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Die Brenner sprechen: Florian und Johannes Kuenz

Johannes Kuenz hat als Zehnkämpfer nationale Rekorde gebrochen, Florian Kuenz war auf Lehre in Kentucky und Tennessee: Heute gehen die Brüder gemeinsam eigene Wege. MIXOLOGY ONLINE hat die beiden in ihrem Dorf in Osttirol, in dem es alleine 50 Brennrechte gibt, besucht.

Seit 1643, als Stefan Kuehnzer in Dölsach einheiratet, gibt es den Namen Kuenzhof, die Obstbau-Tradition mag jünger sein. Doch dank des Maria Theresien-Brennrechts kann der Familienbetrieb bereits auf neun Generationen von Schnapsbrennern zurückblicken. Die Brüder Florian und Johannes Kuenz übernahmen im Vorjahr den Betrieb mit dem angeschlossenen „Schnapsgarten“, der jährlich 20.000 Besucher ins entlegene Osttirol führt. Gleich zum Start konnten sie den ersten Whisky („Rauchkofel“ – gelagert im ehemaligen Kuhstall) vorstellen. Innerhalb von zehn Tagen war die gesamte Menge ausverkauft, doch es soll noch mehr folgen, versprechen die beiden bestens ausgebildeten Newcomer im MIXOLOGY Online-Interview.

MIXOLOGY: Stimmt es, dass ihr die Brennblasen bei euch immer noch mit Holz befeuert?
Johannes Kuenz: Ja, bei uns werden die Brennblasen mit Holz befeuert. Das hat bei uns eine lange Tradition. Vor einigen Jahren haben wir die Brennerei von Stückholz auf Pellets umgestellt; die werden unweit von uns aus heimischen Holz hergestellt. Diese Nachhaltigkeit und Regionalität ist uns besonders wichtig.

MIXOLOGY: Ihr habt als Diplomingenieur in Pflanzenwissenschaften (Johannes) und Lebensmittel-Technologie (Florian) ja eine ziemliche Expertise: Wie läuft diese „Ressortverteilung“ im Tagesgeschäft?

Florian Kuenz: Ich glaube, wir haben uns das recht gut aufgeteilt. Meine Arbeitsbereiche umfassen Gärführung, Holzfassmanagement und einen großen Teil des Brennens.
Johannes Kuenz: Mein Hauptaufgabenbereich ist der Obstbau. Ich sorge dafür, dass Florian eine Top-Fruchtqualität in der Brennerei zur Verfügung steht. Beim Brennen ist es so, dass wir viel von unser Mama gelernt haben und noch lernen können – sie ist sozusagen der „Master Destiller“ im Betrieb. Papa sagt dazu immer, dass er die größte Nase am Betrieb hat, die Mama aber die feinste!
Florian Kuenz: Im Familienbetrieb muss man aber trotzdem häufig „Mädchen für alles“ sein und sich in allen Bereichen auskennen.
Johannes Kuenz: Es ist sehr beruhigend zu wissen, dass jemand da ist, auf den man sich zu 100% verlassen kann. Der die Dinge macht, auf die der andere vielleicht vergessen hat, oder für die er gerade keine Zeit hat.

MIXOLOGY: Wie sieht es mit dem Vertrieb aus. Die gut 40 Fruchtbrände und -Liköre von Kuenz sind ja ein ziemlicher Bauchladen, dazu kommen euer Gin und der Rauchkofel Whisky?
Johannes Kuenz: Das Hauptaugenmerk unseres Betriebes liegt auf der Direktvermarktung. 80% unserer Produktion verkaufen wir ab Hof bzw. über unseren Onlineshop und regionale Märkte. Aber natürlich spielen Händler inzwischen eine immer größere Rolle. Dabei ist uns aber besonders wichtig, dass die Philosophie unserer Partner zu unserer passt.
Florian Kuenz: Wir haben eine unheimlich große Fangemeinde, die Stammkunden bei uns sind. Durch unseren Roten Turm Gin und den Rauchkofel Single Malt Whisky ist die Popularität in den letzten Jahren stark gestiegen.

MIXOLOGY: Ist Export – ich denke an Italien – eigentlich ein großes Thema bei euch?
Johannes Kuenz: Italien ist vor der Haustür, aber diese Tür geht nicht von alleine auf. Hauptursache sind eigentlich die teils komplizierten Zollformalitäten und ein gewisser Nationalstolz der italienischen Behörden. Unser wichtigster Exportmarkt ist derzeit Deutschland.
Florian Kuenz: Viele Urlaubsgäste aus ganz Europa nehmen sich eine Flasche aus unserem Sortiment mit nach Hause. Sie bestellen dann online bei uns, weil die Brände ihnen so gut gefallen haben.

MIXOLOGY: Mit dem „Roten Turm“ macht ihr auch Gin, was war da die Motivation – genug Gin gibt es ja doch schon?
Johannes Kuenz: Sind wir uns ehrlich, nicht alles was als Gin bezeichnet wird, trägt den Titel zu recht. Es gibt inzwischen leider viele unausgewogene Produkte am Markt, die sich nur dadurch abheben wollen, dass sie eigentlich keine Gins sind.
Florian Kuenz: Der Wacholder oder Kranewitter, wie er bei uns heißt, wird bei uns schon seit Langem gebrannt und getrunken – somit ist ein Teil des Knowhows schon im Betrieb gewesen. Unser Roter Turm Gin ist das erste gemeinsame Projekt, das mein Bruder und ich alleine gemacht haben. Sozusagen unsere Meisterprüfung, mit der wir auch beweisen wollten, dass wir mehr können, als ausgezeichnete Edelbrände herzustellen.
Johannes Kuenz: Einiges an Zeit hat es uns dann allerdings schon gekostet, ein Rezept zu finden, das unserer Vision entsprochen hat. Und wenn man der Fachjury der Destillata, IWSC oder der ADI glauben darf, ist uns etwas Besonderes gelungen.

MIXOLOGY: Du hast letztens erwähnt, Florian, dass es mit der Barkultur am Land schwierig sei. Ändert sich das bzw. was müßte passieren?

Florian Kuenz: Ich ziehe da immer gerne einen Vergleich mit den USA: Wenn du dort in irgendeinem Nest eine Bar aufsuchst und einen Old Fashioned bestellst, bekommst du einen. Bei uns haben das erst die Spitzengastronomie-Betriebe verstanden.

MIXOLOGY: Vermutlich fragt man Dich das eh öfter, Johannes: Wie verträgt sich der Leistungssport – immerhin hattest Du als Zehnkämpfer einige Österreich-Rekorde zu verbuchen – mit dem Brennereiwesen?

Johannes Kuenz (lacht): Für beides muss man auch mal am Wochenende früh aufstehen. Aber im Ernst: Egal ob im Spitzensport, bei Musikern oder eben beim Brennen, es gehört Talent, Zielstrebigkeit, Ausdauer und viel, viel Geduld dazu. Der Vorteil beim Brennen ist: Mit über 30 zählst du dort noch zu den Jungen.

MIXOLOGY: Insgesamt hat der „Schnaps“ – die meisten unterscheiden ja immer noch nicht vom Edelbrand – aber keinen leichten Stand? Oder ist Osttirol da anders?

Florian Kuenz: Der Markt hat sich in den letzten Jahren sehr stark verändert. Pauschal könnte man sagen, qualitativ schlechte Brände von unprofessionellen Brennern verschwinden zunehmend, weil solche Fruchtbrände niemand mehr trinken will. Die Industrie versucht teilweise mit Tricks bei der Kennzeichnung Billigprodukte als Qualitätsbrände zu verkaufen.
Johannes Kuenz: Edelbrände mit Spitzenqualität sind aber im Steigen. Dabei hilft uns auch die Slow-Food-Bewegung und das Bewusstsein, dass gutes Essen und Trinken etwas Besonderes sind.

MIXOLOGY: Deine Praktika haben Dich nach Nashville zu Corsairs und nach Kanada geführt, Florian. Was waren da die großen Lernpunkte?

Florian Kuenz: Die USA waren eigentlich nicht meine erste Wahl. Da die Schotten sich aber nicht in die Karten schauen lassen, bin ich auf die boomende Craft Distiller-Szene in den USA aufmerksam geworden. Nach einigen E-Mails und Skype-Gesprächen saß ich dann im Flieger und habe einen Sommer lang die dort herrschende Goldgräberstimmung aufgesaugt.
Kurz zusammengefasst kann ich sagen: Das Team von Corsairs hat einen lockeren Zugang zum Thema Whisky. Ich habe viel zum Thema Mälzen, Brauen, alternative Getreidesorten und Microbarrels gelernt. Eindrucksvoll waren auch die Großbrennereien in Tennessee und Kentucky. Egal ob Jack Daniels, Buffalo Trace, Jim Beam usw.  – jede einzelne produziert dort in einer Stunde mehr als wir in einem ganzen Jahr.

MIXOLOGY: An Deinem Studienabschluss stand eine Arbeit über Vakuumdestillation. Kannst du die Ergebnisse zusammenfassen, vor allem dahingehend: Was bringt das dem Kunden?
Florian Kuenz: Meine Arbeit hat sich auf Apfeldestillate konzentriert. Dort waren die Ergebnisse nicht besser als beim Normaldruck-Destillieren. Bei meiner Recherche bin ich auf Arbeiten aus 1929 gestoßen, die sich schon dem Thema Vakuumdestillation gewidmet haben. Meiner Meinung nach hätte sich die Technik bis heute durchgesetzt, wenn sie die erhofften Ergebnisse hinsichtlich der Qualität der Produkte geliefert hätte.

MIXOLOGY: Und wenn ihr nur ein Destillat erzeugen dürftest, was wäre das?

Johannes Kuenz: Einen schlichten Apfelbrand, einen Jonagold.
Florian Kuenz: Bei mir wäre es die Wahl’sche Schnapsbirne
Johannes Kuenz (lacht): Dann könnten wir zusammen einen Pregler (Tiroler Ausdruck für Mischbrand bzw. „Obstler“, Anm d. Red.) machen

MIXOLOGY: Von welchen Destillaten gibt es eurer Meinung nach zu viel am Markt?
Johannes Kuenz: Agentur-Gins – Fluch und Segen zugleich.
Florian Kuenz: Aromatisierte Spirituosen, die als Fruchtbrände bezeichnet werden. Sie bremsen einen möglichen Siegeszug des Fruchtbrandes.

MIXOLOGY: Lieber Florian und Johannes, vielen Dank für das Interview.

Weitere Interviews aus der Serie „Die Brenner:innen sprechen“:

Lorenz Humbel – Spezialitätenbrennerei Humbel

Katharina Zott – Destillerie Zott

Josef Farthofer – Destillerie Farthofer

Robert Birnecker – Koval

Florian und Johannes Kuenz – Kuenz Naturbrennerei

Jasmin Haider-Stadler – Destillerie Haider

Florian Faude – Faude feine Brände

Hermann Rogner – Destillerie Rogner

Ernst Wallner – Dorfbrennerei Ernst Wallner

Hans Reisetbauer – Reisetbauer Qualitätsbrennerei

Harald Keckeis – Destillerie Keckeis

Hans Erismann – Brennerei Destillerie Erismann

Gerald Schroff – Michelberger X Preussische Spirituosen Manufaktur

Felix Kaltenthaler – Destille Kaltenthaler, Kernstein

Reto Meier – Distillery Studer

Credits

Foto: Roland Graf

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