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Alles andere als ein Sargnagel: der Bloomed Coffin Nail

Kamille und Drambuie, Lavendel und Scotch? Im Sommer?! Ja, wie David Rippen mit seinem erfrischenden „Bloomed Coffin Nail“ beweist. Der Rusty Nail-Twist des Bartenders aus der Square Bar in Düsseldorf entführt auf frische Wiesen und in den eigenen Garten.

Wir schreiben das Jahr 1988. Die in Münster geborene Britin Tanita Tikaram feiert mit ihrem simpel arrangierten und minimal instrumentalisierten Song „Twist in my Sobriety“ Charterfolge in ganz Europa. Trotz all der Lobeshymnen und positiven Resonanz verblasst der Stern der damals 19-Jährigen jedoch nach relativ kurzer Zeit, als sie mit ihren Nachfolge-Werken nicht mehr an den Erfolg des Debüts anknüpfen kann. So nebensächlich und trivial diese Pop-Anekdote auch erscheinen mag, lässt sie sich parabolisch auch auf die Cocktail-Welt übertragen: Exquisite Labsale, gefeiert und schnell vergessen, sind auch hier keine Seltenheit. Umso konkreter wird der Zusammenhang, wenn man einen Blick auf die Übersetzung des von Tikaram besungenen Stück Popgeschichte wirft: Twist als die Drehung und überraschende Wendung der sobriety, der Einfachheit.

Tatsächlich ist es dieses Einfache, das der große Feind eines jeden mit Food-Pairing angebenden und hausgemachten Ingredienzen auffahrenden Bartenders zu sein scheint. Besonders tricky wird es, wenn man sich einem klassischen Cocktail mit vermeintlich festgefahrenen Strukturen widmet. Ein Martini ist nun einmal simpel und doch wirkungsvoll, ein Rusty Nail puristisch angelegt und doch überzeugend. Je weniger Komponenten, desto schwieriger der Twist, könnte man also meinen. Nicht selten haben Modern Classics, die eine Ikone des Bar-Menüs auf noch so fulminante Weise erweitern oder ihnen ein neues Gewand verleihen wollten, nicht mehr viel mit den einstigen Ideengebern zu tun. Das Grundaroma sollte jedoch aufgegriffen und unterstützt, aber nicht überdeckt werden.

When in Scotland

Insofern ist ein besonders ausgeklügelter Twist auf einen Klassiker immer eine gewisse Herausforderung. Für den Bartender insofern, als dass er dem Korsett und der Grundidee treu bleiben sollte; für den Gast, wenn dieser nur begrenzt von seiner Erwartungshaltung bei Klassikern über den Tellerrand schauen mag. Einer dieser Klassiker ist der Rusty Nail. Einfach und doch gekonnt zugleich, vermählt er rauchigen Scotch mit aromatisch-gesüßtem Honigflavour des Drambuie. Viele haben sich mit ihrer Abwandlung schon einer Bewährungsprobe unterzogen – wir berichteten. David Rippen aus der Düsseldorfer Square Bar ist jedoch nicht nur ein ganz hervorragender Twist gelungen, er hat zudem eine Komposition geschaffen, die saisonale Faktoren aufgreift und damit nahtlos an den Sommer anschließt. Vorhang auf für den „Bloomed Coffin Nail“.

Sommer und Scotch?

„Wir waren gerade dabei, die neue Karte für den Sommer vorzubereiten, dementsprechend habe ich über sommerliche Noten nachgedacht. Welche Aromen passen in diese Jahreszeit? Mir kamen sofort Kamille und Lavendel in den Kopf, diese wollte ich vereinen. Mir fehlte auch noch eine kernige Männernummer im Menü, da war die Verbindung zum Rusty Nail schon geschaffen. Kontrastreich und dennoch klassisch“, so David Rippen überzeugt von seiner sommerlichen Abwandlung einer wahren Cocktail-Größe.

Tatsächlich präferieren Rippen und sein Team zwölf Jahre alten Bowmore als Grundzutat. Das macht hinsichtlich der in diesem enthaltenen Anklängen von Zitrus- und vor allem Honignoten auch Sinn. Zudem bringt der Single Malt von Islay gewohnt rauchige Torfaromen mit und garantiert hierdurch in Verbindung mit dem süßlichen Drambuie einen ausgewogenen Kontrast. Der im Scotch infundierte Lavendel nimmt dem Islay-Produkt ein wenig die Aggressivität und schafft zugleich Bitternoten. „Es war mir auch irgendwie zu einfach, den normalen Drambuie zu verwenden“, gesteht Rippen ehrlich. Sein 1:1 Blend aus Drambuie und dessen exklusiven Bruder Drambuie 15 erweitert das Geschmacksprofil und greift die Single Malt-Thematik gekonnt auf. Das milde Aroma der Kamille wird durch den Honiggeschmack des Drambuie vielfach aufgewertet und gefördert.

Green Meadows

Letztlich zeigt Rippens Drink nicht nur, dass es manchmal alleine minimaler Veränderung bedarf, um aus einem Klassiker etwas Neues zu schaffen, das diesen nicht in der Grundstruktur verändert. Er beweist gleichermaßen auch, dass man die besten Zutaten für einen gekonnten Twist häufig direkt im eigenen Garten vorfindet, in Form von Löwenzahn, Gundermann, Mädesüßkraut oder auch einfach nur Kamille. Man braucht eben keinen Shiso, Mate oder Bissap. Man braucht nur gute Augen.

Credits

Foto: Lavendel & Kamille & Whisky via Shutterstock. Postproduktion: Tim Klöcker.

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