kräuter und finde dann den Alkohol, der den Geschmack am besten unterstützt: Wir haben viele Experimente durchgeführt, und am Ende des Tages haben wir uns für die Spirituose entschieden, die den Geschmack am besten transportiert. Deswegen arbeiten wir naturgemäß viel mit Vodka und weißem Rum.“
Lokale Karte, internationale Gäste
Und die Gäste im Toca da Raposa? Das sind hauptsächlich Tourist:innen oder Expats, und das aus unterschiedlichen Gründen, kommentiert Constança Raposo Cordeiro: „Die Portugiesen sind es gewohnt, Wein und Bier zu trinken, das ist eine kulturelle, aber auch eine finanzielle Angelegenheit. Es kommen also definitiv mehr Touristen und Expats zu uns.“
Rückblickend hat sich, seit der Eröffnung des Toca da Raposa, das am am 7. Juni 2024 seinen sechsten Geburtstag feiert, die Cocktailszene in Lissabon stark verändert. Auf MIXOLOGY Online gab es bereits einmal einen Text über Bars in Lissabon, aber laut der Toca da Raposa-Gründerin hat sich einiges getan: „Die Szene hat sich definitiv verändert und weiterentwickelt. Man hat mehr Gäste, man hat den Raum für Innovation und Weiterbildung und immer eine Bühne, um neue Dinge auszuprobieren.“
UNI Bar als Nachfolger
Grund genug, eine zweite Bar zu eröffnen: 2022 hat Raposo Cordeiro die Lissaboner Barwelt um das UNI erweitert. Eine Bar fürs ernsthafte Trinken: Die Konzeptbar bietet nur Platz für neun Personen und erinnert an Cocktailbars in Japan, denn eine Reservierung ist gefordert und alle Gäste sitzen rund um eine drei Quadratmeter große Bar, die wie ein Vulkangestein aussieht, an einer polierten und verspiegelten Edelstahl-Barplatte.
Der Begriff UNI kommt von „Uni flavour“, was „Einheit des Geschmacks“ bedeutet. Für die Bar heißt das, dass die Cocktails aus 10 bis 15 Zutaten bestehen, die sich harmonisch miteinander verbinden, um eine geschmackliche Einheit zu schaffen. Mit anderen Worten: Jeder Cocktail hat sein eigenes, selbst kreiertes Geschmacksprofil. Die Inspiration für die Bar kam aus dem Wunsch, etwas Neues und Anderes zu schaffen – eine Idee, die die Bartenderin während der Pandemie hatte.
Ob im Fuchsbau oder am Vulkanstein, in Lissabons Trinkwelt tut sich was.
Credits
Foto: Constança Raposo Cordeiro