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Girls, Gerste und Gabeln im Dolden Mädel

Das war nötig: Eine Bar mit herrlicher Bier-Auswahl, die sich aber nicht nur an den Craft-Nerd, sondern an jeden neugierigen Genuss-Suchenden wendet. Dazu kommen überzeugende Speisen. Peter Eichhorn hat sich bei den „Mädels“ umgesehen. Sicher nicht zum letzten Mal.

Nur weibliche Hopfen sind für die Bierherstellung geeignet. Die männlichen taugen nichts. Daher liegt es auf der Hand, der bierigen Weiblichkeit zu huldigen und entsprechende Lokale mit einem folgerichtigen Namen zu versehen. In Hamburg begeistert schon seit Längerem das Bier-Gasthaus „Altes Mädchen“ mit Brauspezialitäten und passender Küche. In Berlin belebt nun das „Dolden Mädel“ den Bergmannkiez zu Füßen des Kreuzbergs.

Schwierig, gute Lage

Das prominente, dreieckige Grundstück schien allerdings lange mit einer schwierigen Aura für Gastronomieprojekte versehen zu sein: Weder das langweilige „Kaiserstein“, noch das unterkühlte „Ø“ vermochten an gleicher Stelle, die Gästescharen heranzulocken. Wie sieht es mit dem Dolden Mädel aus?

Über die winterlich-verwaiste Terrasse geht es in das warme Licht des vorderen Gastraumes und mitten hinein ins fröhliche Gewusel an den dicht besetzten Tischen und Tresen. Angenehmes Licht und warme Holztöne empfangen den Besucher und leiten ihn an den zentralen Tresenblock, der schräg im Raum steht. Auf den umgebenden Barhockern oder auf der erhöhten Empore an den Tischen lassen sich die Gäste nieder, um die Brauwaren zu studieren oder die begleitenden Speisen in Erwägung zu ziehen. Ein hinterer Raum strahlt beinahe einen gotischen Kathedralencharakter aus und eignet sich auch für größere Gruppen sehr gut.

Die Auswahl macht’s

Solide geschultes Personal vermag allen Gästen ihr passendes Bier zu empfehlen, sei es den Craft-Neulingen oder den fortgeschrittene Bierfachkundigen. Die Nordmann-Gruppe steckt als Ideen- und Geldgeber hinter dem Gastronomiekonzept und so darf es nicht überraschen, dass die Ratsherrn-Biere aus Hamburg das Kernsortiment bilden, bestellbar unter anderem auch als „Volles Brett“ aus fünf Probiergläsern mit 0,1 Liter-Portiönchen mit dem Ratsherrn-Portfolio zu 5,90 Euro. Aber auch Biere von Berliner Brauereien kommen zuweilen an die Hähne, die immer wieder wechselnde Gebräue von sich geben. Beispielsweise von Berliner Berg, Berliner Bierfabrik oder Brlo. Aktuelles Highlight ist sicher das Steam Beer von Anchor Brewing aus San Francisco, das man hierzulande eher selten vom Hahn serviert bekommt.

Zudem ergänzt ein opulentes Flaschensortiment das flüssige Angebot und an die 80 Flaschen verwöhnen die Gaumen, die nach Porter, IPA, Böcken oder Trappistenbieren lechzen. Ab und an lohnt sich ein Blick auf die Preisgestaltung, die nicht immer unmittelbar einleuchtet. Das schmackhafte Ratsherrn-Rotbier schlägt gezapft für 0,3 Liter mit 3,10 Euro zu Buche, während das Holy Shit Ale von Schoppe Bräu mit 7,90 Euro für die 0,33 Flasche doch ein wenig zu gehörig den Geldbeutel beansprucht.

Nicht nur Bier: Die Küche lohnt sich!

Unbedingt sollten die Speisen bei einem Besuch in Erwägung gezogen werden. Die Gerichte und Zutaten sind hochwertig und regional inspiriert. Und natürlich herrlich kombinierbar mit den Gerstensäften des Hauses. Deftige Bio-Pastrami vom Freilandrind zu 10,90 Euro oder feine Fish & Chips zu 11,50 Euro entwickeln sich bereits zu Klassikern. Vor allem die Chips sind herrlich. Aber auch eine geschmorte Keule vom Jungbullen (15,50 Euro) oder ein Schnitzel vom Sattelschwein (13,50 Euro) bieten ein ausgezeichnetes Preis-Genuss-Verhältnis. Natürlich gibt es auch Burger und selbstverständlich ist in diesen Tagen auf der Achse Kreuzberg-Mitte-Prenzlauer Berg ein Futterangebot in vegan zwangsläufig und unvermeidbar. An Wochentagen ist die Küche leider nur bis 22 Uhr geöffnet, was für Berliner Verhältnisse beinahe dörflich anmutet. Freitag und Samstag harrt die Küchencrew dann wacker bis 23 Uhr aus. Danach sind für den späten Hunger gegebenenfalls noch die schmackhaften Stullen mit abwechslungsreichen Aufstrichen und Auflagen verhandelbar und kosten um die 7 Euro.

Die Bier-Cocktails wurden nicht verkostet, dafür ist der Autor dieser Zeilen bei Bier doch zu gerne als Purist unterwegs. Aber wer es mag, läßt sich womöglich durch einen „Raperol“ (Ratsherrn Pale Ale und Aperol) oder „Braumeisters Liebling“ (Pale Ale, Grand Marnier, Maracujasaft, Holundersirup) verlocken.

Das Dolden Mädel ist eine großartige Bereicherung der Bier- und Genusskultur der Hauptstadt. Es ist keine Bierbar für Craft-Fanatiker, es ist einfach ein sehr entspanntes und herrlich geselliges Wirtshaus mit vorzüglicher Bierauswahl. Mancher Gast trifft hier sicherlich erstmalig auf ein IPA, während erfahrene Brauspezialisten sich über die 1,5 LiterMagnumflasche mit Chimay Bleu freuen. Für jeden ist etwas dabei und die Bier-Arroganz der Hardcore-Nerds hat hier Hausverbot. Ein Ort für die unterschiedlichsten Leute und die vielfältigsten Anlässe. Hier kann der Kreuzberg-Hipster auch mit seiner Oma einkehren. Gut so.

Credits

Foto: Alle Bilder via Dolden Mädel.

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