Die MIXOLOGY-Verkostungsrunde Januar 2017
Der Dry Gin der East London Liquor Company verzückt die Redaktion ebenso wie Otto’s Athens Vermouth aus der aktuellen Barmetropole Athen. Aber auch die Traditionsbrenner von Penninger zeigen einmal mehr ihr Können. Außerdem: zwei interessante, aber noch verbesserungswürdige alkoholfreie Optionen.
Neues Jahr, neues Glück! An neuen Bar-Produkten wird, soviel ist sicher, auch 2017 kein Mangel sein. Viel zu vital ist die Szene, viel zu neugierig sind Bartender und Verbraucher gleichermaßen. Hoffen wir auf ein Jahr, das nicht nur aus Gin besteht und uns mit spannenden Bränden und Likören erfreut. Den Anfang macht diese Verkostungsrunde mit Gin, Wermut, Obstgeist und erstmal zwei alkoholfreien Produkten in einer Besprechung.
Black Moon Cold Brew
Cold Brew, also über lange Zeit kalt extrahierter Kaffee, ist die derzeit wichtigste neue Gattung im Kaffeebereich. Die Zubereitungsmethode hat viele Vorteile: Im Gegensatz zur Hitze-Extraktion setzt sie kaum Bitterstoffe frei, was wiederum vielen filigranen Aromen zugute kommt. Gleichzeitig liegt mit der langen Zubereitungsdauer von rund 24 Stunden ein, zumindest abseits spezialisierter Coffee-Shops, für viele Gastronomen strukturelles Problem tief im Mechanismus des Cold Brew verankert. Und obwohl Cold Brew für Bartender eine überaus interessante Zutat darstellt, verzichten viele darauf, da die restliche Mise-en-place bereits genügend Aufwand bedeutet.
Zu den ersten, die hier Abhilfe schaffen wollen, gehört das Berliner Start-up Good Spirits – Cold Brew in Flaschen, also als konstantes und verlässliches Produkt für den Kühlschrank. Den Kern der Black Moon-Range bilden dabei vitalisiertes Wasser und jeweils reinsortige kenianische Kaffees. Der besondere Kick gelangt durch einen kleinen Anteil Süßholz in den Cold Brew, das dem Produkt zusätzliche Tiefe und ein Quäntchen natürliche Süße verleihen soll. Die kleinen, dunkelbraunen Flaschen jedenfalls, soviel steht fest, bringen eine schöne, zeitgemäße Optik mit und dürften sich an vielen Bars nahtlos in den Reigen an Tinkturen einfügen.
Das Aroma des Black Moon, im vorliegenden Fall aus der Sorte Kenya AA gebraut, ist fein, blumig, leicht erdig und von einer klaren Kakaonote dominiert. Am Gaumen überrascht zunächst eine im Vergleich zu frischem Cold Brew immer noch recht prägnante Bitternote, bevor die feinsäuerlichen Noten der AA-Bohne in den Vordergrund treten und das Süßholz seinen Beitrag leisten kann. Gekühlt absolut ein eleganter Ersatz für Mate oder gar die allgegenwärtige Cola. Insgesamt ein schlanker, frischer und sauberer Cold Brew, dem es jedoch nach Ansicht der Runde noch ein klein wenig an Intensität fehlt. Gerade aus Bar-Perspektive, wenn es darum geht, dass das Produkt sich gegen starke Partner wie Spirituosen und Bitters durchzusetzen hat. Dennoch ein guter Anfang, der auf etwas Steigerung hoffen lässt.
200 ml, ca. € 3,30 im Online Shop
Balis Basilikum Ingwer Drink
Die beiden Trend-Dauerbrenner Ingwer und Basilikum finden seit Sommer letzten Jahres nicht nur an zahlreichen Bars, sondern auch im leuchtend grünen Balis zusammen. Eine Limonade soll es sein, die sowohl pur als auch in Gestalt eines Fillers im Highball oder Aperitif Freude macht, allem voran natürlich in krautigen Mule-Variationen.
Farblich kann der „Basilikum-Ingwer-Drink“ natürlich voll überzeugen: Knallgrün leuchtet die Flüssigkeit im Glas, die Farbe kommt dabei nicht nur aus rein natürlicher Quelle, die Rohstoffe für das Produkt werden darüber hinaus auch ausschließlich aus Süddeutschland bezogen, wo Balis hergestellt wird. Leider ist beim ersten Nosing die Basilikumnote derart stark, dass sie nahezu keinen Raum für weitere Nuancen an der Seite lässt – bei aller Kraft und Natürlichkeit des Basilikum ist das ein wenig eindimensional. Im Mund erfreuen sowohl die recht cremige Kohlensäure als auch die zurückhaltende Süßung: Limette und Zucker halten sich die Waage, Balis ist gut ausbalanciert. Parallel dazu vermissen Zunge und Gaumen hingegen etwas mehr herbale Bitterkeit sowie erneut die pikanten Noten vom Ingwer, der allenfalls höchst randständig auftritt. Gerade in Bezug auf das Stichwort „Mule“, mit dem die Hersteller als Einsatz-Drink werben, müsste Balis hier eigentlich mehr Wucht bieten. Nicht schlecht, aber mit Bezug auf die Zutaten noch verbesserungswürdig.
250 ml, ca. € 1,49 bei zahlreichen Fachhändlern sowie Online, z.B. bei Bottleworld
Otto’s Athens Vermouth
Wenn nur eine einzige europäische Bar-Stadt im letzten Jahr wirklich cool war, dann Athen. Keiner kann so genau sagen, wann und warum es losging, aber die Szene der griechischen Hauptstadt verzaubert Barliebhaber und Fachkollegen letzthin nachhaltig. Besonders der Dunstkreis um die beiden befreundeten Bars Baba Au Rum und The Clumsies ist ein Quell an Kreativität: Von dort kam bereits Mitte letzten Jahres mit dem Fine Drinking Magazine ein schönes neues Bar- und Spirituosenmagazin sowie die junge Filler-Firma Three Cents, die mit ihrem Aegean Tonic Water sogleich den Sprung in die Short List bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2017 als Barprodukt des Jahres schaffte.
Eine der zentralen Figuren dieses Zirkels ist der frühere griechische „World Class“-Bartender Vasilis Kyritsis, Mitbetreiber des The Clumsies. Gemeinsam mit mehreren Partnern wurde von ihm kürzlich der Otto’s lanciert, ein süßer Wermut, der Athen nicht nur im Namen, sondern auch in der Flasche tragen soll. Und das tut er: Der überraschend helle, farblich eher in Richtung Rosé deutende Wermut duftet herbal und mediterran nach Minze, Wermutkraut, Rosmarin und Eukalyptus, das alles getragen zudem von einer feinen Note dunkler Kirschkonfitüre. Obwohl die starke, ölige Bindung anderes vermuten lässt, ist der Otto’s überraschend trocken und fährt in Sachen Süße einen deutlich zurückhaltenderen Gang als die typischen italienischen Vertreter der Gattung. Im Mund zeigt er sich körperreich mit deutlichen Anklängen von Lakritz, Wein und Eukalyptus, die Süße ist herrlich sämig und erinnert klar an Honig. Ein spannender roter Wermut, der vielleicht in einigen Drinks wie einem Manhattan zunächst ein wenig nach passenden Partnern suchen muss, der aber im Martinez an der Seite eines Oude Genevers hervorragend funktioniert, weil die krautig-frischen Aromen sich wunderbar ergänzen. Natürlich auch als purer Aperitif oder mit Soda.
Der Vertrieb in Deutschland soll demnächst anlaufen, die Zusammenarbeit mit The Whisky Exchange soll dieser Tage anlaufen, sodass eine Verfügbarkeit hierzulande demnächst sichergestellt sein dürfte.
750 ml, voraussichtlich ca. € 17,-
Penninger Cassis-Geist
Der Traditionsbetrieb aus Hauzenberg nahe der österreichischen Grenze ist im Prinzip über jeden Zweifel erhaben. Herausragende Brände, mit dem Bärwurz und Blutwurz zwei geradezu ikonische Liköre sowie der Granit Gin, der seinerzeit als bester Deutscher Gin im MIXOLOGY TASTE FORUM abschnitt, sogar vor den üblichen großen heimischen Namen.
Bei solch einer Herkunft muss freilich auch der im Cognacfass gereifte Cassis-Geist mit hohen Erwartungen rechnen – der erste Beerengeist überhaupt, wie das Haus verlauten lässt. Nach langer Mazeration wurde in der kleinen Blase destilliert und sechs Monate gereift. Das Ergebnis ist über jeden Zweifel erhaben: Ein komplexes, aber klar strukturiertes Aroma wird getragen durch einen dunklen Cassiston und deutlicher Vanille, die auf das Fass verweist. Darüber erstrecken sich Noten von Trockenfrüchten, allen voran Apfel, aber auch ein Hauch weiterer, frischer Kernfrüchte wie Birne und Quitte. Das Mundgefühl des Geistes ist seidig und fein texturiert, was durch den hohen Extraktgehalt und das Tannin des Holzes hervorragend einbettet. Das lange Finish wird getragen durch zarte Gewürzanklänge von Piment und Nelke sowie etwas Honig. Ein toller Geist, entweder als besonderer Digestif oder aber perfekt geeignet, um Brandy- oder Cognac-Drinks zu variieren. Aber Achtung: Der Geist ist im Handel auf nur 250 Flaschen limitiert, die allerdings zu einem absolut vernünftigen Preis. Also schnell zugreifen!
500 ml, € 27,90 im Online-Shop
East London Liquor Company London Dry Gin
Mit der East London Liquor Company (ELLC) tritt ein junges Unternehmen auf den Plan, das sich zwei Ziele gesetzt hat: Die Wiederbelebung der großen Brenntradition im Londoner Osten einerseits, und das mit transparent produzierten, wertigen Produkten für die Bar andererseits. Elegantes, aber simples Packaging, eine klare Formsprache auf dem Etikett –und Fokus auf den Inhalt. Der frühe Erfolg gibt der Firma um CEO Alex Wolpert Recht, denn sogar hierzulande sind die Produkte bereits vereinzelt in einigen der besten Bars zuhause, obwohl noch gar kein offizieller Import existiert.
Für die Verkostungsrunde kam das Flaggschiff der ELLC auf den Tisch, der klassische London Dry Gin, der auf einer Mischung sieben überaus klassischer Botanicals basiert: Wacholder, Zitrone, Koriander, Kubebenpfeffer und drei weitere Gewürze versprechen typischen Gin-Genuss. Und der Gin aus der farblosen Weinflasche hält Wort. Das Aroma ist zuallererst knackig wacholdrig, mit klar strukturierten Noten von Moos und Pinie, dazu crispe Töne aus Zitrus und Koriander mit erdigen, kernigen Kardamomtönen. Im Mund zeigt sich der Gin von ELLC mit herrlicher Bindung, geradezu sahnig und leicht adstringent, mit ätherischer Frische und einem leicht seifigen Abgang, der abermals auf Koriander weist. Ein unglaublich dichter, charakteristischer London Dry Gin, dessen Intensität und Reichhaltigkeit vor allem mit Blick auf den Alkoholgehalt von „nur“ 40% Vol. verwundern. Wie oben erwähnt, hierzulande noch nicht regulär verfügbar (doch das soll sich demnächst ändern), jedoch zu einem unschlagbaren Preis von knapp 21 britischen Pfund etwa bei The Whisky Exchange problemlos beziehbar. Und damit eine preislich absolut attraktive und (noch) besondere Alternative zu vielen Klassikern wie Tanqueray 10 oder London No.3.
700 ml, ca. £ 20,95
Guts & Glory Distilled Dry Gin
Mo Kabas Bar in Karlsruhe hat seit ihrer Eröffnung im Frühling 2016 einiges an Wellen geschlagen. Eine Nominierung als „Beste Neue Bar des Jahres“ bei den MIXOLOGY BAR AWARDS 2017 war da nur ein Höhepunkt für die stimmungsvolle Trinkstätte aus der Fächerstadt. Klar, dass bei einem so ambitionierten Projekt auch ein eigener Gin aus der Feder des Hausherrn nicht fehlen darf.
Gefertigt wird der Gin in einem nicht ganz üblichen Verfahren: Die Mazerate aus den sechs Botanicals (Wacholder, Koriander, Orangenschalen, Kardamom und zwei „Geheimnisse“) werden einzeln angesetzt und im Anschluss zu einer Cuvée assembliert, weswegen wir es auch mit keinem London Dry Gin zu tun haben. Zu Anfang möchte der „G&G“ vor allem frisch sein, die Zitrusnoten aus Orange und Koriander prägen ganz klar das Profil. Später gesellt sich ein Anklang von weißem Pfeffer hinzu, der Wacholder ist nun zwar in Form leicht harziger Nuancen präsent, aber sehr hintergründig. Diesen Eindruck überträgt der Gin auch auf die Zunge, wo er recht leicht, floral, frisch und süffig, mit einer leichten alkoholischen Süße, daherkommt. Von den Aromen her ein wenig in Richtung „New Western“ angesiedelt, dürfte der Guts & Glory Gin aber doch in vielen Kontexten als ein guter Allrounder einsetzbar sein, besonders wegen der prägnanten Zitrusfrucht. Durchaus eine Bereicherung!
500 ml, ca. € 30,-
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Credits
Foto: Foto via Sarah Liewehr