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American Whiskey

American Whiskey: Straighte Ansage!

Was genau macht eigentlich American Whiskey aus? Zehn Fakten über die vermeintliche Boom-Gattung, über die oft Unklarheit herrscht. Dazu haben wir in Vorschriften und Gesetzestexten gebuddelt und unternehmen einen Streifzug durch Steuerbehörden und versiegelte Lagerhäuser.
Ja, wir kennen die Basics. Bourbon basiert mehrheitlich auf Mais, Rye auf Roggen. Genauso wie das ausgekohlte Fass für guten US-Whiskey nur einmal belegt werden darf. Und, ja: Es gibt sogar American Malt Whiskey, auch wenn man den kaum kaufen kann. Danach wird’s schon dünn. Tatsächlich geistert über die Trendkategorie American Whiskey auch viel Halbwissen durch den Bar-Äther. Zeit für einen Streifzug durch Steuerbehörden, Holzkohle, versiegelte Lagerhäuser sowie eine Suche nach dem mysteriösen „e“.

Fakt Nr. 1: The e does the trick

Beinahe Allgemeinwissen: US-amerikanischer (und irischer) Whiskey schreibt sich mit „e“, schottischer (und kanadischer) hingegen ohne. Das ist zwar korrekt und mag aus historischer Sicht einleuchten: Die Brenntradition der USA wurde maßgeblich durch die Millionen von Iren geprägt, die ins Land immigrierten, während England und Schottland die Kultur des englischsprachigen Teils von Kanada geprägt haben. Tatsächlich ist diese „Regel“ aber nicht bindend. Man kann seinen Whisk(e)y also schreiben, wie man will. Es gibt jedoch mit Maker’s Mark nur einen relevanten American, der sich ohne „e“ schreibt.

Fakt Nr. 2: Das „TTB“

Eine zentrale Instanz in Sachen American Whiskey, von der man gemeinhin nichts mitbekommt, ist das „Alcohol and Tobacco Tax and Trade Bureau“ (TTB), eine dem US-Finanzministerium zugeordnete Behörde. Das TTB ist nämlich der Herausgeber und Aufseher der Regularien für Spirituosen – also auch für American Whiskey. Das geht so weit, dass letztlich jedes Etikett vom TTB im Blick auf seine Verkehrsfähigkeit freigegeben werden muss. Kurios: Ausgerechnet das Bureau verwendet in seinen Dokumenten teilweise die Schreibweise ohne das besagte „e“. Ein Beispiel? Bitte: ttb.gov/spirits/bam/chapter4.pdf

Fakt Nr. 3: Kein Farbstoff!

Die USA, das Land der hochgejazzten Lebensmittel. Ob gechlortes Leitungswasser, High-Fructose-Corn-Syrup in der Limo oder „Fluff“ als Brotaufstrich. Man nimmt es nicht so genau mit der Naturbelassenheit. Anders ausgerechnet beim Whiskey, wo man mal locker dem Scotch den Schneid abkauft: Denn American Whiskey darf als reines Naturprodukt unter keinen Umständen gefärbt werden – während ein schottischer Brenner seinen Single Malt durch den Einsatz von Zuckerkulör (E 150a) aromatischer aussehen lassen darf. Das Einzige, was einem American Whiskey die Farbe geben darf, ist das Fass, in dem er reift.

Fakt Nr. 4: Straight Edge

Auf fast allen US-Whiskeys, die man hierzulande bekommt, prangt das Wörtchen „Straight“, dabei ist es nicht obligatorisch. Denn ein „straighter“ American Whiskey – egal ob Bourbon, Rye, Malt oder Corn –  muss mindestens zwei Jahre in „charred new oak containers“, also ausgekohlten, erstbefüllten Eichenfässern gereift worden sein. Jetzt klingen zwei Jahre nicht nach viel. Bedenkt man aber die extremen Temperaturschwankungen im Süden der USA, ist klar, wie schnell das Holz Einfluss auf das Destillat nimmt. Ein guter Straight Whiskey wird dennoch deutlich länger gereift.
Fun Fact: In den USA selbst findet man auch zahlreiche nicht-straighte Whiskeys. Die heißen dann „Whiskey distilled from Bourbon Mash” oder „Blended Light Whiskey“ und kosten ein paar Dollar. Aus guten Gründen spricht man nicht so viel über sie.

Fakt Nr. 5: Bottled in Bond

Mit dem „Bottled in Bond Act“ von 1897 wurden zwei Probleme angegangen: der Verkauf schlechten Fusels und die Steuerverluste durch Schwarzbrennerei. Das Gesetz wurde freilich mehrfach geändert, die Grundparameter gelten aber immer noch: Ein Brenner reift eigene Whiskeys aus einer Brennsaison mindestens vier Jahre in einem durch die Behörden verplombtem („bonded“) Lager. Auch die Abfüllung geschieht unter Behördenaufsicht. Auf diese Weise entgehen dem Staat keine Steuern, im Gegenzug erhalten Brennereien, die das Verfahren anwenden, generelle Steuererleichterungen. Übrigens: Ein „Bottled in Bond“ muss stets mit 50% Vol. abgefüllt werden.

Fakt Nr. 6: Französisch? Vanille? Kentucky?

„If it ain’t from Kentucky, it ain’t no Bourbon.“ Ein saloppes Sprichwort, das höchstwahrscheinlich die Einwohner Kentuckys erdacht haben. Und tatsächlich ist die Gattung Bourbon benannt nach dem Landkreis „Bourbon County“, der wiederum als Dank an die französische Hilfe im Unabhängigkeitskrieg nach dem Königshaus der Bourbonen getauft wurde. Allerdings: Obwohl Kentucky nach wie vor das absolute Zentrum der US-Whiskey-Industrie darstellt, dürfen Bourbon, Rye und alle anderen Sorten natürlich überall im Land hergestellt werden. Ironie des Schicksals: Im heutigen Bourbon County wird kein Bourbon mehr produziert. Und nein: Mit der gleichnamigen Bourbon-Vanille hat der Schnaps gar nichts zu tun – auch, wenn er nach Vanille duftet.

Fakt Nr. 7: Tennessee – eine eigene Kategorie?

Eine Sonderform stellt Tennessee Whiskey dar, der aus dem gleichnamigen Bundesstaat kommen muss. Oft hört man dann, ein Tennessee sei kein Bourbon; und das ist falsch. Tatsächlich ist er üblicherweise ein Straight Bourbon (siehe Punkt 4), der zusätzlich einer verpflichtenden Filtration mit Holzkohle unterzogen wurde. Davon verspricht man sich im Allgemeinen eine besondere Milde, da die Kohle Unreinheiten aus dem frischen Destillat filtert. Seit Jahren allerdings schwelt unter den Brennern im Staat ein Streit darüber, ob die Regelung zu nah am Verfahren von Marktführer Jack Daniel’s ausgerichtet sei. Auch hier natürlich ein Sonderfall: Bei Benjamin Prichard’s, der ausgerechnet in jenem Landkreis produziert wird, in dem die Filtrationsmethode einst erfunden wurde, hat man eine Sondergenehmigung und darf den Whiskey auch ohne Filtration als „Tennessee“ labeln.

Fakt Nr. 8: Augen auf beim Etikett!

Immer wieder wird darüber gesprochen, dass viele „Hersteller“ teurer Bourbons oder Ryes ihre Whiskeys gar nicht selbst brennen, sondern von Großbrennern kaufen und dann weiterverarbeiten. Wobei nicht mal das sein muss: Jene Industriebrenner bieten gar gereifte Whiskeys an, die vom Abnehmer sofort abgefüllt werden könnten.
Für den Verbraucher wird es da schwierig, dem Etikett entnehmen zu können, woher sein Whiskey kommt. Steht nämlich „Produced and Bottled in Kentucky“ drauf, bedeutet das höchstwahrscheinlich, dass der Whiskey woanders eingemaischt und gebrannt worden ist – denn für den Begriff „Produced“ genügt es schon, dass der Hersteller den Brand bei sich weitergereift hat (und seien es nur wenige Tage!). Die Formel „Distilled in XY“ wird dann für gewöhnlich in sehr kleiner Schrift irgendwo am Rand des Labels platziert. Es ist kompliziert …

Fakt Nr. 9: Niemand spricht über die arme Hefe

Dinge, die an Whiskey sexy sind: Getreidefelder in der Abendsonne, kupferne Brennanlagen, urige Fässer sowie Kerle aus echtem Schrot und Korn, die vor dem Warehouse auf dem Schaukelstuhl warten, bis endlich ein Fass fertig ist. Weniger sexy: Hefepilze und der durch sie in Wallung gebrachte Gärbottich mit Getreidesuppe. Trotzdem beginnt jeder Tropfen Whiskey genau damit.
Jeder US-Brenner achtet wie der Teufel darauf, dass sein eigener Hefestrang nicht verunreinigt wird. Denn die Hefe sorgt bei der Fermentation bereits für einen ordentlichen Teil des Aromas, viele Kenner meinen gar, sie habe größere Auswirkung als die Getreidebasis. Wer einmal Rye-Maische aus dem Gärbottich probieren durfte, weiß, was gemeint ist: Man glaubt, Porridge mit Äpfeln, Birnen und Weihnachtsgewürzen zu trinken. Ist aber nur Getreide. Versuchen Sie das mal ohne Hefe.

Fakt Nr. 10: Keine Extreme!

Während hohe Zahlen immer erst mal Eindruck schinden, ist Mäßigung meist der bessere Weg: So schreibt das TTB auch vor, dass American Whiskey höchstens auf 80% Vol. destilliert werden darf. Das ist weniger effizient, gewährleistet aber einen deutlichen Aromentransport. Zur Fassreifung darf der Brand dann höchstens noch 62,5 % aufweisen – und das hat einen gewichtigen Grund: Besonders Bourbon erhält sein typisches Aroma durch Vanillin und Karamell aus dem ausgekohlten Fass. Karamell wiederum löst sich nicht in Alkohol, sondern in Wasser. Ein zu hoher Alkoholgehalt im Fass ist somit nicht sinnvoll, da er die Extraktion erschweren würde. Qualitätsbewusste Brenner setzen ihre Brände daher vor der Reifung eher auf Stärken von ca. 55% Vol. herab. Und das Beste: Aufgrund des speziellen Klimas der Südstaaten verdampft im Laufe der Reifung mehr Wasser als Alkohol – nach einigen Jahren sind dann wieder über 60% Vol. im Fass.
Der vorliegende Artikel erschien in leicht anderer Form zuerst in der aktuellen Ausgabe 3/2018 von MIXOLOGY, dem Magazin für Barkultur.

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Foto: Shutterstock

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