Der beste Rosé-Wermut: Burschik’s Rosé gewinnt das Mixology Taste Forum
Rosé-Wermut ist aus historischer Sicht noch eine blutjunge Kategorie, die es, streng genommen, als solche erst seit wenigen Jahren gibt. Mittlerweile jedoch ist die Anzahl der verfügbaren Marken stattlich, was das Taste Forum zu einer ersten umfangreichen Verkostung schreiten lässt. Die zentrale Diagnose: Er muss noch lernen, wo er hinwill, der Rosé-Wermut. Es gibt aber auch schon viel Gutes. Am Ende wird Burschik’s als der beste Rosé-Wermut gekürt.
Der mutmaßliche Urvater dessen, was wir heute als „Wermut“ verstehen und was als Verkehrsbezeichnung in der EU gesetzlich geschützt ist (s.u.), war der Italiener Antonio Benedetto Carpano. 1786 entwickelte er als Angestellter einer Weinhandlung in Turin einen mit Wermutkraut und rund 30 anderen Zutaten aromatisierten, süßen Muskatellerwein und benannte ihn – angeblich als Freund deutscher Dichtkunst – nach dem Deutschen Wort »Wermut« (der italienische Begriff für Wermut wäre hingeben assenzio).
Das war der Beginn des roten, italienischen Wermut-Stils, der somit als Ur-Wermut gelten muss. Seine Farbe hat er aber nicht durch rote Grundweine, sondern durch die Kräuterauszüge sowie die Süßung mit Karamell. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand in Frankreich der erste trockene, weiße Wermut: Noilly Prat.
Rosé-Wermut: eine Erfindung unserer Zeit
Rosé-Wermut ist eine recht neue Erfindung, lange Zeit kannte man eben nur roten und weißen (letzteren sowohl als trocken oder in der süßen Variante). Man findet unzählige Rezepte für klassische und neoklassische Drinks mit rotem und weißem Wermut. Genau an diesen Drinks misst man meist Produkte. Ein trockener Wermut muss im Dry Martini überzeugen können, ein roter Wermut sollte im Manhattan und Negroni funktionieren. Bei Rosé-Wermut gibt es dagegen keine Erwartungshaltung, das öffnet die Kategorie für geschmackliche Experimente und Variationen.
Im Taste Forum ist diese konzeptionelle Freiheit zu schmecken. Abgesehen von Botanicals spielen die Hersteller besonders häufig mit Grundweinen. Fast jeder der durch die Testrunde verkosteten Wermuts legt Wert darauf, regionale Weine wie Schilcher, Riesling, Uhudler, Pinot Noir, Prensal, Moscatel oder sogar bereits ausgebauten Sherry zu verwenden. Nicht immer können sich die Grundweine gegen (Rest-)Zucker und Botanicals durchsetzen, schade bei so viel Vielfalt und Regionalität. Es zeigt aber, dass durchaus viel kreatives Potential in der Kategorie steckt.
Die Bandbreite zieht sich über trockene, säurebetonte Produkte wie Miss Rósy bis zum sehr süßen Ferdinand’s oder Muntaner. Die Produkte sind auch aromatisch sehr unterschiedlich, von ätherischen Kräuteraromen, Rhabarber und roten Beeren bis hin zu Weihnachtsgewürz oder sogar Paprika wie im „Der Rosé“ von Helmut Wermut ist alles dabei. Auch im Mundgefühl und Textur unterscheiden sich die Brands stark, von weinig-leicht bis sirupartig. Wermutkraut steht selten im Vordergrund, ist einigen Verkoster:innen als namensgebende Zutat in der Kategorie aber durchaus wichtig.
Die Regeln gelten auch für Rosé
Denn die Regeln gelten auch für Rosé. Wermut ist ein fortifizierter, also durch Zugabe von hochprozentigem Alkohol haltbar gemachter Wein. In der EU muss das fertige Wermut-Produkt einen Alkoholgehalt zwischen 14,5 und 22 % Vol. aufweisen, zudem müssen mindestens 75% des Volumen-Anteils aus Wein – genauer »Weinbauerzeugnissen« – bestehen. Hinzu kommt eine klar definierte Regelung zur Bezeichnung des Trockenheits-Grads von weniger als 30 Gramm Zucker pro Liter (»extra trocken«) bis »süß« mit mehr als 130 Gramm. All diese Vorschriften gelten übrigens laut EU-Verordnung 251/2014 für sämtliche Arten von »Aromatisierten Wein«. Das Aroma von Wermut wird, neben den Grundweinen, von seiner Kräuterkomposition und typischerweise Wermutkraut bestimmt.
Beziehungsstatus zu klassischen Drinks: es ist kompliziert
Unseren Verkoster:innen stimmen überein, dass nur wenige der Produkte schmecken ,wie man sich einen Wermut mit Roséwein vorstellen würde. Unter anderem gewinnt Burschik‘s das Tasting, da zum einen Wein und Wermut aromatisch deutlich hervorstechen, zum anderen die Balance aus Süße, Säure und Bitterkeit besonders gut gelingt.
Das ist ansonsten nicht immer der Fall, zu häufig kommen diese drei Faktoren nicht in ein gelungenes Spiel. Vor allem Süße dominiert bei vielen Produkten und führt zu einer Eindimensionalität, die vielleicht auch dem Einsatz an der Bar im Wege steht. Hinzu kommen die manchmal nicht ganz gelungen eingebauten Botanicals. „Viele der Produkte sind zu ›laut‹, nicht besonders fein und aromatisch zu intensiv, um sie in Getränke einzubauen. Zugleich sind sie teils zu süß für den puren Genuss. Für mich stellt sich da die Frage, wo ihr sinnvoller Einsatz liegt“, so Felix Fuchs (Tulus Lotrek). „Für klassische Drinks sehe ich die Produkte eher nicht. Dafür fehlt die Vielschichtigkeit, Komplexität und Balance“, ergänzt Arun Puvanendran aus dem Kink.
Wofür setzt man Rosé-Wermut ein?
Ist Rosé-Wermut also eher ein mainstreamiges Endkonsument:innenen-Produkt für laue Balkonabende, irgendwo zwischen Frosé und Weinschorle? Sicher dürfte der größte Absatzmarkt nicht in Bars liegen, aber trotzdem können Drinks mit Rosé-Wermut auch auf Barkarten Sinn machen. Es finden sich in der Kategorie spannende Produkte, die das Angebot an klassischen Wermuts um interessante Aromen ergänzen und gut mixbar sind.
Low-ABV-Drinks, Spritz-Varianten oder Longdrinks mit Rosé dürften in vielen Gastronomien gut funktionieren und leicht an Gäste zu empfehlen sein. Wie auch Roséweine und Rosé-Champagner finden Rosé-Wermut-Drinks ihr eigenes Publikum. Rosé lässt eben genau das bisschen Dolce Vita und sommerliche Lässigkeit mitschwingen, das man sich in gewissen Momenten am Pool, auf der Terrasse oder zum Apero wünscht.
Dieser Beitrag wurde erstmals in der Print-Ausgabe Mixology 5-2022 veröffentlicht, wo sich auch Einzelbewertungen aller verkosteten Rosé-Wermuts befinden. Für diese Wiederveröffentlichung auf der Website wurde der Text stark gekürzt und adaptiert. Information zur Bestellung einer Einzelausgabe findet sich hier, Information zu einem Abonnement hier.
Credits
Foto: Editienne