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Craft Beer und Großhandel — wie geht das?

Der Verkauf von Craft Beer ist für Fachgroßhändler noch brotlose Kunst. In den meisten Fällen gehen Kosten und Nutzen getrennte Wege. Doch die Nachfrage steigt. Der Handel muss jetzt reagieren, Chancen und Risiko austarieren und sich des Trends annehmen. Wie das im Einzelfall gelingt und Gastronomen zugute kommt, trägt MIXOLOGY ONLINE zusammen.

Vor einigen Wochen ging in Hamburg die Hotellerie- und Gastronomiemesse Internorga über die Bühne. Gemäß dem eigenen Leitsatz „heute hier, morgen Trend“ scharrte sich das Fachpublikum in diesem Jahr vor allem um den kleinen Zirkus der Craft Beer-Aussteller. Bauchige Gläser, Hopfen- und Malznoten in der Luft und die Köpfe des nationalen Getränkefachgroßhandels mittendrin.

Man sei auf einem guten Weg, resümieren auf einmal Brauer Jeff Maisel und Kollegen in einer Podiumsdiskussion zum Thema „Craft Beer und der GFGH“ (Getränkefachgroßhandel). Konzentriere Gespräche folgen. Händeschütteln, Lächeln, Produkte Ausloten. Bei der Radeberger-Tochter Preuss-Münchhagen wolle man das Sortiment an Craft Beer erweitern. Es wird Zeit. Und es ist kein Einzelfall.

Gebraut im Kiez

Bleiben wir gedanklich zunächst im Norden der Republik. Aus gastronomischer Sicht führen hier die Wege nur bedingt an der Nordmann-Gruppe vorbei. Die Großhandelssparte des Stralsunder Unternehmens umfasst derzeit acht Getränkefachgroßhändler mit mehr als 300 Millionen Euro Jahresumsatz und circa 500 Mitarbeitern von Hannover über Rostock bis Berlin. Seit 2012 vertieft man in Hamburg zudem eine starke Beteiligung im Craft Beer-Segment, betreibt die Ratsherrn Brauerei und leistete in der jüngeren Vergangenheit somit durchaus ein wenig Pionierarbeit in der Causa „besseres Bier für Deutschland“.

Ratsherrn Pils, Pale Ale, Rotbier und weitere, teils saisonale Stile werden im Schanzenkiez gebraut und mausern sich zu einem immer wichtigeren Bestandteil des Sortiments. Und gerade darüber ist man sich durchaus bewusst. „Mit dem Ensemble der Ratsherrn Brauerei, dem ‚Alten Mädchen‘ in Kooperation und dem Craft Beer Store hat Nordmann eine Keimzelle für eine Welle der Craft Beer-Begeisterung in Deutschland geschaffen“, heißt es selbstbewusst aus der Firmenzentrale. Dabei ging es von Beginn an vor allem „um Rezepturen, Rohstoffe und Geschmack.“

Ein schwerfälliges Konstrukt

Etwas Wasser die Elbe herab, steht auf dem Kalenderblatt inzwischen das Jahr 2015. Craft Beer ist angekommen, zweifelsohne. Kleine Brauereien etablieren sich zunehmend, Wanderbrauer investieren in eigene Anlagen und auch einst gegen den Trend revoltierende Bartender führen inzwischen mit großer Begeisterung ausgewählte, wechselnde Craft Beer-Karten. Der Paukenschlag ging dann vor einigen Wochen über den Äther: Selbst ein Branchenmulti wie Beck’s schlägt mit einer groben Anmutung von handwerklicher Braukunst neuerdings den Craft-Weg ein, wenn auch unter Vermeidung des Begriffs. Bleibt nur die Frage offen, was der so oft etwas behäbig wirkende und abwägende Fachgroßhandel von der aromatischen Dynamik aufnimmt.

„Möglich, dass wir ein wenig spät sind“, räumt André Kolodziej ein. Der Einkaufsleiter vom Großhändler Bührmann Weine aus Moers beobachtet die Entwicklungen im Craft Beer-Segment seit einiger Zeit bereits mit Spannung. „Das bekannte ‚Upgrade‘ in der Spirituose, hin zum Super-Premium, sollte auch beim Bier funktionieren. Die Kunden in der Gastronomie verzehren weniger, aber hochwertiger“, zeichnet er die Situation nach. „Wir beschäftigen uns seit Dezember verstärkt mit diesem Thema und arbeiten derzeit an einem möglichen Sortiment.“ In den nächsten zwei Monaten, so plant Kolodziej, möchte man mit einem entsprechenden Angebot starten.

Eine Frage der Wirtschaftlichkeit

Starten möchte in Potsdam auch Samir Rezgui. Der Geschäftsführer der Horst Lehmann Getränke GmbH plant derzeit mit der Integration von ungefähr 20 neuen Produkten. „Seit einiger Zeit schon haben wir unter anderem die Biere von Crew Republic und Maisel & Friends im Sortiment, und die Nachfrage entwickelt sich überaus positiv. Nun wird es höchste Zeit, breiter in dem Segment aufgestellt zu sein“, beschreibt er die Situation. Wohlwissend jedoch, dass auch Craft Beer-Aktionismus nicht auf Kosten der Wirtschaftlichkeit gehen darf. „Das große Problem dabei“, so Rezgui weiter, „ist das Haltbarkeitsdatum.“

Verdirbt das Bier, bleiben die Händler auf den Kästen und Kosten sitzen, und die genaue Nachfrage ist bis dato nur schwer zu ermitteln. Umso wichtiger ist an dieser Stelle Flexibilität beim Hersteller und Distributeur. Kleinere vertragliche Abnahmemengen und im Bedarfsfall kurzfristige Lieferungen würden stark helfen, die Dynamik des Marktes etwas aufzufangen und den Handel mit solchen Nischenprodukten zu erleichtern. Ein Mechanismus, der sich bis zum Gastronomen auswirkt und ihn bei Bestellung, Warenwirtschaft und Pfandlogistik erheblich entlastet.

Der Primus aus Österreich

In Österreich ist man da bereits einige Schritte weiter. Beim Getränkegroßhändler Del Fabro erkannte man vor zwei Jahren, „dass wir mehr Bierkompetenz brauchen“, wie Verkaufsleiter Rafael Topf erklärt. Gut 50 Produkte haben es als Neulistungen daraufhin ins Portfolio der Wiener geschafft. „Darunter sind fünf, sechs aus den USA, einige aus Italien, Deutschland, Schottland und dem heimischen Burgenland“, wie Topf weiter berichtet.

Ein hopfenbetontes Potpourri, das dynamisch bleiben und künftig um weitere belgische Sude erweitert werden soll sowie zugleich großen Wert auf lokale Biere legt. „Das Kernsegment“, so Topf, „sollte auf Regionaliät aufbauen. Gerade unsere Kunden aus dem Food-Bereich und der ‚Haubengastronomie‘ sind dabei, im Bier immer öfter auch eine Alternative zum Wein zu sehen. Und sie legen dabei viel Wert auf Nachhaltigkeit.“

So wichtig es dabei ist, internationale Trends zu erkennen und zu bedienen, weiß man jedoch auch in Wien um die teilweise noch vornehme Zurückhaltung des breiten Publikums in diesem Bereich.

„Ehrlicherweise“, gesteht Rafael Topf, „müssen wir das Thema als Nische betrachten. Wir erwirtschaften auch noch keine nennenswerten Umsätze damit.“ Damit sich das jedoch ändert, kooperiert man bei Del Fabro unter anderem mit dem Importeur und Getränkefachhändler Kolarik & Leeb, sowie mit Fachjournalisten und Biersommeliers. Außerdem rief man vor etwa einem Jahr gemeinsam das Craft Beer-Symposium aus. Eine Plattform für Trainings, Tastings, Präsentationen und Diskussionen, die am 20. April dieses Jahres bereits in dritter Auflage stattfindet und einem wesentlichen Aspekt der Marktsituation gerecht wird: Weiterbildung ist Trumpf!

Es ist noch viel Arbeit zu leisten

Denn als Getränkefachgroßhändler Craft Beer einfach nur anzubieten, ist erst die halbe Miete. Um signifikante Umsätze damit einzufahren, müssen die Marketingmaschinerie gefüttert und unschlüssige, unerfahrene Gastronomen an die neue, vielfältige Aromatik herangeführt werden — eine Aufgabe, der sich alle Instanzen — Brauer, Medien und Händler — widmen müssen. Für letztere bedeutet das vor allem: Auftritt Außendienst!

Wer seinen Kunden eine aufgeweckte, begeisterte und vor allem geschulte Crew als Gesicht des Unternehmens an die Hand gibt oder ihnen nötiges Wissen bei Events vermittelt, kann viele Weichen stellen und auch wirtschaftlich von der neuen Bierbewegung profitieren. Sich dieser zu verschließen und den Trend zu ignorieren, ist ohnehin die falsche Attitüde.

Womit wir auch wieder bei einer Aussage vom sympathischen Bayreuther Brauer Jeff Maisel wären. Seiner Meinung nach stehe Craft Beer hierzulande vor einem „spannenden Jahr“. Damit der Erfolg allerdings nachhaltig anhalten könne, sei vor allem der gemeinsame Einsatz aller Beteiligten der gastronomischen Wertschöpfungskette erforderlich. Aber man sei ja auf einem guten Weg.

 

Credits

Foto: Bild via Lehmann

Comments (1)

  • Jens Schüro

    Hallo Leute,

    gutes (Craft) Bier braucht auch einen guten Vertrieb, haben die “noch” kleinen Marken nicht und am Ende ist es leider auch so das WKZ ( Werbekostenzuschuss ) RV ( Rückvergütung ) auf den Kasten oder HL auch nicht wirklich möglich sind. Dazu glaube ich auch nicht das die viele Händler die in Brauerei Hand sind, sich das lange anschauen oder mitmachen werden bei Ihren Kunden. Dafür gibt es Verträge der großen die normal andere Biere ausschließen können. Dann der liebe GFGH der auch nochmals die Hand aufhalten möchte bei jedem kleinen Trend. Da braucht man als ” Bier Start-Up ” viel Glück, ein gutes Netzwerk, eine gute Preiskalkulation und einen guten Vertrieb der wirklich Nachhaltig beim Gastronom nacharbeitet.

    Gruß

    Jens

    PS: Hoffe der ” Trend ” wird wirklich ein großer Trend zu mehr Qualität und das nicht nur in Berlin oder München.

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