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Die Geschichte des Pousse Café Teil 2, Hanna Diyāb

Die Geschichte des Pousse Café, Teil 2 – Hanna Diyāb

Pousse Cafés sind heute weitestgehend vergessen und spielen in der zeitgenössischen Barkultur keine Rolle. Trotzdem sind sie für die Drinks-Historie ebenso wichtig wie der Punch. In unserer zehnteiligen Serie „Die Geschichte des Pousse Café“ widmet sich Armin Zimmermann allumfassend den bunten Schichtgetränken. In Teil 2: Osmanische Kaffeekultur und der Einfluss von Hanna Diyāb.

Nachdem wir den Ursprung des Kaffeetrinkens und die Kaffeekultur im Osmanischen Reich betrachtet haben, wenden wir uns nun Hanna Diyāb zu. Er ist ein wichtiger Zeitzeuge, der uns Weiteres darüber berichtet und Neues zum Verständnis der französischen Kaffeekultur beizutragen hat.

Grasshopper

Zutaten

3 cl Crème de Cacao weiß
3 cl Crème de Menthe grün
3-4 cl frische Sahne

Der „Grasshopper“ wurde in seiner ursprünglichen Version als Pousse Café im Glas geschichtet, weswegen er Teil der zehnteiligen Serie „Die Geschichte des Pousse Café“ ist
Der „Grasshopper“ wurde in seiner ursprünglichen Version als Pousse Café im Glas geschichtet, weswegen er Teil der zehnteiligen Serie „Die Geschichte des Pousse Café“ ist

Wer war Hanna Diyāb?

Vor wenigen Jahren ist eine bisher unbekanntes Handschrift aufgetaucht. Es ist ein Reisebericht von Hanna Diyāb, der uns Wesentliches über die osmanische und französische Kaffeekultur berichtet und dabei auch mit einigen falschen Vorstellungen aufräumt, die in einem Teil der bisherigen Veröffentlichungen zu diesem Thema beschrieben werden.

Hanna Diyāb wird für die Meisten ein Unbekannter sein – seine Erzählungen kennt jedoch jeder. Er wurde um 1688 geboren und stammte aus Aleppo. Er war der Reisebegleiter von Paul Lucas, der im Auftrag des Sonnenkönigs Ludwigs XIV. das Osmanische Reich bereiste. So gelangte er auch nach Paris, traf dort den Orientalisten Antoine Galland, der „Tausendundeine Nacht“ gerade ins Französische übersetzte. Hanna Diyāb bemerkte, dass in der Vorlage wichtige Erzählungen fehlten und diktierte vierzehn weitere Erzählungen, darunter „Aladin und die Wunderlampe“ und „Ali Baba und die vierzig Räuber“. Ohne diesen Zufall wären diese beiden Geschichten heute unbekannt.

Von Aleppo nach Paris und zurück

Hanna Diyāb verfasste einen Reisebericht, in dem er ausführlich über seine Zeit mit Paul Lucas Auskunft gab. Im ersten Teil, die Reise von Aleppo nach Paris betreffend, lesen wir beispielsweise, wie sie vom Gouverneur im ägyptischen Medinet el-Faiyūm eingeladen wurden, täglich ihren morgendlichen Kaffee mit ihm gemeinsam zu trinken. Sie besuchten ihn auch bei Sonnenuntergang, und es wurde Kaffee gereicht. Dazu rauchte man Tabak und diskutierte miteinander, bis das Essen aufgetragen wurde. Dazu trank man Wein – auch der muslimische Gouverneur. Zum Dessert schließlich gab es Süßigkeiten und Früchte, danach erneut Kaffee, und man spazierte im Garten umher.

Bei anderen Gelegenheiten war es ebenso: Wenn man sich traf, gab es Kaffee, und wenn der Anlass paßte, auch Süßigkeiten, „so wie es Brauch ist.“ Man trank nicht nur Kaffee bei offiziellen Gouverneursempfängen, sondern bei allen möglichen Gelegenheiten. Wir können daraus ersehen, dass Kaffeetrinken fester Bestandteil der osmanischen Kultur geworden war.
Auf seiner Reise von Paris zurück nach Aleppo wird bestätigt: Wenn man sich traf, wurde Kaffee gereicht und wir lesen in seinem Reisebericht Aussagen wie: „Der Vorsteher bot uns Kaffee an und behandelte uns mit Ehrerbietung“ oder „Dann lud er mich und meinen Begleiter in seinen Laden ein. Wir traten ein, und er bot uns Kaffee an und erwies uns Ehre, wie es sich ziemt.“ Kaffee spielte eine zentrale Rolle in der osmanischen Gastfreundschaft. Man reichte ihn nicht nur beim Sultan, sondern auch bei einfachen Dorfbewohnern. Man trank ihn am Morgen, zur Begrüßung oder nach einem Mahl. Man rauchte dazu Pfeife, führte Gespräche und reichte auch Süßigkeiten.

In Paris

Was Hanna Diyābs Bericht wertvoll macht, ist die Beschreibung seiner Zeit in Paris. Er erreichte die Stadt im Jahr 1709. Dort traf er „Estephan, den Damaszener“, – es war Iṣṭifān al-Šāmī – der dort einen Kaffeeladen betrieb und berichtet: „Dieser Mann hegte große Sympathie für mich. Zwischen ihm und mir bestand Freundschaft und Zuneigung, und zwar aus folgendem Grund: Bei meiner Ankunft in Paris hatte mir mein Meister aufgetragen, mich zur Begrüßung zu ihm zu begeben, denn er war ein Landsmann, und er hatte mir seine Geschichte erzählt. Als dieser Mann in Paris angekommen war, mußte er betteln, aber niemand gab ihm ein Almosen. Er sah sich gezwungen, den Chawādscha Cristofalo Zamariya aufzusuchen und ihn zu bitten, von Seiner Exzellenz, dem Kardinal, ein Schreiben zu erwirken, das ihm erlaubte, vor dem Portal von Notre-Dame zu betteln. … Dank dieser Almosen trug er fast zweihundert Piaster zusammen. Nun war es die Zeit um das Fest des heiligen Michel. … Am Festtag des Heiligen finden auf dem Platz seines Viertels sieben Tage lang Lustbarkeiten statt. In diesen Tagen wird dort verkauft und gekauft, und es werden Darbietungen gegeben. Menschen aus verschiedenen Dörfern kommen zum Verkaufen und Kaufen, denn alle Geschäfte sind vom Zoll und den üblichen Steuern befreit, die sonst zu bezahlen sind. … Einige wohlmeinende und dem Schicksal der Armen und Fremden gegenüber aufgeschlossene Personen hatten diesem Estephan, von dem wir gesprochen haben, geraten, zwei Kaffeekannen, einige Tassen und alles, was man zur Kaffeezubereitung benötigte, zu kaufen und zum Fest des heiligen Michel zu gehen, das gerade stattfand. Er tat, wie ihm geraten worden war, und eröffnete ein Kaffeehaus. Da er ein Orientale war, drängten sich die Kunden bei ihm, denn es gab keine anderen Kaffeehäuser. Zu dieser Zeit waren die Kaffeehäuser in Paris nicht verbreitet; und alles, was neu ist, ist schön. Es drängten sich so viele Kunden im Café, daß Estephan nicht mehr zum Bedienen kam. Er verschaffte sich eine Lizenz, um Hilfen einzustellen. Kurz: Innerhalb von sieben Tagen verdiente er zusätzliche zweihundert Piaster, und als das Fest vorbei war, kehrte er in die Stadt zurück, wo er einen Kaffeeladen eröffnete. Er hatte so viele Leute und Kunden, daß er in der Zeitspanne eines Jahres eine schöne Summe Geld gemacht hatte, und sein Name, Estephan der Kaffeehausbesitzer, verbreitete sich in der Stadt Paris. Sein Name verbreitete sich bis nach Versailles zum Palast des Königs. Der Minister ließ ihn zu sich rufen und hieß ihn ein Café in Versailles eröffnen, damit die Söhne der Prinzen nicht seinen Laden in Paris besuchten. Er kam der Aufforderung nach, eröffnete dort ein Café und kümmerte sich um die Kaffeeversorgung im Königspalast. Er machte die Bekanntschaft wichtiger Persönlichkeiten des Staates und erwarb sich einen großen Ruf.“

Die ersten Kaffeehäuser in Paris

Dieser Bericht aus der Zeit um 1709 ist außerordentlich wichtig, denn er wurde bisher in der Forschung zur französischen Kaffeekultur nicht ausreichend beachtet. Viele Aussagen, die bisher über die ersten Kaffeehäuser in Paris gemacht wurden und die weit verbreitet sind, sind so nicht richtig. Zudem gab es Kaffeehäuser in Paris schon länger als allgemein angenommen, und sie waren nicht so erfolglos, wie manche dachten. Sie wurden keineswegs von den Franzosen gemieden – vielmehr gingen sogar die Prinzen in Kaffeehäuser, weshalb der König anordnete, dass in Versailles ein Kaffeehaus zu errichten sei.

Übrigens wurde in Paris schon viel früher Kaffee verkauft; auch dies wurde von vielen nicht berücksichtigt. Ein 1671 in Paris erschienenes Buch berichtet nämlich: „Und gegenwärtig gibt es in Paris mehrere Läden, in denen der Kaffee mit folgendem Lob öffentlich verkauft wird.“ und in einem anderen Buch wird berichtet: „Wir wissen nur, daß unter Ludwig XIII. im Petit Châtelet ein Sud aus Kaffee unter dem Namen Cabové oder Cahovet verkauft wurde. Es dauerte jedoch lange, bis dieses Getränk in Frankreich eine gewisse Beliebtheit erlangte. Im Jahr 1662 gab es in Paris noch keine öffentlichen Cafés.“ Ludwig XIII. regierte von 1610 bis 1643.

Fazit

Wie Hanna Diyāb bestätigte, spielte Kaffee eine zentrale Rolle in der osmanischen Gastfreundschaft, in allen Schichten der Gesellschaft. Wichtig ist auch sein Hinweis, dass man dazu oft Süßigkeiten reichte. Wie wir später noch sehen werden, reichte man auch in Paris zum Kaffee Süßigkeiten, in Form von Likör, und das ist für die Entstehung des Pousse Cafés von außerordentlicher Wichtigkeit. Wenn man möchte, kann man also in den osmanischen Süßigkeiten bereits den Vorläufer des Pousse Cafés erkennen.

Im nächsten Teil der Serie werde ich näher auf die Anfänge der Kaffeehauskultur in Frankreich eingehen.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

Comments (2)

  • Thorsten Ramin

    Ludwig XIV, also der vierzehnte, oder quatorze, war der Sonnenkönig. Nichtsdestoweniger ein guter Artikel. LG

    reply
    • Mixology

      Lieber Thorsten,

      ups, da ist uns doch glatt ein »X« in den Schichten des Pousse-Café verloren gegangen. Danke für den Hinweis!

      Viele Grüße
      // Nils // Mixology

      reply

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