Die besten Bars in New York, Teil Zwei: Die Underdogs
In Teil Eins unserer Serie über Bars in New York haben wir die großen Namen präsentiert, die man von internationalen Bestenlisten kennt. In diesem Teil präsentieren wir weniger bekannte Namen – die nicht minder qualitativ sind.
Mit insgesamt 13 Bars in den World’s 50 Best Bars North America und immerhin noch stolzen acht in den World’s 50 Best Bars kann man es sich bei einem Besuch in New York natürlich leicht machen und gezielt diese Bars ansteuern (siehe Teil Eins). Doch eine Stadt wie New York hat natürlich mehr zu bieten, und so gibt es eine große Auswahl an Bars, die die Qualität besitzen, mit den ganz Großen mitzuspielen, dies das aber aus verschiedenen Gründen nicht können – oder wollen. Manuel Bieh war in New York unterwegs und hat erkundet, was die Stadt an versteckten Juwelen zu bieten hat.
Shinji's
Shinji’s – Highend Bar mit Ursprüngen in der Sterneküche
Shinji’s ist das neue Baby des Teams hinter der mit einem Michelin-Stern ausgezeichneten Noda Sushi Bar und befindet sich auch genau neben dieser im Flatiron District in Manhattan. Die Bar ist eher klein, mit gedämpfter Beleuchtung und gehobener Einrichtung ausgestattet. Das Innendesign mit einem halbrunden Tresen und elegant beleuchteter Backbar wirkt eindrucksvoll. Eindrucksvoll sind auch die Preise, die selbst für Manhattan-Standards im oberen Bereich liegen. Dafür gibt es aber auch wundervolle Eigenkreationen mit Zutaten, die sonst eher in der Sterneküche ihren Einsatz finden, wie frischen Wasabi oder geröstete Paprika. Zum Erlebnis wird hier der „Hot Cold Toddy“, der laut Liste der Zutaten „Science“ und „Magic“ enthält. Anders lässt sich dieses Geschmackserlebnis vermutlich wirklich nicht besser beschreiben. Das Barfood steht dem Essen in Sachen Hochwertigkeit der sterneprämierten Schwester-Bar in nichts nach, und so gibt es hier Kartoffelchips auf Wunsch mit Kaviar, das Käsesandwich wird mit Trüffel serviert, und für den Liebhaber eines ordentlichen japanischen Steaks gibt es Sandwiches mit Wagyu Beef. Auch bei der Arbeitstechnik wird man kreativ: Flüssigstickstoff wird zum Kühlen der Gläser benutzt und nach Gebrauch mit einem eleganten Wurf ins Getränkeregal „entsorgt“, wo es für einen effektvollen Regen aus verdampfenden Tröpfchen sorgt. Apropos Getränkeregal: Laut eigener Aussage enthält dieses die größte Auswahl an japanischen Whiskys in NYC. Eine perfekte Bar, um selbst barerfahrene Geschäftspartner aus der New Yorker High Society zu beeindrucken, die aber auch als einfacher Tourist einen Besuch wert ist.
Chinato – Von China nach New York
Wer das Chinato (gesprochen wie der italienische Digestif [kiˈnaːto]) in der Lower East Side betritt, dem wird zuerst das ungewöhnliche Layout der Bar auffallen. „Ich möchte gern an der Bar sitzen“ – gar kein Problem, und so wird der Gast zur Mitte des Raumes geführt, in dessen Zentrum sich eine Bar-Insel mit zwei Stationen befindet. Der Name der Bar ist bewusst mehrdeutig gewählt. Neben dem eingangs erwähnten italienischen Digestif, dem Betreiber Ray Zhou laut eigener Aussage verfallen ist, spiegelt er auch dessen Reise aus dem Nordosten Chinas nach New York wider („China-to“). Dementsprechend ist auch die Karte asiatisch beeinflusst: In den Drinks finden sich Lychee, Shochu oder Edamame, die Speisekarte, die zur Eröffnung Ende 2023 von Zhaojin Dai, Sous Chef des mit zwei Michelin-Sternen prämierten Restaurants Jung Sik, entwickelt wurde, enthält ebenfalls typisch asiatische Zutaten in Gerichten wie dem Sesam-Hoisin-Steak-Tartar oder Bao Buns mit geräuchertem Pork Belly. Umgeben von einigen der 50 Best Bars in unmittelbarer Nähe, stehen die Chancen, in dieser noch relativ neuen Location abseits der Stoßzeiten auch ohne Reservierung einen Platz zu finden. Das Essen und vor allem die spannende Karte mit den gut umgesetzten Signatures ist es allemal wert. Wenn es also im Double Chicken Please nicht mit dem Einlass funktioniert, findet man im nur zwei Blocks entfernten Chinato Barfood und Drinks, die mithalten können.
Chinato
Bar Belly
Bar Belly – Your friendly Neighbourhood Bar
Wer einmal die Definition einer entspannten Nachbarschaftsbar am eigenen Leib erfahren möchte, dem sei ein Besuch in der Bar Belly in der Lower East Side ans Herz gelegt. Schlichtes Interieur trifft auf lockere Atmosphäre, auf faire Preise und in Folge auf ein Publikum, das ausgelassen gute Laune hat. Die tägliche Happy Hour, in der es Austern für gerade einmal einen Dollar gibt, trägt sicher ihren Teil dazu bei. Die Bar ist in der Nachbarschaft äußerst beliebt, wer also gern einmal Austern für einen Dollar essen möchte, der sollte frühzeitig seinen Platz sichern. In der relativ kleinen Bar kann es auch unter der Woche bereits früh voll werden. Doch nicht nur wegen der günstigen Austern lohnt sich ein Besuch. Auch die Drinks, die in Manhattan mit durchschnittlich 18 Dollar zu den günstigeren gehören, können sich sehen bzw. schmecken lassen. Die Bar ist in den mittlerweile zwölf Jahren ihres Bestehens untypisch mit ihrer lockeren, fast schon nach Studentenkneipe anmutenden Einrichtung. Das Team wurde 2024 jedoch als US-Barteam des Jahres bei den Tales of the Cocktails nominiert. Betrachtet man die Stimmung in der Bar, die Qualität der Drinks und des Services, ist diese Nominierung mehr als verdient. Die Bar überzeugt auf ganzer Linie durch ihren lockeren Vibe, leckere Drinks und gutes Barfood.
Paradise Lost – Skurriles Tiki-Erlebnis im verlorenen Paradies
Fragt man Bartender nach Tipps, welche neuen „Under the Radar“-Bars in New York definitiv einen Besuch wert sind, fällt nicht selten der Name Paradise Lost. Eine Tiki-Bar. Eine Tiki-Bar?! Ja, eine Tiki-Bar. Aber was für eine. Wer hier an zu süße Drinks in Tiki-Mugs denkt, wird … nun ja, zumindest zum Teil enttäuscht, zum Glück. Das Paradise Lost versteht es ausgezeichnet, Drinks ins Tiki-Format zu bringen und hochklassige Cocktails in fancy Tiki-Bechern neu zu interpretieren. Etwa beim „Lesser Key Martini“, bei dem ein eigener Kokosnuss-Pistazien-fat-washed Rum zum Einsatz kommt und sich mit matcha-infusioniertem Gin sowie japanischem Wermut die Show teilt. Von der Einrichtung bis zur Karte ist die Bar mit sehr großer Liebe zum Detail gestaltet – vielleicht etwas kitschig, aber absolut stimmig ins Konzept passend. Die Toiletten bieten eine eigene kleine Horrorshow, und wer den richtigen Drink bestellt, bekommt auch schon mal eine sehr effektvolle Feuershow am Tisch serviert. Selbst die Tiki-Mugs hat die Bar eigens entwickeln lassen und vertreibt diese nebenbei als Merchandising-Artikel – für den baraffinen Touristen sicherlich ein etwas anderes Urlaubssouvenir. Das Paradise Lost bietet seinen Besuchern jedenfalls ein Erlebnis, wie man es selten findet. Allzu häufig werden Präsentation und Showeffekte genutzt, um von der mittelmäßigen Qualität der Drinks abzulenken und den Fokus auf andere Dinge zu lenken. Jedoch geht das Paradise Lost hier keinerlei faule Kompromisse ein. Und so stimmt hier nicht nur die Präsentation mitsamt ihren Effekten, sondern auch die Qualität der Drinks.
Paradise Lost
Mister Paradise
Mister Paradise – die kreative Bar mit Party-Vibes
Etwas älter, nämlich bereits seit 2019 und direkt um die Ecke des Paradise Lost, befindet sich Mister Paradise. Trotzdem ist die Ähnlichkeit beim Namen rein zufällig, versichert Bartender Kian Brown. Die Einrichtung der Bar geht in Richtung Art-déco-Stil, bleibt dabei aber angenehm minimalistisch. Auffällig ist der grün gekachelte und hell beleuchtete Halbkreis an der Rückwand der Bar, der für hohen Wiedererkennungswert sorgt. Die Stimmung ist locker, später am Abend wird es hier auch schon mal etwas lauter. Die Bartender agieren gleichzeitig auch als Entertainer – aber in einer Art, wie man sie in so angenehmer Form nicht häufig sieht. Die gute Laune im Team ist auch den Servicekräften anzusehen und überträgt sich auch auf die Gäste. Die Drinks sind ausgefallen und teilweise recht komplex. Die Karte ist klein, wechselt aber regelmäßig und enthält Signatures mit wohlklingenden Namen wie Party Lobster, Cowboy Alex oder Cougar Magnum. Wie in so vielen New Yorker Bars wird auch hier Barfood serviert, jedoch könnte man dieses im Vergleich schon fast als zünftig bezeichnen. Serviert werden Burger im Potato Roll, French Fries und Krabbentoast mit Crème Fraîche.
Bar Goto – Japan-Feeling mit Zurückhaltung und Eleganz
Etwas unter dem Radar läuft auch die Bar Goto. Verwunderlich, gibt es diese doch bereits seit 2015. Und hört man sich unter Bartendern um, zählen der Sakura und der Goto Martini zu einigen der besten Martinis der Stadt. Einig ist man sich in der New Yorker Barszene auch darüber: das Kombu Celery gehört zum besten Barfood der Stadt. Sellerie? Jawoll! Wer einmal in den Genuss dieses überraschend komplexen Gerichts gekommen ist, wird nur zustimmen können. Sonst geht es in der Bar Goto eher ruhig zu. Die Einrichtung ist japanisch anmutend – schlicht, aber hochwertig. Die Bar befindet sich nur wenige Minuten entfernt von den deutlich bekannteren 50 Best Bars-Vertretern Superbueno, Double Chicken Please und Attaboy. Sie mag in deren Schatten stehen, verstecken muss sich die zurückhaltende Bar jedoch nicht: Die Drinks können mithalten, das Barfood sucht seinesgleichen und auch der Service ist erstklassig. Unter Kennern der New Yorker Bar-Szene ist die Bar Goto längst kein Geheimtipp mehr. Für die Liste der 50 Best Bars hat es dennoch bisher nicht gereicht, was einmal mehr zeigt, dass diese Liste nicht das Maß der Dinge ist – die Bar kann qualitativ ganz klar mit den ganz Großen mithalten.
Bar Goto
Credits
Foto: Manuel Bieh
Olaf
die bar goto in der eldridge street ist mein absoluter go to place in new york. die drinks sind hervorragend, das bar food (auch die miso chicken wings und das okonomiyaki) das beste, das ich kenne, nicht nur in dieser stadt. barchef mathew resler kennt jeden lohnenswerten spot in der stadt und gibt auch bereitwillig auskunft. und der hölzerne bartresen ist eine echte schönheit, leider hat er es nicht auf euer foto geschafft.