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Himmel und Geist: Die zehn besten Brenner 2016

Es lebe die Vielfalt in und an den Brennblasen! Zehn Destilliermeister haben wir Ende des Jahres nochmal genauer unter die Lupe genommen. Sie holen von A wie Apfel bis Z wie Zwetschge das Feinste raus, was es an Bränden, Geisten und Likören so gibt. Und sorgen dafür, dass auch im nächsten Jahr noch mehr Brände in unseren Cocktails landen werden.

Ja, man könnte sie machen: Die Vorausschau, dass 2017 das Jahr des Obstbrandes wird – schon wieder. Man kann es aber auch bei der Feststellung belassen, dass es nicht immer die große Prognose sein muss. Weil die Realität sie schon eingeholt hat. Weil es keine großen Fragezeichen mehr hervorruft, wenn man auf die Frage nach einem erfrischenden Highball einen Quittenbrand-Tonic vorgesetzt bekommt.

Die Schotten haben Whisky, Mexiko hat Tequila und Mezcal. Der Obstbrand ist eine GSA-Domäne. So ist es, so war es immer – so war es nur nicht immer hinter dem Tresen. Im Zusammenspiel Bar und Brenner haben sich Grenzen jedoch verschoben, und sie tun es weiter. Deswegen an dieser Stelle zehn Brenner, die in relativ kleinen Dimensionen mit hohem Anspruch an den Rohstoff große Destillate schaffen. Ohne Ranking und Anspruch auf Vollständigkeit, denn es gibt noch sehr viel mehr, die tolle Arbeit leisten. Spoiler: Natürlich wäre auch Christoph Keller mit seiner Stählemühle in dieser Aufzählung, aber der Meister aus dem Schwarzwald wird in naher Zukunft seine Eau-de-Vie-Anlage für kommerzielle Zwecke schließen.

Gerhard Liebl, Brennerei Liebl

Es gibt nicht viele Häuser in Deutschland, auf denen groß die Titulierung „Bärwurzerei“ prangt. Auf Gerhard Liebls Bleibe in Bad Kötzting tut es das. Ab 1970 wurden Bärwurz, Böhmischer Wind, Höllensteiner und Latschenwacholder produziert, 1991 wurde der Betrieb durch eine moderne Brennerei erweitert. Von dort aus setzt die Familie Liebl von einem Siegeszug zum nächsten an, und das mitnichten nur mit Bärwurzbränden. Bei der Destillata 2016 in Graz wurde Liebl zum „Edelbrenner des Jahres“ gewählt, bei den World Spirits Awards 2016 gab es Doppelgold für den Blutorangenbrand sowie Gold für die Brände Mandarine, Williamsbirne, Bergkirsche, Quitte sowie den Vogelbeere Zigarrenbrand. 2009 wurde mit dem Coillmór Whisky der erste Single Malt abgefüllt.

Georg Hiebl, Hiebl Destillerie

Hiebl reimt sich auf Liebl, und auch brenntechnisch stehen sich die beiden um nichts nach – wie Hiebls zweiter Platz auf der Destillata 2016 beweist. Nicht wenigen gilt der Brenner aus dem Mostviertel als die feinste Schnapsnase Österreichs. Auf seinem über 300 Jahre alten Vierkanthof brennt er alles, was nicht bei drei auf dem Baum ist (bzw. oder davon herunterfällt). Kern- und Steinobst, Trauben, Gemüse, Südfrüchte und Getreide stehen ebenso auf dem Programm wie Bierbrände oder mit dem George No 1 ein Produkt in Tradition eines Bourbons. Seine Finesse bringt er auch in das neue Freimeisterkollektiv ein, der dabei entstandene Amaranth hat die MIXOLOGY-Verkostungsrunde (https://mixology.eu/mixology-verkostungsrunde-dezember-2016) bereits aufs Höchste erfreut.

Hans Reisetbauer, Reisetbauer

Hans Reisetbauer brachte mit seinem Blue Gin – Initialzündung war ein Besuch Mitte der 2000er Jahre im New Yorker Pegu Club von Audrey Saunders – bereits einen Gin auf den Markt, als ein Boom noch lange nicht abzusehen war. Man bekommt diesen im Amsterdamer Door 74 bis zur Zürcher Kronenhalle, aber groß an die Glocke gehängt hat das der oberösterreichische Brenner nicht – wie die Portraits der Kollegen Klimek und Orschiedt des Pfundskerls Reisetbauer eindrucksvoll darlegen. Vielmehr brennt er von A wie Apfel bis Z wie Zwetschge feinste Brände, in dem er nach temperaturkontrollierten Gärprozessen die Maische nach traditioneller Methode doppelt in einer von ihm entwickelten Brennanlage brennt.

Josef Schätzl, Schätzlhof

Dass sich moderne Website und hochqualitative Spirituosen durchaus immer noch ausschließen, kann man beim virtuellen Besuch des Schätzlhof von Josef Schätzl erfahren. Wenig darauf würde einen animieren, den nächsten Weg in die Bar antreten zu lassen. Da schreit einem eher die Kombination aus Pension und Trachtenweste aus dem Bayrischen Wald entgegen, aber vielleicht tut es das nicht von ungefähr: Seniorchef Josef Schätzl teilt sein Wissen über seine fruchtigen Obstbrände, Geiste und Liköre gerne bei einer Brennereiführung mit, und die macht sicher Spaß. Müsste man so etwas wie einen Geheimtipp nehmen, der im nächsten Jahr die (Home)Bar aufpeppen soll – dann wären das Josef Schätzl und seine Fruchtliköre!

Felix Georg Kaltenthaler, Revolte Rum

Als Geheimtip galt und gilt wohl immer noch Revolte Rum, das Produkt und Projekt des Jungbrenners Felix Georg Kaltenthaler, das die Barwelt seit 2015 entzückt. Allzu überraschend war der Weg des Rum-Revoluzzers vielleicht nicht. Seinem Onkel gehört die Destille Kaltenthaler (wo er auch gelernt hat), seine Eltern sind Winzer – praktisch, kommt doch die Hefe zum Vergären der Melasse, die wiederum aus Papua-Neuguinea stammt, vom Weingut seines Vaters. Wo sieht er seinen Revolte Rum selbst am liebsten verarbeitet? „In einem klassischen Daiquiri“, so der sympathische 24-jährige, der offen zugibt, dass er sich vor seinem kleinen Geniestreich gar nicht so viel in der gehobenen Barszene herumgetrieben hat. Mit dem Revolte Overproof hat er kürzlich nachgelegt, überdies ist für 2017 die erste gereifte Abfüllung angekündigt.

Franz von Stauffenberg, Stauffenberg Edelbrand

Wie schreibt man eine Geschichte über den Künstler und Spirituosenhersteller Franz von Stauffenberg, ohne zu erwähnen, dass sein Großonkel der Hitler-Attentäter Claus Schenk Graf von Stauffenberg war? Keine Ahnung, es hat noch niemand getan. Nun, da dies vom Tisch ist, kann man sich den Spirituosen zuwenden, mit dem Franz von Stauffenberg die seit dem 18. Jahrhundert im Familienbesitz befindliche Destille in Süddeutschland in die Gegenwart gebracht hat. In bester Autodidakten-Manier hat der Konzeptkünstler 2008 seinen ersten Fruchtbrand hergestellt, das bekannteste Produkt ist mit Sicherheit der Stauffenberg Dry Gin, bei dem zu Beginn Gewürze wie Nelke und Koriander dominieren, bevor der Nachhall zu Zitrusaromen und Lavendel übergleitet. Beeindruckend auch: die neue gereifte Abfüllung des Gins sowie der Sloe Gin.

Gerald Schroff, Preussische Spirituosenmanufaktur

Der Ursprung liegt im Jahre 1874 – da wurde die „Kaiserliche Versuchs- und Lehranstalt für Spiritusfabrikation“ gegründet – aber auch irgendwie im Jahre 2005: Da fahren sich Gerald Schroff und Dr. Ulf Stahl beim Skifahren gegenseitig in die Latten. Abends treffen sich die beiden an dem Tresen wieder, an dem Schroff arbeitet – es ist der Beginn einer wunderbaren Freundschaft, die in der Wiederaufbereitung der schlummernden Destillerie im Berliner Stadtteil Wedding gipfelt. Schroff verlässt die Berge und setzt in Zusammenarbeit mit dem Mikrobiologen Stahl seither unermüdlich Produkte mit hohem Maßstab in die Welt. Neben den Flaggschiffen Adler Gin und Adler Vodka sind es Kümmel, Klare, Kräuterbitter, Geiste und Brände sowie eine Menge interessanter Liköre.

Florian Faude, faude feine brände

Keine Liste ohne „Junge Wilde“, und in diese Kategorie zählt sicher Florian Faude, der von Bötzingen am Kaiserstuhl aus mittlerweile viele Bars mit seinen mal traditionellen, mal experimentellen Bränden entzückt. Nicht von ungefähr war er bei der Made in GSA Competition in den letzten drei Jahren jeweils mit einer Zutat am Siegertreppchen vertreten. 2014 mit seinem Rhabarberlikör, 2015 mit dem Fichtensprossengeist und 2016 schließlich mit seinem ausgezeichneten Rote Beete-Geist in Matthias Ingelmanns Gewinnercocktail (in dem übrigens auch der Revolte Rum seines Freundes Kaltenthaler Verwendung fand). Dass hier natürlich auch munter im Fass gelagert wird, wie der im Cognacfass gelagerter Zwetschgenbrand beweist, versteht sich von selbst.

Josef Farthofer, Destillerie Farthofer

Und wir springen wieder ins österreichische Mostviertel, wo die Birnen und Äpfel so wunderbar an den geschwungenen Hügeln kleben wie kaum sonstwo, in diesem Fall neben der allseits bekannten Williams- auch Speckbirne, Rote Pichlbirne, oder Kongressbirne. Aber Birnen sind nur ein Teil des Sortiments des leidenschaftlichen Brenners Josef Farthofer, der 2003 die Abfindungsbrennerei seiner Eltern in eine Vollverschlussbrennerei übergeführt hat. Etwa 30 Edelbrände, abhängig von Jahrgang und Verfügbarkeit, kommen aus seinem Haus, in dem eine im Brennuniversum alles andere als seltene Weisheit am Werk ist: Hinter jedem starken Schnaps steckt auch eine starke Frau. In diesem Fall Doris Farthofer, ausgebildete Most- und Edelbrandsommelière.

Fridolin Baumgartner, Hausbrennerei Baumgartner

Wer nach ganz besonderen Kirschdestillaten sucht, der sollte bei Fridolin Baumgartner am Kaiserstuhl vorbeischauen. Und froh sein, dass für den gelernten Bürokaufmann „Büro nicht so mein Ding“ war. Denn diese Einsicht führte zum Einstieg in die elterliche Landwirtschaft und den Umbau einer Scheune in eine Brennerei. Sein erstes Produkt war 1983 ein Tresterbrand, und was seither alles an tollen Destillaten dazugekommen ist, lässt sich nicht in diese Liste packen. Aber eben Kirschen: Die baut Baumgartner selbst an, nicht von ungefähr bezeichnet er das intensive Kirscharoma mit Schokoladennoten seines Kirschwassers als Spezialität des Hauses. Und das sollte man ihm auch glauben.

 

Mit besonderem Dank an Oliver Ebert.

Credits

Foto: Bild via Shutterstock.

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