Die Mixology-Verkostungsrunde im Juli 2022
Boulder „New American“ Single Malt
Man spricht von „Bewegung im klassischen Whiskey-Kosmos“ und meint damit unter anderem die weit über 100 Brennereien in den Vereinigten Staaten, die sich nicht um die Produktion von klassischem Rye, Bourbon oder Tennessee Whiskey kümmern, sondern um Single Malt. Eine dieser Destillen ist Boulder in Colorado, gelegen am Fuße der Rocky Mountains. Seit 2012 wird dort Single Malt destilliert, dazu hat man hat sich in Form von Alastair Brogan schottisches Know-how mit ins Boot geholt. Dessen Vita hat mit Whisky erstmal wenig zu tun, als Royal Air Force Veteran, abgewählter Reality-Show-Star und ehemaliger Leiter der familiengeführten Firma dürfte er aber zumindest genug zu erzählen haben.
Neben Brogan hat man auch die Brennblase und sogar die gemälzte Gerste aus Schottland importiert. Spötter könnten nun sagen, dass man eigentlich nur Scotch in Amerika brennt, aber ganz so einfach ist es nicht. Boulder lagert zum Beispiel in frisch ausgekohlten Fässern aus amerikanischer Weißeiche. Das Ergebnis ist dann auch ein spannender Mix aus beiden Welten. In der Nase viel Scotch, aber auch immer wieder ein wenig von dem, was klassisch an Bourbon erinnert. Im Geschmack erstmal ziemlich viel Power, cremig, satt auf der Zunge mit viel Getreide im Wechsel mit Fassnoten. Dazu leichte Frucht und ein Hauch Lakritze. Der damit gemixte Manhattan (darf man das so nennen oder ist es doch eher ein Rob Roy?) überzeugt, auch der Old Fashioned ist ungewohnt, aber schmeckt. Wer Spaß an halbexotischen Whiskeys hat, dem dürfte Boulder New American Single Malt durchaus gefallen.
Flaschengröße 700 ml
Alkoholgehalt: 46% Vol.
UVP: € 59,-
Vertrieb: Waldemar Behn
Alperitif Gin-Likör
Aus Tirol erreicht uns der nächste Kandidat für unsere Verkostung. Und auch wenn der Name „Alperitif“ eher nach einer regionalen Zielgruppe klingt, hat der Likör auch in Berlin und Norddeutschland schon zahlreiche Anhänger:innen gefunden. Auf Basis von Gin wird ein Bitterlikör hergestellt, der durch alpine Kräuter und Früchte überzeugen soll. Heidel-und Preiselbeeren sollen nicht nur für fruchtige Akzente sorgen, sondern sind wohl auch für die tiefrote Farbe zuständig. Neben gelbem Enzian und Angelikawurzel schwört man beim Alperitif vor allem auf Meisterwurz als geschmacksgebende Komponente unter den insgesamt 30 Kräutern und Wurzeln.
Aber schauen wir uns den Stoff mal aus der Nähe an. Die Flasche ziert ein Alpenpanorama und lässt die rubinrote Flüssigkeit am oberen Rand durchblitzen. Die eckige Flasche liegt ein wenig grob in der Hand, aber es geht ja vorrangig um den Inhalt. Mit einem satten, dunklen kirschrot schwappt der Likör ins Glas und verströmt eine angenehm fruchtige Note. Nach kurzer Zeit entfaltet sich ein Zitrusduft, es lassen sich leichte Bitteraromen erahnen, die sich im Geschmack alsbald bestätigten. Bitterkeit, angenehme Frucht und eine präsente, aber nicht überlagernde Süße sorgen für einen sehr ausgewogenen Likör. Der mit dem Alperitif gemixte Negroni gefällt, wenn er auch etwas fruchtiger als gewohnt ausfällt, und auch die getesteten Longdrinks mit Tonic oder Grapefruitlimonade überzeugen.
Flaschengröße: 700 ml
Alkoholgehalt 23% Vol.
UVP: ca. 38,-
Vertrieb: Alperitif
Aqua Monaco „La Toronja“
Vor einigen Jahren wurde ein, zwei Sommer lang die Sau Paloma durch die Dörfer getrieben: Tequila, Limette, Salz und Grapefruitlimo. Bartender:innen schwörten bei der Limo auf Ting, der Dose aus Jamaika, und Gäste waren wie so oft skeptisch aufgrund der Basis Tequila. So ein richtig brachialer Erfolg war die Paloma leider irgendwie nie. Warum aber ausgerechnet Grapefruitlimonade als Produkt die Leidtragende musste, bleibt vollkommen unverständlich, und in letzter Zeit schicken sich einige Hersteller an, dieses Problem zu beheben.
Unter anderem Aqua Monaco, die kürzlich ihr „La Toronja“ auf den Markt gebracht haben. Was als „Erfrischungsgetränk Grapefruit“ deklariert ist, macht einen durchaus überzeugenden Eindruck. Man hat nicht nur Grapefruit, Süße und Säure großartig balanciert, sondern gleich an ein wenig Salz und Schärfe in Form eines Ingwer-Chili-Auszugs mitgedacht. Dazu knallig prickelnde Kohlensäure und eine mehr als einladende Farbe. Vegan und klimaneutral produziert ist das La Toronja obendrauf. In Summe ist das ein Filler, der sich angenehm abhebt und sowohl pur als Durstlöscher, aber vor allem in gemixten Drinks perfekt funktioniert. Die Paloma war jedenfalls eine Macht, und wer es angesichts der aktuellen Temperaturen etwas ruhiger mag, kann es sich mit La Toronja und einem Schluck Portwein oder auch Wermut etwas spritziger machen. Ganz klare Kaufempfehlung.
Flaschengröße 230 ml
Alkoholgehalt 0%
UVP: € 1,49,-
Vertrieb: Aqua Monaco
Jura Rum Cask Finish
Ich kann mich gut an eine Situation vor drei Jahren erinnern, als ich ein Tasting vorbereiten sollte, in dem die Teilnehmer sich auf Scotch aus Rumfässern eingeschossen hatten. Es war gar nicht so einfach, eine Auswahl für ein komplettes Tasting zu bekommen. Aber aktuell kokettieren einige Destillen in Schottland mit neuen Abfüllungen auf der Basis von ehemals mit Rum belegten Fässern.
Seit Kurzem auch die einzige Destille der Isle of Jura … Jura. „Rum Cask Finish“ ist die schlichte Bezeichnung, was einzig durch exotisch anmutende Blüten auf dem Etikett untermalt wird. Mit weiteren Informationen hält man sich dezent bedeckt, lediglich von „Hand Selected Rum Casks“ ist die Rede. Wie lang der Whisky allerdings im Rum-Fass lag, wie lang davor in Ex-Bourbon-Fässern oder gar welcher Rum das Fass vorher belegte, ist nicht bekannt.
Stürzen wir uns also ohne große Infos in die Verkostung. Rotgold schimmert der Whisky im Glas, klassische Aromen von Scotch erreichen die Nase; ein guter Mix aus Holz und Getreide. In Summe eher mild, mit leichten Vanillenoten und – dezent, aber erkennbar – eine angenehme Fruchtigkeit von Aprikose und getrockneter Mango. Im Mund setzt sich der Eindruck fort. Die 40% Vol. sind angenehm, aber präsent. Die klassischen Scotch-Aromen stehen im Vordergrund, aber man erkennt eindeutig, was das Rumfass beigetragen hat. Ein wirklich hervorragender Whisky, auch wenn ich mir persönlich ein wenig mehr Rum-Einfluss gewünscht hätte.
Flaschengröße: 700 ml
Alkoholgehalt 40% Vol.
UVP: ca. € 29,-
Vertrieb: Mack Spirits GmbH
Taube Bavarian Dry Gin
„Ein bayrischer Gin mit bayrischen Zutaten.“ Also zumindest in Teilen. Squeaker Drinks hat den Bavarian Dry Gin „Taube“ kreiert und auf den Markt gebracht: in einer hübsch bedrucken Steingutflasche mit Bügelverschluss und bereits nach kurzer Zeit mit allerlei Auszeichnungen und zugehörigen Aufklebern versehen.
Aber schauen wir doch einmal selbst. Hopfen und Lavendel sind als bayrisch deklariert und in den insgesamt 17 Botanicals vertreten, die dem Taube Gin seinen Geschmack verleihen. Das Destillat verströmt einen starken Duft von Zitrusfrucht und kräutriger Frische. Wacholder legt sich über alles und macht Lust auf einen frischen Longdrink. Auf der Zunge dann eine leichte Süße, Wacholder und dezente Fruchtnoten. Der Gin & Tonic ist frisch und auch im Gimlet macht Taube Gin eine ausgesprochen überzeugende Figur. Wenn man ganz ehrlich ist, bekommt man allerdings nicht, was ein anderer Gin nicht auch kann. Wer aber einen Gin mit Lokalkolorit möchte, für den ist Taube Gin eine klare Empfehlung.
Flaschengröße: 500 ml
Alkoholgehalt: 42% Vol.
UVP: 34,90
Vertrieb: Squeaker Drinks
Offenlegung: Die Produkte der MIXOLOGY-Verkostungsrunde werden uns von den Produzent:innen kostenlos zur Verfügung gestellt oder zugesendet. Auf den redaktionellen Inhalt erfolgt keine Einflussnahme, MIXOLOGY erhält darüber hinaus keine Vergütung.
Credits
Foto: Marco Beier