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Finnisches Bier: Suuret Oluet Pienet Panimot

Finnisches Bier. Suuret… was? Hat der Online-Redakteur durchgemacht? Mitnichten. Der Titel ist finnisch und heißt soviel wie “Große Biere, kleine Brauereien”. Es tut sich nämlich einiges in der Craft Beer-Szene Finnlands. Eine in Januar in Kraft getretene Gesetzesänderung erlaubt eine leichtere Produktion in dem Land, das lange Zeit prohibitionsnahe Bestimmungen rings um Bier, Wein und Spirituosen gepflegt hat. Ein Einblick in den Aufbruch.

Finnland ist mehr als nur Sauna, Rentiere, Heavy Metal und Nokia. Die Weiten der lappländischen Wildnis sorgen gerne für Melancholie und Schwermut, gepaart mit Heimatverbundenheit und dem Bedürfnis, darauf anzustoßen.

Der finnische Autor und Musiker Mauri Antero Numminen erläutert: „Es gibt Mollvölker und Durvölker – wir Finnen sind ein Mollvolk!“ Für sein 1986 erschienenes Buch „Der Kneipenmann“ besuchte Numminen 350 Bierlokale zwischen Polarkreis und Helsinki, um die Seele des Landes durch die Augen der Menschen rund um die Tresen zu erkunden. Seine aufopferungsvolle Forschung beschrieb der Autor in einem Interview mit DeutschlandradioKultur so: „Dann habe ich so voll gewesen, dass meine Frau hat am nächsten Morgen mir erzählt, was in der Kneipe passiert war, und da habe ich meine Schreibmaschine genommen und sogleich alles geschrieben.”

Gründe zum Feiern – 100 Jahre Suomi und finnisches Bier

Handwerklich gebraute Biere erleben in den nordischen Ländern bereits seit Jahren eine immense Beliebtheit. In Finnland aber nun ganz besonders, was auch mit der neuen, gelockerten Alkoholgesetzgebung zu tun hat, die seit Januar 2017 gilt. Finnland hat eine lange Tradition von strengen, prohibitionsnahen Bestimmungen rings um Bier, Wein und Spirituosen. Dazu zählten strenge Auflagen beim Alkoholausschank, je nach Stärke des Alkoholgehalts, Werbeverbote oder Verkauf nur durch die staatlichen „Alko“-Geschäfte.

Nach den neuen Regelungen dürfen die Finnen endlich auch das Heimbrauen ausüben und alle Gaststätten und Läden dürfen Bier bis maximal 5,5% Vol. verkaufen. Die Alko-Filialen haben nun länger geöffnet und kleine Brauereien dürfen stärkere Alkoholgetränke vertreiben. Bereits die Ankündigung der Gesetzesänderung gab der Kreativbierszene des Landes einen gewaltigen Schub. Finnisches Bier schickt sich an, einer breiteren Öffentlichkeit entgegenzutreten.

Die brautechnischen Resultate durften im Januar dieses Jahres bereits die Besucher der Grünen Woche in Berlin entdecken. Finnland feiert 2017 den 100. Jahrestag der staatlichen Unabhängigkeit und war daher auf der bekannten Messe für Lebensmittel und Landwirtschaft mit einem großen Pavillon vertreten. Kreatives und traditionelles finnisches Bier nahm dabei einen beträchtlichen Raum ein, darunter beispielsweise die Brauerei Pyynikin Käsityöläispanimo aus Tampere mit einem umfangreichen Sortiment, etwa mit einem filigranen White IPA, ein Hybrid zwischen Witbier und India Pale Ale, oder dem Ruby Jazz, einem finnisch inspirierten Amber Ale mit reichlich Aromahopfung. Die Biere von Pyynikin waren bereits auf dem Bar Convent Berlin 2016 zu verkosten und werden demnächst noch öfter hierzulande zu genießen sein. Bekannte Biere wie Lapin Kulta und Karhu befinden sich ja bereits in den Sortimenten gut sortierter Bierhändler.

Sahti, die ur-finnische Tradition

Faszinierend auch die Biere der Bryggeri Helsinki. Die Gasthausbrauerei aus der Hauptstadt braut ein breites Sortiment von 20 verschiedenen Bierstilen. Darunter das Bryggeri Helsinki Citra Extra Pale Ale mit einer herrlich frischen Nase von Hopfen und Kräutern und einer kraftvollen Zitrusnote. Die ordentliche Kohlensäure macht es zu einem erfrischenden und aromatischen Durstlöscher. Eindrucksvoll auch das Vuosi Sata, welches die Bryggeri Helsinki anlässlich des Landesjubiläums einbraute. Es handelt sich um einen untergärigen Tripelbock mit satten 10% Vol. Die dunkle Brauspezialität besticht durch eine opulente Malznote mit feinen Röstaromen. Dazu kommt eine schöne Balance aus Gewürznoten und verführerischen süßen Impulsen. Es folgt ein ewig langer Nachhall.

Aber der bemerkenswerteste und ureigenste Bierstil des Landes ist Sahti, ein wacholderbetontes, obergäriges, unfiltriertes Bier. Gerstensaft findet erste Erwähnung bereits im Nationalepos Finnlands, der Kalevala. In knapp 23.000 Versen werden die Ur-Helden und Mythen der Nordländer besungen. Aber im 20. Lied der Kalevala findet sich auch eine ziemlich exakte Anleitung zum Brauen von Bier, sowie auch Anmerkungen zu den Folgen des Trinkens. Das Epos wurde lange nur mündlich überliefert. Historiker schätzen, dass die Ursprünge in der Eisenzeit liegen. Im 14. Jahrhundert finden sich erste schriftliche Zeugnisse, aber erst 1835 wurde das Komplettwerk erstmals verschriftlicht.

Immer im Trend: Wacholder

1985 gründete Pekka Kääriainen die Brauerei Lammin Sahti, die sich der Neubelebung des Traditionsbierstils verschrieb. Im Guinness Buch der Rekorde erhielt die Brauerei einen eindrucksvollen Eintrag für den größten Braubottich der Welt: Das Fassungsvermögen betrug 2.500 Liter. Heute ist Lammin Sahti die älteste arbeitende Mikrobrauerei Finnlands.

Kääriainen beschreibt die Besonderheit von Sahti-Bier: „Wir brauen das Lammin Sahti mit Gerste und Roggenmalz. Fermentiert wird nicht mit Brauhefe, sondern mit Bäckerhefe. Dazu werden ganze Wacholderzweige verarbeitet, so erhält das Bier seine typischen Wacholdernoten und diese spezielle Holzigkeit. Der Alkoholgehalt liegt bei 7,5% Vol.“

In historischen Rezepten finden sich auch Zutaten wie Honig und weitere Getreidesorten. Die Reifung erfolgte in Behältnissen aus Birken- oder Eichenholz. Das Trinkgefäß dazu ist ein kleiner Eimer mit zwei Zacken als Henkel. Leider sorgen die staatlichen Auflagen bislang für keine große Verbreitung des Bierstils, was an dem hohen Alkoholgehalt liegt.

Künftig wird sich – nach den neuen Regelungen – finnisches Bier noch dynamischer entwickeln. Dafür sorgt auch Pekka Kääriainen, der ebenfalls Organisator der Bierfestival-Reihe Suuret Oluet Pienet Panimot ist. Übersetzt bedeutet dies: Große Biere, kleine Brauereien. Pekka spricht hervorragend deutsch und möchte künftig auch eine wachsende Zahl von deutschen Brauern und Konsumenten für die Festivals und für die Biere seiner Heimat gewinnen. Daher gibt es die Homepage auch auf Deutsch. Da freut sich der hiesige Biertrinker und entgegnet: Prost! Oder auf finnisch: Kippis!

Credits

Foto: Foto via Shutterstock.

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