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Irgendwie für alle da: das Hops & Barley

Seit sieben Jahren braut Philipp Brokamp im Hops & Barley in Berlin-Friedrichshain Craft Beer. Nur nennt er es eigentlich nicht gerne so. Wie es dazu kam, und warum er den Trendbegriff eigentlich nicht braucht, erzählt Nina Anika Klotz.
Avantgarde? Nä! So würde er das jetzt wirklich nicht sagen. Auch nicht, wenn es vielleicht stimmt, irgendwie. Denn was Philipp Brokamp von und mit dem Hops&Barley seit sieben Jahren macht, ist eigentlich nichts anderes, als ein richtig, echtes Craft Beer-Business – und das eben schon lange, bevor Imperial IPAs und Barrel-Aging unter den Expat-Hipster-Besser-Esser-Leutchen zwischen Kreuzkölln und Prenzlauer Berg zum Thema wurde.
Vor der rechten Zeit am rechten Ort
Sieben lange Jahre gibt es seine Hausbrauerei mit Brewpub in Berlin-Friedrichshain jetzt schon. Damit war sie schon dort, bevor der Simon-Dach-Kiez so richtig durchstartete als Ausgehmeile, bevor alles um den Boxhagener Platz unter der Rubrik „by night“ im Lonely Planet auftauchte. „Um ehrlich zu sein, war das damals noch eine ziemlich dunkle Ecke“, sagt Brokamp, als er an einem grauen Frühwintermittag auf die Wühlischstraße hinaus schaut, wo heute in jedem zweiten Laden Kinderklamotten, schicke Accessoires oder Designer-Klappkarten verkauft werden. „Manche haben mich sogar vor der Gegend gewarnt“, sagt Brokamp. Aber was hätte er machen sollen? Er hatte ja keine andere Wahl. Er musste schließlich nach Berlin. Wegen der Liebe.
Vom Stadion ins Sudhaus
Geboren und aufgewachsen ist Philipp Brokamp in Borken, Westfalen. Nach dem Abi macht er erst einmal ein Praktikum als Sportjournalist. Das war es aber irgendwie nicht so. Fußball, speziell Borussia Mönchengladbach, blieb also bloß ein Hobby, während eine andere Leidenschaft zum Beruf wurde: 1996 fängt Brokam eine Lehre als Brauer und Mälzer bei der Brauerei Horneck in der bayerischen Hallertau an, danach arbeitet er als Geselle bei Rolinck im Münsterland.
1999 beginnt er an der Versuchs- und Lehranstalt für Brauerei in Berlin ein Studium zum Diplombraumeister. Während dieser Zeit lernt Brokamp seine Freundin kennen, eine „echte Berliner Pflanze“, wie er sagt, mit einem festen Job in der Hauptstadt und ohne große Lust hier wegzugehen. Als er nach dem Studium für zwei Jahre in einer Museumsbrauerei in Schwelm arbeitet, pendeln die beiden. Aber Fernbeziehungen sind und bleiben nun einmal irgendwie halbgar und so beschließt Brokamp, zurückzukehren nach Berlin.

Alles auf Null
„Es war allerdings eine ziemlich ungünstige Zeit für einen Brauer, hier einen Job zu finden“, erzählt er. „Gerade war der Schultheiss-Kindl-Standort in Potsdam geschlossen worden. Da gab es einfach keine Stellen für mich.“ Und nachdem er ohnehin Lust hatte auf das Abenteuer Selbstständigkeit (aber auch großen Respekt, wie er sagt), machte er sich auf die Suche nach einer Location für seine eigene Brauerei. Im wie gesagt damals noch etwas finsteren Teil Friedrichshains fand er eine ehemalige Fleischerei, die seit 1995 leer gestanden und vor sich hingegammelt hatte. Sich vorzustellen, hier einen Brewpub hinein zu bauen brauchte schon etwas Phantasie. Und Muskelkraft.  Brokamp hat beides.
Am 2. Februar 2008 eröffnete das Hops&Barley. „Das Publikum war damals schon ziemlich gemischt. Ältere aus der Nachbarschaft, die hier ein Feierabendbier tranken, aber auch viele Alternative. Auf die war das Ganze damals auch irgendwie ausgelegt.“ Heut kommen an den Wochenenden dann noch Fußballschauer dazu, weil das H&B Bundeligaspiele auf zwei Leinwänden überträgt. Und natürlich besucht jeden Tag eine ganze Menge Touristen das Brewpub.
Das Experiment kommt an
Die erste, kleine Braxonia-Brauanlage war eigentlich schon ein Jahr nach Beginn zu klein. Das war auch die Zeit, in der Brokamp das gute Gefühl bekam, dass es irgendwie laufen könnte mit der Hausbrauerei, die „die Berliner Bierlandschaft bereichern sollte“, wie er selbst sagt. Er verlängerte seinen Mietvertrag und verbreiterte nach und nach sein Biersortiment. Standardmäßig braut er heute ein Pilsener, ein Dunkel und ein Weizenbier plus jede Woche ein anderes Sonderbier. In der Summe dürfte er wohl bis zu 90 verschiedene Sorten hier gebraut haben, diverse Böcke, Ales, Single-Hop-Spielereien und Ähnliches.
Neulich habe er ein besonders stark eingebrautes Coffee-Stout gemacht, erzählt er. «Das war schon krass.» Vor ein paar Jahren hätte er sich vielleicht noch nicht getraut, so etwas zu brauen. Mittlerweile aber kommen auch Kunden ins Hops&Barley, die solche außergewöhnlichen Biere verstehen und zu schätzen wissen. Ja, die stetig wachsende Craft Beer-Community geht natürlich gern ein und aus in Friedrichshain.
«Craft Beer»? Ja. Und Nein.
Wobei: Craft Beer? Wieder: «Nä.» Würde Philipp Brokamp auch nicht so sagen. „Ich verwende den Begriff Craft Beer nicht unbedingt. Ich finde den einfach schwierig. Wie definiert man was? Darüber kann man Bücher schreiben. Außerdem finde ich es komisch, einen Begriff eins zu eins zu übernehmen, der eine Bewegung beschreibt, die in Amerika stattgefunden hat, hier aber ja nicht ganz genau gleich abläuft.“
Dennoch spürt er als Brauer und Wirt, dass sich einiges getan hat: „Natürlich bin ich durch die Veränderungen der letzten Jahre beeinflusst worden und ein bisschen auf den Zug aufgesprungen. Man hat ja vielmehr Angebote und bekommt jetzt auch besondere Hopfen- oder Malzsorten in kleineren Mengen, um mal etwas Besonderes auszuprobieren. Das war, als ich angefangen habe, noch nicht so.“
Ein Gesundes Wachstum
Gerade ist Brokamp dabei, etwas außerhalb der Stadt eine zweite Brauanlage in Betrieb zu nehmen. „Um die Peaks ein bisschen besser ausgleichen zu können“, sagt er. Seit nämlich Craft Beer in Berlin Thema ist und seit es gleich mehrere Events und Feste im Jahr gibt, auf denen auch Brokamp sein nicht-so-genanntes Craft Beer gut verkauft, gibt es immer wieder Zeiten, in denen er ganz schön ackern muss, um genügend Nachschub für die sieben Zapfhähne im Friedrichshainer Lokal zu haben. Zum Glück muss er das seit eineinhalb Jahren nicht mehr allein machen. Sein Angestellter Markus sei eine riesengroße Hilfe, sagt er. „Und meine Freundin ist auch zufriedener, seit der Markus da ist“, freut er sich.
Und damit ist es bisher eigentlich ziemlich gut gelaufen, für den Avantgardisten, der keiner sein will, sondern eigentlich ja nur aus Liebe angefangen hat (kein) Craft Beer für Berlin zu brauen.

Credits

Foto: Hopfenhelden

Comments (4)

  • daniel

    feiner bericht von nina!

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  • Pilsator

    Netter Artikel, gute Kneipe, super Bier! Nur das H&B als Trendsetter für Friedrichshain darzustellen, ist dann vielleicht doch etwas übertrieben. Die Simon-Dach-Str. war auch weit vor 2008 schon berühmt-berüchtigt…

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  • Ludger

    Jaa, das gute Rohling-Bier

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  • jan

    Danke für den Tip! Da muss ich mal hin; alleine seine Einstellung zum Motto “craft beer” gefällt mir sehr gut!

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