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Corn N‘ Oil: der Himmel auf Erden

Der Corn N’ Oil wird der Antilleninsel Barbados zugeschrieben. Er ist dort zur Zeit des Kolonialismus als Getränk der Unterdrückten entstanden, ein verbindliches Rezept existiert nicht, der Name wird dem fünften Buch Mose zugeschrieben. Trotzdem hat die Kombination aus Rum, Falernum und Limette mehr zu bieten als historische Anekdoten. Gabriel Daun im Spannungsfeld zwischen Bibel und Blackstrap Rum.

Corn N’ Oil. Puh! Das erste, das mir zu dem Drink einfällt: unterrepräsentiert, oftmals unverstanden, kompliziert. Nicht kompliziert, was seine DNA anbetrifft, die ist eigentlich, naja, übersichtlich. Aber er ist durch eine Genese gegangen, die die Frage, wie er denn zuzubereiten sei, mittlerweile in einige Lager zu spalten vermag. Lager, die von Nerds bewohnt werden freilich, denn ein Bestseller ist er nicht. Und das macht ihn auch so spannend und attraktiv für mich, deshalb interessiert er mich. Ich mag sowas! Es handelt sich um einen Rum-Drink. Mit Falernum. Das ist, denke ich, der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich alle einigen können werden. Ab in die Diskussion!

Ich würde sagen: Der Corn N’ Oil bewegt sich irgendwo im Spannungsfeld zwischen einem Rum Old Fashioned, der Idee eines Ti’Punch und – bedingt – eines Rum Sours, zumindest im allerweitesten Sinne. Irgendwo dort ist er anzusiedeln. Gewissermaßen handelt es sich bei ihm um eine abgespeckte Version eines Royal Bermuda Yacht Club Cocktails oder – wahrscheinlicher – umgekehrt: beim Royal Bermuda Yacht Club handelt es sich um eine Art improved version des Corn N‘ Oil.

Corn n' Oil

Zutaten

4,5 cl Cruzan Black Strap Rum
1,5 cl Hampden Estate 8 years
1,5 cl Homemade Falernum (je nach Süße etwas mehr oder weniger)
0,5 cl Limettensaft

Rum und Falernum von Barbados

Der Corn N‘ Oil ist ein Drink, der seine Wurzeln auf den West Indies hat, genauer: auf Barbados, einem Eiland, das nordöstlich von Venezuela gelegen den Kleinen Antillen angehörig ist (als deren östlichste Insel) und die im Atlantischen Ozean liegt; eine ehemalige britische Kolonie mit bewegter Vergangenheit. Sowohl die Spanier als auch die Portugiesen wüteten dort mit typisch schlechtem, kolonialem Benehmen, bevor die britische Krone die Insel übernahm.

Der Corn N‘ Oil ist ursprünglich ein Drink der Armen, Unterdrückten, der Pflanzer, die auf den dortigen Zuckerrohrplantagen im 17. Und 18. Jahrhundert Zucker für Europa herstellten; derjenigen, die dort damals mit einfachen, ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln tranken und die vom Corn N‘ Oil behaupteten, ihn zu trinken sei wie „going to heaven without dying“.

Falernum verdient eine eigene Geschichte

Vermutlich handelte es sich ursprünglich, wie bereits eingangs bemerkt, um einen Drink, der ganz schlicht Rum aus Barbados mit einem ebenfalls auf der Insel entstandenem Rum-Likör, nämlich Falernum, kombinierte. Falernum verdient im Grunde einen eigenen Artikel, denn seine Geschichte ist spannend, teilweise nebulös und ist deshalb schon wert, in einer separaten Betrachtung aufgearbeitet zu werden, die hier allerdings den Rahmen sprengen würde.

Soviel sei gesagt: Es handelt sich um einen Likör auf Rum-Basis, der hauptsächlich Aromen von Limettenschalen, Ingwer, Mandeln, Nelken, Vanille, Piment, manchmal auch Kardamom, Sternanis, Zimt, Muskat und Szechuanpfeffer aufweist. Man kann ihn kaufen, selbstredend ist er jedoch besser, wenn man ihn selbst herstellt. Ferner ist es möglich, wenn es sich um ein trockeneres Exemplar handelt, ihn pur auf Eis zu genießen. Ich persönlich finde in für den Purgenuss allerdings ungeeignet. Zu süß für mich, aber die geneigten Leser:innen sollen sich deshalb nicht abhalten lassen, es selbst auszuprobieren! Seine wahre Bestimmung findet er in meinen Augen dennoch erst als Zutat in Rum-basierten Drinks. Zack, da ist die Konjunktion: Es geht schließlich um den Corn N‘ Oil!

Mais und Öl und das fünfte Buch Mose

Der Name des Drinks, so vermuten die meisten ernstzunehmenden Quellen, leitet sich aus dem Alten Testament ab, genauer: aus dem Deuteronomium, dem fünften Buch des Pentateuch, auch als fünftes Buch Mose bekannt. Dort findet sich in der englischsprachigen Ausgabe der Satz:

„That I will give you the rain of your land in his due season, the first rain and the latter rain, that thou mayest gather in thy corn, and thy wine, and thy oil.”

Soviel zum Namen. Kommen wir zum Wesentlichen: Wie soll er schmecken und wie lautet sein Rezept? Die schlechte – oder vielleicht gute – Nachricht direkt vorweg: Ein wirklich verbindliches Rezept existiert (natürlich!) nicht. Wer historisch korrekt sein möchte, wählt einen Rum aus einer der Destillerien von Barbados, ergo ein Destillat aus einer der folgenden Brennereien: St. Nicholas Abbey, Mount Gay Distillers Ltd., Foursquare Distillery (die Sixty Six, Doorly’s brennen) oder der West Indies Rum Distillery (die viel Auftragsbrennen betreiben und in unserem Themenkomplex ehrlich gesagt zu vernachlässigen sind).

Ich persönlich würde für einen „klassischen“ Corn N‘ Oil Doorly’s XO favorisieren, wenn es wirklich ein Rum aus Barbados sein soll. Ergibt einen durchaus passablen Drink, ist allerdings geschmacklich bei weitem nicht das Ende der Fahnenstange, was Erlebnis und Ergebnis anbetrifft. Vermutlich fand übrigens ursprünglich auch ein wesentlich höherer Anteil Falernum als heute üblich seinen Weg in den Drink, aber das nur am Rande, zu süß für den Vater dieser Zeilen, Sie erinnern sich…

Blackstrap Rum: Es wird dunkel

Anyway: Wer sein Hauptaugenmerk weniger auf Geschichte, dafür mehr auf Zeitgenössisches legt, der wird allerdings um eine ziemlich komplizierte Kategorie (und selbst der Begriff „Kategorie“ ist in diesem Zusammenhang schon problematisch), die mit Barbados nichts zu tun hat, nicht herumkommen: Blackstrap Rum. Ein Erklärungsversuch: Es handelt sich bei Blackstrap Rum um einen Rum, der seinen Ursprung vermutlich auf den Virgin Islands – genauer auf St. Croix – hat und der sich durch ein, sagen wir einmal, ziemlich robustes Geschmacksprofil auszeichnet. Lakritz-Noten, ungesüßte, sehr dunkle Schokolade, deutlich Melasse-getrieben, erdig, kaffeeartig, oft mit Ahornsirup-artigen Noten, etwas bitter und manchmal fast verbrannt oder sogar salzig schmeckend.

Bei Blackstrap-Melasse handelt es sich um Melasse, aus der die maximal mögliche Menge an Zucker extrahiert wurde. Dabei handelt sich mitnichten um ein Qualitätsmerkmal. Der Begriff Blackstrap Rum ist nicht näher definiert. Es handelt sich eigentlich um black rums, sprich sehr dunkle, eigentlich immer durch Kolorierung geschwärzte Exemplare, die kurioserweise nicht zwingend aus Blackstrap-Melasse destilliert sein müssen. Sie sind dunkel wie schwarze Tinte oder Motoröl (Öl, da klingelt was!), was allerdings i.d.R. nicht durch lange Lagerung (das wären dark rums), sondern durch Zugabe von Karamell erreicht wird. Blackstrap Rums sind tatsächlich meist relativ junge Vertreter der Rum-Kategorie, die mit einem wuchtigem Geschmacksprofil aufwarten. Keine High End-Produkte aus Sicht eines Brenners, nichts für den Purgenuss, allerdings aufgrund ihres intensiven Geschmacksprofils dennoch interessant für Bartender. Zumindest in einigen Drinks. Und der Corn N‘ Oil zählt dazu!

Den besten Corn N‘ Oil meines Lebens habe ich in Sven Riebels Tiny Cup getrunken, die Rezeptur ist weiter oben im Text bereits angeführt. Die vergleichsweise geringe Menge Limettensaft erklärt sich dadurch, dass es sich, ähnlich wie beim Ti’Punch, nicht um einen sauren Drink handelt. Die Limette soll lediglich für Frische sorgen und dem Drink eine gewisse Leichtigkeit verleihen.

Eine Variation aus meiner Feder möchte ich an dieser Stelle ebenfalls noch anbringen, den Popcorn & Oil:

6 cl Popcorn Rum*
2 cl homemade Falernum
0.5 cl Limettensaft
1 Dash Bonpland Chocolate and Maceflower Bitters
Gerührt, auf Eis im Tumbler serviert

*Popcorn Rum
40 cl Doorly’s XO
30 cl Eldorado 15
50 g ungezuckertes und ungesalzenes Popcorn
50 g klarifizierte Butter

Die Rums mit dem Popcorn in ein Gefäß geben und eine Stunde ziehen lassen, filtern. Die flüssige, klarifizierte Butter dazu geben, schütteln und zwei Stunden ziehen lassen. In den Froster stellen und weitere zwei Stunden ziehen lassen, bis die Butter hart geworden ist. Nochmals filtern und in eine sterile Flasche abfüllen.

Der Corn n’ Oil: Go for it

Leider genießt Blackstrap Rum zur Zeit eine Art Einhorn-Status. Er ist gerade kaum bis gar nicht zu bekommen. Zum Falernum sollten wir, wie bereits angemerkt, noch einmal in einem gesonderten Artikel Stellung beziehen, sowohl was Historie als auch mögliche Rezepte zur eigenen Herstellung anbetrifft. Bis dahin dürfen – nein, sollten! – aber trotzdem mehr Corn N‘ Oils gerührt werden! Wie gesagt: Es gibt kein verbindliches Rezept. Go for it!

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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