Dominik Oswald im Porträt: Wie der Nachdenkliche zum Oberst wurde
Statt der Beförderung gab es von der Chefin einen Spitznamen – Dominik Oswald, wettbewerbsstarker Austro-Bartender, ist seitdem untrennbar mit Sigrid Schots Hammond Bar in Wien verbunden. Ein Gespräch über fußläufige Arbeitswege und Bar-Wettbewerbe.
„Wer ist der Dominik?“, fragte letztens Bar-Kollege Thomas Lang („The Bank“ im Park Hyatt) im vollen Ernst. Denn für die Wiener Szene ist Dominik Oswald einfach „der Oberst“. Die besondere Ironie daran liegt im gänzlich unmilitärischen Auftreten des feingliedrigen 26-Jährigen. Nach wie vor dringt „Hammond“-Chefin Sigrid Schot auch nicht mit ihrer Anregung bei ihm durch, sich doch einen der bei Bundesheer und Exekutive beliebten Schnauzer stehen zu lassen. Der Oberst sieht also nicht aus wie einer.
Dominik Oswald: Der Nachdenkliche zwischen den Rampensäuen
Das passt zum Standort der Hammond Bar in der Leopoldstadt, der „Mazzes-Insel“ der alten K.u.k. Hauptstadt, einem traditionellen Wohn- und Geschäftsviertel des jüdischen Wien. Humor wurde hier schon immer gepflogen, speziell der sprachspielerische. Ein Hungerkünstler ist eben nicht „spindeldürr“, sondern „zwirnblad“ (in etwa: bindfaden-dick). Auch die beliebtesten Trinkstätten, das „Beisl“ und das „Tschecherl“, haben in Wien jiddische Namenswurzeln. Der Spitzname von Dominik Oswald wiederum verdankt sich dem feinen Humor seiner Chefin. „Als er einst glaubte, schon viel zu können und reif für eine Beförderung zu sein“, erzählt Sigrid Schot die Etymologie nach, „gab es nicht mehr Geld, dafür die Beförderung zum Oberst“.
Doch die Chefin gab ihm viel mehr mit auf die Barkarriere, setzt Oswald mit gebotenem Ernst nach. Immerhin findet unser Gespräch wenige Tage nach dem 2019er-Finale der „World Class“ statt, bei der er sich nur hauchdünn Dave Saremba („Liquid Diary“, Innsbruck) geschlagen geben musste. Der Weg in solche Profi-Rangeleien unter Cocktail-Rampensäuen war dem Wiener nicht vorgezeichnet. Denn der Oberst ist ein ruhiger Typ, kein Kasernenhof-Schreier.
Metamorphose: Als Stammgast ins Service
Ausgebildet wurde der im Zweiten Bezirk aufgewachsene Gymnasiast zunächst im „Sofitel“, dem modernen Eingangstor zur alten Mazzes-Insel. „Ich wollte nicht studieren“, war für Oswald klar. Das Ende der Ausbildung als Restaurantfachmann stellte dann die entscheidende Frage dar: Restaurant oder Bar? Ein Angebot der „Blauen Bar“ im legendären Hotel Sacher führte die beruflichen Schritte erstmals außerhalb den Zweiten Bezirks. Parallel saß Oswald bei seinem geliebten Amaretto Sour in der Hammond Bar. Schon damals mixte dort Sigi Schot, wenn auch noch nicht als Eigentümerin, und hier erkannte der Stammgast, „wie eine Bar funktionieren soll“. Logisch, dass auch seine Nachfrage nach einem Wechsel aus dem „Sacher“ im Spätsommer 2015 bei der smarten Barchefin deponiert wurde. Allerdings kam statt einer Weiterempfehlung ein Angebot.
Der Rest ist Wiener Bar-Zeitgeschichte. Das vierköpfige Team der Hammond lebt heute von den Kabbeleien zwischen Chefin Sigrid und dem Oberst. Beide haben „Chuzpe“, würden die alten Textilhändler in der Taborstraße sagen. Dabei begann Dominik Oswald, seinem Naturell gemäß, eher schüchtern. Demut vor der Bar verhinderte lange, dass er aus dem Service hinter den Tresen wechselte. „Meine Kollegen haben mich endlich überredet, sonst könnte ich ja gleich in einem Restaurant arbeiten.“ Das Argument zog. Und es wurde Zeit für die Ausbildung, Marke Schot. Nicht erst seit ihrem Sieg bei Bombay Sapphires globalem Wettbewerb 2015 gilt sie als Meisterin der Drink-Präsentation. Für das gesteigerte Selbstbewusstsein am Gast schickte „Sigi“ Schot den Oberst gleich einmal vor den Spiegel, um shaken und dabei lächeln zu lernen.
Befehl an den Oberst: Lernen Sie Geschichte!
Eine Leseliste der Bar-Klassiker und einzelne Cocktail-Klassiker als Hausaufgabe gehörten rückblickend ebenso zum Ausbildungsprogramm der Chefin wie ein eigenes „Lernheft“. Wie funktioniert Tiki? Was macht die Klassiker aus New Orleans aus? Solche Fragen wurden wie Bereichsarbeiten behandelt – praktischer Prüfungsteil in der Kleinen Pfarrgasse inklusive! Der Erfolg gab ihr recht. „Zu den besten Zeiten waren es acht oder neun Wettbewerbe im Jahr“, an denen Oswald teilnahm, in nicht wenig Fällen kam er ins Finale, seit er bei Beefeater in Frankfurt erstmals sein Talent für Competitions erprobte.
Es dauerte allerdings, bis der „zurückhaltende Typ“ (Oswald über Oswald) die Ruhe gefunden hatte und nicht nervös vor dem Wettbewerb war. Das Weltfinale von Courvoisier (2017), aber vor allem das Linie-Aquavit-Finale in Oslo 2018 ließen den Knopf aufgehen – der Perfektionist aus Wien 2 war mit seiner Performance zufrieden. Bei der „World Class“ sei er in diesem Jahr entsprechend explodiert im Finale der besten Drei. „Da kamen schon Rückmeldungen wie ‘So kennen wir Dich gar nicht’“.
Seinen Platz hatte der Oberst nach vier Jahre in der Hammond längst gefunden. Nun aber auch seinen persönlichen Stil. Kommt die Rede auf beeindruckende Bar-Persönlichkeiten, die seinen Weg kreuzten, dann nennt Oswald vor allem zwei. „Rémy Savage und der Minimalismus, der seine Drinks prägt“, ist einer dieser Säulenheiligen. Beim zweiten, Mo Kaba in Karlsruhe, durfte er im Guts & Glory sogar eine Woche mitarbeiten: „Eine von Natur aus so freundliche Persönlichkeit ist selten“, sieht er den Deutschen als perfekten Gastgeber. Allerdings habe das „Praktikum“, wie es der stets wissbegierige Oberst nennt, auch seinen Blick für die Arbeit mit Zentrifugen geschärft.
Hammond Bar
Der Nachbar von der „Neighbourhood bar“
Ungewöhnlich wie das nahezu japanische Verhältnis zwischen Meister(in) und Schüler ist auch die Ortsfestigkeit Oswalds. Mit Ausnahme der Monate im „Sacher“ befanden sich alle Wirkungsstätten bisher im Zweiten Bezirk – und damit fußläufig von der Bartender-Wohnung entfernt. „Das hat natürlich Vorteile. Aber du bleibst auch immer auf einen Kaffee und eine Zigarette in der Bar, wenn du eigentlich nur in die Stadt wolltest.“ Doch nicht nur Leopoldstädter Mixologen genießen die Nähe zu Lady Hammond. „60 bis 70 Prozent sind bei uns Stammgäste“, schätzt der Oberst. „Das ist sicher anders als in der City.“ Man kenne die Trink-Gewohnheiten der Habitués, bei neuen Kreationen gibt es auch sofort Feedback aus dem „Wohnzimmer“.
Wenn man wisse, „wie jemand seinen Whiskey Sour mag und wer auf Basil-Smash-Shots steht, hilft das auch bei Empfehlungen“. Neue Spirituosen und Aromen sind schließlich ein Steckenpferd Oswalds. Aquavit etwa hat fernab von der Baltischen See auch hier eine Heimstatt gefunden – und natürlich experimentiert er bereits mit Baijiu von Ming River.
Ungelernt? Ich wollte das immer so!
Mit einer stetigen Klientel merkt man abseits der von Touristen frequentierten Wiener City auch, wie sich der Stellenwert der Bar ändert. „Wenn ein Gast glaubt, du hast nichts gelernt und musst deshalb Bartender sein“, schmerzt es vor allem einen, der geradlinig dem Pfad seiner Leidenschaft gefolgt ist. Doch der Nachsatz ist entscheidend: „Bei den Jungen merkt man ein Umdenken.“ Große Drinks seien wie Lieblingsgerichte – und man mag jene, die sie einem verabreichen.
Das Fünf-Jahres-Jubiläum, das kommendes Jahr ansteht, will der 26-Jährige in der Hammond feiern, gerne auch das Zehnjährige. Irgendwann kann es in die Selbständigkeit gehen, will der Wiener nichts forcieren. Klar ist nur: Es wird kein Restaurant sein, sondern eine Bar – „und das nicht in Wien, sondern im Westen“. Klingt nach Strategie. Vielleicht steckt ja doch ein Touch Militär im Oberst?
Credits
Foto: Hammond Bar