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Saison im Glas | Verjus & Cordial | Die Kornelkirsche

Die Saison im Glas mit Ruben Neideck: Die Kornelkirsche und -blüte

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ie Kornelkirsche ist die erste Blüte im Jahr, die für die Verarbeitung geeignet ist. Im zweiten Teil seiner Serie “Die Saison im Glas” erklärt Ruben Neideck, wo man die Pflanze findet – und wie man daraus Cordial, Verjus oder Olivenersatz machen kann.

Ein ungewöhnlich früher Einzug von Wärme in diesem Jahr mag Sorgen um den Klimawandel befeuern. Die saisonale Küche und Bar allerdings darf sich dadurch noch zeitiger im März auf die ersten Boten des Frühlings freuen.

Es lassen sich Nelkenwurz und Gundermann sammeln, der Wunder-Lauch streckt seine ersten mit Bärlaucharoma behafteten Triebe durch das langsam kompostierende Winterlaub. Und auf dem Weg durch Stadt und Wald blüht ein Strauch noch blätterlos bereits in sattem Gelb: die Kornelkirsche.

»Die in Österreich als Dirndl bekannte Kornelkirsche (Cornus mas) blüht – noch weit vor anderen essbaren Blüten wie der Magnolie oder der Kirschblüte – je nach jahresbedingtem Klima teils schon Ende Februar.«

Kornelkirsche, das Dirndl

Die in Österreich als Dirndl bekannte Kornelkirsche (Cornus mas) blüht – noch weit vor anderen essbaren Blüten wie der Magnolie oder der Kirschblüte – je nach jahresbedingtem Klima teils schon Ende Februar.

Mit „gewöhnlichen“ Kirschsorten hat die Kornelkirsche botanisch wenig gemein. Sie gehört nicht wie die Kirsche zu den Rosengewächsen, sondern zu den Hartriegelgewächsen. Hart, weil aus ihrem Holz sehr robuste Spazierstöcke oder Speere gefertigt werden können bzw. wurden.

Auch geschmacklich besteht quasi keine Ähnlichkeit zur Kirsche. Während der Bestand in Wildbahn nicht allzu groß ist, ist der Strauch in der Stadt sehr häufig zu finden, da die Kornelkirsche gerne als Zierstrauch gepflanzt wird.

»Es lohnt sich im März in der Stadt und Natur Ausschau zu halten nach Gewächsen…«

Ruben Neideck sammelt die Kornelkirschblüte in der Neuköllner Nachbarschaft

Die Regeln des Wildsammelns

Die Kornelkirsche liefert also eine der ersten – wenn nicht die erste – Blüte im saisonalen Jahreskalender, die für die Verarbeitung geeignet ist. Nun muss der/die saisonale Bartender*in für die Verarbeitung der Blüten selbst sammelnd tätig werden.

Es lohnt sich jetzt im März in der Stadt und der Natur Ausschau zu halten nach strauch- bis baumartigen Gewächsen ganz ohne Blätter, aber mit vielen satten, gelben Blüten. Der Strauch kann durch Rückschnitt auf Halbstamm „erzogen“ werden, tritt also in Städten nicht nur in Strauch- sondern auch Baumform auf. Wenn die Pflanze eindeutig identifiziert ist, so lässt sich die Stelle gut für die Reife der Früchte zum Sommerende merken. Oder es kann sich gleich an das Sammeln der Blüte gemacht werden.

Ein paar grundsätzliche Worte zum Wildsammeln: Das Wildsammeln von Pflanzenteilen sollte sich immer über mehrere Pflanzen an verschiedenen Standorten verteilen, um nicht einzelnen Pflanzen bzw. Beständen oder gar einem kleinen Ökosystemen zu viel Schaden zuzufügen. Es sollten immer mindestens 20 Meter Abstand bis zur nächsten befahrenen Straße sein.

Apps nur unterstützend verwenden

Nichts, was nicht eindeutig identifiziert wurde, gehört schon während wie auch nach dem Sammeln in den eigenen Mund – oder den Mund anderer. Der Besitzer des Grundstücks, ob in öffentlicher Hand oder privat, auf dem sich die Pflanzen befinden, sollte immer um Erlaubnis für das Sammeln gebeten werden.

Beim Sammeln in der Stadt empfiehlt Victoria Lorenz von Vildvuchs besonders Friedhöfe, da dort keine Hunde erlaubt sind. Ein oder mehrere Bücher zur Identifikation essbarer Wildpflanzen mit gut abdeckenden Informationen über typische Giftpflanzen und deren Verwechslungsgefahr gehört ins Heimregal. „Apps sollten nur unterstützend, aber nicht als Hauptidentifizierungstool genutzt werden“, meint Jonathan Hamnett, Wildsammelexperte bei Grunewald Foraging.

Um Pflanzenstandorte in der Umgebung zu finden, lohnt sich ein Besuch der interaktiven Open Street Map von mundraub.org. Blüten haben ihre beste aromatische Qualität generell früh am Tage, nach einer trockenen Nacht. Regen wäscht vorher konzentriertes Aroma ab – dementsprechend sollten Blüten vor Verarbeitung auch nicht gewaschen werden.

»Beim Sammeln der Kornelkirschblüte sollte die Blüte bereits so weit geöffnet sein, dass die Staubblätter mit den Pollen zu sehen sind.«

Bei Verarbeitung: Kaltextraktion auf Wasserbasis

Beim Sammeln der Kornelkirschblüte sollte die Blüte bereits so weit geöffnet sein, dass die Staubblätter mit den Pollen zu sehen sind. Im Fall der Kornelkirschblüte entfalten sich die Aromen am besten bei Kaltextraktion auf Wasserbasis. Heiße sowie alkoholische Extraktion führen bei der Kornelkirschblüte zu präsenten Bitterstoffen mit einem nahezu fischigen Aroma.

Der resultierende Cordial ist buttrig bis maritim, fruchtig-birnig und leicht mandelig-bitter. Die satte Farbe wird dabei über eine kleine Beigabe zusätzlicher, alkoholischer Extraktion beigesteuert. Wem die fischige Beinote durch alkoholische Extraktion allerdings nicht koscher ist, der/die kann gut auf die Farbzugabe verzichten. Zwei zugegebene Säuren im Cordialrezept sorgen im Fall der Zitronensäure für eine bereits vorhandene Süße-Säure-Balance, die Ascorbinsäure schützt zusätzlich vor Geschmacks- und Farbveränderung durch Oxidation.

Early Bird der Saison-im-Glas-Verarbeitung

Damit kein Missverständnis entsteht: Die Kornelkirschblüte ist keine geschmackstechnische Wunderzutat, sondern vor allem wegen ihrer frühen Verfügbarkeit spannend. Wenn dieser Artikel zu seiner Erscheinung gelesen wird, dann ist bereits Eile geboten, bevor alle Kornelkirschblüten verblüht sind.

Nochmal: Die Kornelkirsche ist keine Kirsche

Spannend ist natürlich auch die Frucht des Kornelkirschstrauchs. Sie reift zum Sommerende im August/September am Ast heran, bleibt aber bis zur vollen Reife am Ast stets unreif und sehr sauer – das verlässliche Zeichen für die Reife ist neben tiefdunkelroter Farbe dann das eigenständige Herabfallen.

Der Kern der Frucht ist eine Nummer für sich. Geröstet wie auch ungeröstet verleiht er ein verblüffend intensives Vanillearoma. So war das Mehl aus gerösteten „Dirndl“-Kernen bis ins 20. Jahrhundert eine beliebte Beigabe zu Wiener Kaffeemischungen. Bei der Verarbeitung der Frucht lässt sich daher entweder der Sisyphos-Arbeit des mühsamen Entkernens nachgehen – oder der Kern wird gleich einfach für das Vanillearoma mitverarbeitet.

Zur Frage nach der (giftigen) Blausäure, die zumindest beim echten Kirschkern berechtigt ist: Die Kornelkirsche ist nicht näher mit Stein- bzw. Kernobstgewächsen wie der Kirsche verwandt, und dem Autor liegt keine einzige, verlässliche Quelle über einen tatsächlich existenten Blausäure- bzw. Amygdalingehalt von Kornelkirschkernen vor. Es genügt schon kurzes Erhitzen, um gegebenenfalls vorhandene Blausäure zu verflüchtigen. Abseits dessen fallen die konsumierten Mengen eines Sirups/Verjus sehr gering aus. Endlich kein Grund zur Panik.

Auch unreif für die Verarbeitung spannend

Für den/die saisonale*n Bartender*in lohnt es sich, reife Früchte direkt von landwirtschaftlichen Betrieben zu beziehen. Dort kann für die Ernte einfach eine Folie zum Auffangen der selbstständig herabfallenden, reifen Früchte unter den Baum gespannt werden. Die reife Frucht hat je nach Sorte einen Zuckeranteil von ca. 10% und wird abseits dessen geschmacklich von Säure dominiert.

Eigenhändig vom Baum gesammelte Kornelkirschen sind normalerweise eher unreif. Doch auch die unreife Frucht ist spannend. Hohe Konzentrationen von einem Gemisch aus vornehmlich Apfelsäure, Zitronensäure und Vitamin C bescheren dem intensiv-rötlichen Saft aus unreif geernteten Kornelkirschen einen pH Wert, der mit 2,4 so niedrig wie der von Zitronensaft ausfallen kann.

Der folgende Kornelkirschverjus (saurer Saft unreifer Früchte, traditionell aus unreifen Trauben gewonnen) macht sich sowohl die Säure als auch die kräftige Farbe der unreifen, roten Frucht zu eigen und schmeckt gleichzeitig dank Kernverarbeitung intensiv nach Vanille. Unser Team im stark saisonal arbeitenden Velvet empfindet es als einen der spannendsten Verjus aus unreifen Früchten überhaupt.

Kornelkirschverjus

Zutaten

1000 g Kornelkirschen, unreif im rotfarbenen Stadium vom Strauch gesammelt (z.B. im September)
Ergibt ca. 50 cl Verjus

Zubereitung

  1. Kornelkirschen waschen und dann mit Kern im Blender auf höchster Stufe pürieren.
  2. Püree einfrieren.
  3. Am nächsten Tag den gefrorenen Püreeblock bei Raumtemperatur in ein Passiertuch hängen, so dass der dadurch geklärte Verjus über den Tauprozess hinweg in ein Auffangbehältnis tropfen kann.
  4. In Flaschen abfüllen. Gekühlt lagern und innerhalb von einem Monat verbrauchen.

Für längere Haltbarkeit pasteurisieren.

Kornelkirsche Berlin
Kornelkirschverjus

Zum Schluss: Olivenersatz aus unreifen Kornelkirschen

Dank Form, Optik, Stein und Säure lässt sich aus eher grünen, unreifen Kornelkirschen durch Auslaugung in gesättigter Salzlake ein Ersatz für die Martiniolive machen – aus regionalen Breitengraden stammend.

Wer bereits Erfahrung in milchsaurer Fermentation gesammelt hat, könnte hierbei die gesättigte Salzlake durch eine ungesättigte, 5%ige Lake austauschen und sich mit Sauerkrauttopf bewaffnet an der milchsauren Gärung grüner Kornelkirschen zum Olivenersatz probieren. Dabei entstehen mit Hilfe von Milchsäurebakterien nicht nur die typischen Sauerkrautaromen durch Umwandlung von Einfachzucker in Milchsäure. Milchsauer fermentierende Bakterien sind auch befähigt zur sogenannten malolaktischen Gärung, bei der Apfelsäure zu (weniger) Milchsäure umgewandelt wird. Da die Kornelkirsche über ein hohes Maß an Apfelsäure verfügt, ließe sich so der Säuregehalt der finalen „Korneloliven“ reduzieren.

Eine vielseitige Pflanze für die saisonale Bar, diese Kornelkirsche, früh wie auch spät im Jahr. Viel Spaß beim Sammeln.

Kornelkirschblüte

Zutaten

3 cl Gin (Roku)
3 cl Ginjo Sake (Gekkeikan)
1 cl Pisco Mosto Verde Italia (Cuatro)
2 cl Cordial von der Kornelkirschblüte
2 Dash Falernum (3 Island)
1 Spray Absinth

Saison im Glas | Verjus & Cordial | Die Kornelkirsche
Credits

Foto: Ruben Neideck, Velvet Bar, Sarah Swantje Fischer , Hock.co, Malva Kaszubska

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