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Der Golden Slipper aus Danziger Goldwasser, Chartreuse jaune und einem Eigelb war im 19. Jahrhundert ein besonders beliebter Pousse Café

Die Geschichte des Pousse Café, Teil 8 – Pousse Café wird fester Bestandteil des sozialen Lebens

Pousse Cafés sind heute weitestgehend vergessen und spielen in der zeitgenössischen Barkultur keine Rolle. Trotzdem sind sie für die Drinks-Historie ebenso wichtig wie der Punch. In unserer zehnteiligen Serie „Die Geschichte des Pousse Café“ widmet sich Armin Zimmermann allumfassend den bunten Schichtgetränken. In Teil 8: Der Pousse Café wird, ausgehend von Frankreich, zum festen Bestandteil des sozialen Lebens.

Die Spirituose zum oder nach dem Kaffee nannte man ursprünglich überwiegend Chasse Café, „Kaffee-Verjager“. In jüngerer Zeit wurde es jedoch üblich, diese als Pousse Café zu bezeichnen. Man verwendete aber auch andere Bezeichnungen.

Pousse Café

Die Bezeichnung „Pousse Café“ ist heute üblicher als Chasse Café. Beide bedeuten jedoch dasselbe. Pousse Café leitet sich etymologisch vom Verb pousser ab, das „etwas zur Seite drängen“ bedeutet. Ein Pousse Café ist also ein „Kaffee-Verdränger“. Die Bezeichnung „Pousse Café“ taucht ungefähr zeitgleich mit „Chasse Café“ auf. Ich habe ihn im Jahr 1778 erwähnt gefunden; man erwähnte damals „ihren Kaffee und ihren Pousse-Café“.

Golden Slipper

Zutaten

3-4 cl Chartreuse jaune
3 – 4 cl Danziger Goldwasser
Eigelb

Gloria

Unter der Gloria verstand man eine „Tasse schwarzen Kaffees mit einem kleinen Glas Schnaps , – im Jargon der Limonadiers, die diesen Ausdruck auf den Fensterscheiben ihrer Läden verwendet haben.“ Die Bezeichnung geht mindestens so weit zurück wie Chasse Café oder Pousse Café. Ein Buch aus dem Jahr 1750 liefert eine etymologische Herleitung: „GLOIRE. In der Herrlichkeit des Bacchus zu sein, bedeutet, betrunken zu sein.“

Der Schnaps der Gloria wurde wohl auch in den Kaffee gekippt, denn im Jahr 1879 wird in einem Lexikon angegeben: „GLORIA. – In der Normandie, wie in fast ganz Frankreich, bedeutet Gloria, eine Tasse schwarzen Kaffee zu trinken und dazu ein kleines Glas Eau-de-Vie zu trinken, das fast immer dazu gemischt wird.“

Rincette & Sur-Rincette

Unter einer Rincette verstand man ein „Kleines Glas Schnaps, das als Zusatz zum Gloria getrunken wird.“ Eine Sur-Rincette hingegen ist ein „Nachschlag der Rincette.“

Diese Bezeichnungen waren wohl nicht nur in Paris, sondern in ganz Frankreich geläufig, und insbesondere in der Normandie scheint man gerne und viel getrunken zu haben, wie ein Buch des Jahres 1869 berichtet: „In der Normandie sind die Mägen mit Zink ausgekleidet und die Kehlen feuerfest. Am Ende eines Essens ist es üblich, daß die Gäste Kaffee, Pousse-Café, Poussette, Rincette und Sur-Rincette zu sich nehmen.“

In der Normandie gibt es auch das „trou normand“, das normannische Loch. So bezeichnet man die normannische Sitte, Calvados zwischen zwei Gängen während der Unterbrechung der Mahlzeit zu trinken. Damit soll die Verdauung befördert und der Appetit angeregt werden; vor dem nächsten Gang soll ein „Loch“ im Magen geschaffen werden.

Consolation & Coup à Cheval

In der Normandie – und sicherlich auch in den anderen Gegenden Frankreichs – kannte man noch weitere Bezeichnungen, und ein 1879 erschienenes Buch über den normannischen Dialekt klärt darüber auf: „CONSOLATION. – Kleines Glas mit Branntwein. Dies ist ein Zusatz zum Gloria (Kaffee mit kleinem Glas), der der Abschluss aller zwischen Normannen geschlossenen Verträge und sogar der kleinsten Gespräche an Markttagen ist.“ Man nennt auch den „COUP À CHEVAL. – Das nennt man anderswo den coup de l’étrier. An Messe- und Markttagen werden in allen Cafés von Pont-Audemer, Beuzeville, Routot usw. Glorias und kleine Gläser in rauen Mengen konsumiert. Bevor man sich voneinander verabschiedet, gibt es eine Vielzahl von Trinkgelagen, deren Namen unendlich variieren: consolation, coup à cheval, coup d’adieu, coup debout, etc. – Man sagt mir noch die Varianten pousse-café, rincette;“ Darüber hinaus sind noch andere Bezeichnungen im Umlauf, beispielsweise auch Reconsolation oder Contre-Surrincette.

Fazit

Aus der Vielzahl der bekannten Namen für ein Gläschen mit Spirituose, mit oder nach einem Kaffee, zum Essen oder nach Gesprächen, können wir ableiten, dass die Sitte, ein solches Gläschen zu trinken, in der französischen Kultur fest verankert und allgegenwärtig war.

Eine Weiterentwicklung des Pousse Cafés erfolgte in den Vereinigten Staaten von Amerika. Doch die Grundlage hierfür waren nicht nur französische Trinkgewohnheiten, sondern auch deutsche. Bevor wir uns also mit dem Pousse Café in den USA beschäftigen, muss ein Blick auf die deutsche Variante des Pousse Cafés geworfen werden. Es ist dies der Knickebein. Vor gar nicht allzu langer Zeit war er allgegenwärtig, doch heute ist er unbekannt. Man kennt ihn nicht mehr, und man trinkt ihn auch nicht mehr. Dazu mehr im nächsten Teil der Serie.

Credits

Foto: Sarah Swantje Fischer

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