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Bier, Bars & Brauer im November I

Diese Woche blickt die Bierwelt zur Brau Beviale und zum European Beer Star. Und der Discounter Lidl verkauft plötzlich verdächtig bekanntes “Craft” Beer.  Außerdem freut man sich in der britischen Siren Brewery über deutschen Zuwachs und auch Graz feiert erstmals das kreative Brauen. Cheers!

Wenn sogar die Discounter versuchen, auf der neuen Bierwelle zu surfen, kann man davon ausgehen, dass sich wirklich etwas tut in der deutschen Hopfenwelt. Doch dazu später mehr, wir schauen zunächst ins Bier-Mekka Franken.

BRAU BEVIALE NÜRNBERG 2015

Trotz aller Craft-Festivals und Halbmessen, die Brau Beviale – liebevoll nur kurz „Brau“ genannt – ist für die Bierszene in Deutschland nach wie vor wegweisend. Die Besonderheit: auf dem Nürnberger Messegelände sind zwischen dem 10. und 12. November Brauer nicht Aussteller, sondern Gäste und Kunden. Stattdessen präsentieren sich Hersteller von Brau- und Abfüllanlagen, es dreht sich alles um innovative Zapftechniken, Rohstoffanbau, Lieferung und Lagerung sowie Marketing.

Aus Craft-Sicht beunruhigend war der Andrang bei den Hopfenbauern. Die schlechte Ernte sorgt dafür, dass gerade noch nicht großflächig angebaute Sondersorten schwerer betroffen sind, und nun bangen die Kleinbrauer um ihre Rohstoffversorgung. Womöglich müssen Bierliebhaber sich bei einigen Favoriten auf Rezeptänderungen einstellen. Nun, der Craft-Veteran ist Neuem gegenüber aufgeschlossen und knabbert schicksalsergeben eine Tüte Knuspermalz von Weyermann (ähnlich wie gebrannte Mandeln, nur mit Malz), trinkt dazu aus den neuen Spezialbiergläsern wie dem Craft Master Two von Riegele oder dem Barrel-Aged-Glas von Spiegelau und hofft auf eine hopfige Zukunft.

European Beer Star 2015

Ebenfalls im Rahmen der Brau Beviale fand die Preisverleihung für die Gewinner des diesjährigen European Beer Star statt. Diese Veranstaltung, zu Beginn ihrer inzwischen elfjährigen Geschichte im internationalen Vergleich noch eher belächelt, hat sich inzwischen zu einer ernst zu nehmenden Instanz gemausert. Aus anfänglich 24 Verkostern sind mittlerweile 117 geworden, aus 271 eingereichten Bieren fast 2.000. Die Juroren loben dabei vor allem die in Teams ablaufenden Verkostungsreihen, bei denen gerade um die Gewinner leidenschaftlich debattiert wird.

Die Preisvergabe reflektiert die Vielfalt der Bierwelt, und so gehören kleine, deutsche Traditionsbrauereien ebenso zu den Preisträgern wie große Konzerne wie Heineken. Auffällig: Während klangvolle Namen der amerikanischen Bierwelt wie Oscar Blues oder Firestone Walker einige Goldmedaillen abgreifen konnten, fehlen deutsche Crafties an der Spitze fast völlig. Einzig die Ratsherrn-Brauerei, deren Craft-Für und Wider ja eifrig diskutiert wurde, konnte mit der Braumeister Edition Chardonnay Springbock einen Sieg verbuchen. Deutsches, modernes Craft Beer hat also offenbar noch einiges an Wegstrecke zurückzulegen um sich international messen zu können.

Craft Beer Festival Graz

Auch in der Alpenrepublik wächst und gedeiht das Craft-Pflänzchen, und wie  in Deutschland wird viel Wert darauf gelegt, Bier in Gesellschaft zu konsumieren. Bierfestivals mit Verkostungsfokus sind folgerichtig auch hier der letzte Schrei. Jüngster Zugang: Graz. Die selbsterklärte Genusshauptstadt Österreichs bietet am kommenden Wochenende vom 13.-15- November rund 40 Brauereien und über 150 Bieren in der Stadthalle drei Tage lang eine Heimstätte. Mit von der Partie sind lokale Crafties ebenso wie internationale Namen, etwa Thornbridge oder Kona.

Wie bei jedem Craft-Festival darf natürlich auch hier ein Zankapfel nicht fehlen, denn ob Astra nun Craft genug ist, darf über einigen Humpen eifrig diskutiert werden. Die Eintrittspreise sind mit € 9 pro Tag erschwinglich, im Preis enthalten sind 3 Jetons für Bierproben, weitere müssen hinzugekauft werden. Mehr Information gibt es hier.

A Lidl bit of(f) Craft – Eichbaum für den Discount umgelabelt?

„Powered by Perlenbacher“ dürfte auf der Rangliste dessen, was ein Bierenthusiast auf seiner Flasche lesen möchte, ähnlich hoch rangieren wie „Bud Light“ oder „eiskalt genießen“. Dennoch stürzt sich nun auch die Lidl-Billigbiermarke – üblicherweise gekennzeichnet durch die praktische Plastikbuddel-Herrenhandtasche – in die Flut neuer Biere, um auf der Craft-Welle zu reiten. Drei neue Sorten gehen unter dem Namen “Maltos” an den Start: Barley Blanc (heller Bock mit der Hopfensorte Hallertau Blanc), Barrique Style (dunkler Doppelbock mit holziger Würze) und Paradiso Zwickl (Kellerbier mit Mosaic-Hopfen), komplett mit aromatischer Beschreibung, Trinktemperaturangabe und der offenbar unverzichtbaren, schwungvollen Unterschrift des verantwortlichen Brauers.

Nur kommt selbiger offenbar nicht aus der Perlenbacher-Heimstatt – der Mauritius Brauerei Zwickau – sondern von Eichbaum aus Mannheim, wo ein quasi deckungsgleiches Craft-Sortiment unter dem Namen Brauhaus Edition mit den Sorten Chardonnay, Paradiso und Barrique verfügbar ist.

Die Vermutung liegt also nahe, dass hier einfach umgelabelt wurde. Bisher stand trotz mehrfacher Anfrage kein Mitarbeiter der Eichbaum GmbH für eine Aussage bereit. Ob es sich also um das günstige Abstoßen schlecht laufender Artikel, die Eröffnung neuer Vertriebswege oder einfach eine laxe Form von Auftragsbrauen handelt, bleibt vorerst fraglich. Craft Beer bei Lidl jedenfalls dürfte die Gemüter erhitzen. War der Craft-Biertrinker schon zuvor der Fußgänger unter den Genussmitteljunkies, steht die Tür zum absoluten Billigsnob nun einladend weit geöffnet.

Dresdner bei Siren Craft Brew

Siren Craft Brew, von ratebeer.com zur besten Brauerei Englands 2015 gewählt, hat einen neuen Braumeister: Markus Wagner. Seit sieben Jahren braut der junge Dresdner, und er kann in dieser Zeit auf eine facettenreiche Karriere in der Bierwelt zurückblicken, denn gefeierte Craft-Größen wie Firestone Walker und Camden Town stehen ebenso in seinem Lebenslauf wie Großkonzerne à la Radeberger und Heineken.

Mit seiner in Kalifornien erlernten Expertise im Bereich Fassreifung dürfte er zu Siren passen wie die Faust auf’s Auge. Schließlich sind die Biere aus Wokingham (westlich Londons gelegen) doch bekannt für ausgefallene Aromen wie etwa beim “Whiskey Sour”, einem Limoncello IPA, das in Bourbonfässern ausgebaut wird. Wagners erstes Bier soll übrigens ein Brombeer-IPA werden.

Credits

Foto: Bierglas via Shutterstock.

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