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Botucal: Melodien und Lyrics aus Venezuela

Drei Wochen dauert die Weltreise, die Tito Cordero zum Berliner Rum-Fest führte. Mit MIXOLOGY sprach der Master Blender des Botucal bzw. Diplomático über neue Produkte, die in La Miel reifen, und wann sein Rum in Cocktails „darf“.
Der Mann mit der Glatze ist Herr über 260.000 Fässer. So viele 180-Liter-Gebinde lagern in der Stadt La Miel in Venezuela für die Produktion des Diageo-Rums „Cacique“, vor allem aber für den „Botucal“. Auf der Einladung zum Tasting des „Single Vintages“, die der neue österreichische Importeur Morandell organisiert hat, steht allerdings „Diplomático“. Denn so kennt die Mehrzahl der 60 Länder, in denen die Destilerias Unidas S. A. (DUSA) aktiv sind, diesen Rum.
Zum Aufwärmen erklärt Tito Cordero, was den venezolanischen Rum von den vielen anderen südamerikanischen und karibischen Kollegen unterscheidet. „Bei uns sind alles Blended Rums, das heißt konkret, wir verbinden Rum unterschiedlicher Herstellungsmethoden. Leichte Varianten aus der Kolonnendestillerie, modern und mit elektronischer Temperatur-Kontrolle, mit „Batch Ketel“-Ergebnissen im amerikanischen Stil, und den handwerklich-traditionellen Pot Stills. Die Rumindustrie macht oft nur eine Variante, wir haben immer fünf verschiedene Destillate, die dann extra gereift werden. Am Ende verschneiden wir diese dann und der Anteil an Pot Still-Rum, dem Herzstück des Diplomático, wie wir sagen, unterscheidet sich stark. Beim vierjährigen Añejo etwa sind es nur 5%“. Die unterschiedlichen Fasstypen – neben wiederbefüllten Bourbon-Casks sind sowohl Malt- als auch Grain Whisky, sowie Sherry- und Pedro Ximenez-Fässer bei der DUSA in Verwendung – erweitern den Spielraum des Master Blenders zusätzlich.
Sein Liebling: Old Fashioned
Wie aber reagiert der ruhige Master Blender von La Miel, wenn man seine penible Arbeit „schätzt“, indem man sie in Mischgetränken einsetzt? Tito Cordero bleibt, getreu dem Firmenmotto „There’s always Rum for diplomacy“, unverbindlich: „Unter den Maestros Roneros gilt es eigentlich als sacrílego, den Rum zu mischen. Wenn man einen Rum schätzen will, dann muss man ihn eigentlich pur trinken. Wenn allerdings das Aroma und der Geschmack im Cocktail immer noch durchdringen, dann ist das schon okay. Ich mag zum Beispiel gerne einen Old Fashioned mit Rum anstelle des Bourbons, das funktioniert sehr gut.“ Es scheint also Ausnahmen von der Todsünde zu geben.
Auch die Tendenz, mit sehr wertigen Spirituosen Drinks zu kreieren, hat sich durchgesetzt. So fährt Cordero fort: „Als Richard Woods (heute „Duck&Waffle“/London, d. Red.) uns 2005 in der „Floridita“ in Soho das erste Mal eine Reserva Exclusiva im Cocktail serviert hat – mit 20-jährigem, Portwein und Maple Syrup kombiniert – da waren wir noch geschockt. An sich wäre für die Cocktails ja der Botucal Añejo gedacht, aber ich habe auch schon Tiki-Drinks mit der achtjährigen Reserva gesehen. Irgendwie ist das wie in der Musik: Wir liefern die Melodie, die Mixologen aber die Lyrics dazu“.
Kalt und hochfrequent
Und wie trinkt man den Rum des diplomatischen Señor Cordero in der Bolivarischen Republik Venezuela? „Bis vor fünf Jahren war das eher ein Studentendrink, entweder kamen Früchte oder Cola dazu. Pur wurde er gar nicht so extrem oft getrunken. Und natürlich musste es immer kalt sein, also mit viel Eis“. Ob das seinem persönlichen Stil entspricht, bleibt offen. Denn er konsumiert nach eigenen Worten weder „sin hielo“ (ohne Eis), noch „con hielo“ (mit), sondern lediglich „con frecuencia“ (also: häufig). Deutlicher hingegen wird er bei der Frage nach den Auslandsmärkten. Wie die meisten europäischen Länder, konkret nennt Cordero noch Frankreich, Italien und Tschechien, läuft das Deutschlandgeschäft gut: „Das ist einer der wichtigsten Märkte in Europa“. Auch bei der beliebtesten Variante, der Reserva Exclusiva, bilden die Bars zwischen Kiel und Garmisch keine Ausnahme.
Wie war der Zuckerrohr-Jahrgang?
Eine Frage, die sich angesichts der beiden ersten Jahrgangsrums (1997 und 2000 gab es den „Single Vintage“, in Venezuela ist auch der 2001er bereits erhältlich) aufdrängt: Was macht einen guten Zuckerrohrjahrgang aus? „Beim Rum ist – anders als etwa bei Weinen – der Einfluss der Produktion und des Alterns auf die Qualität insgesamt höher. Es kommt also nicht so sehr auf den Jahrgang an, da die Destillation einiges korrigieren kann. An sich braucht es Zuckerrohr tagsüber warm, in der Nacht kühler, eine gute Regenzeit und eine sehr gute Trockenphase. Entstanden ist der erste Single Vintage aber nicht wegen des vorteilhaften Klimas eines Jahres, sondern beim Kosten der 1997er Abfüllungen, die so herausragend waren. Da haben wir sie – damals nur für Venezuela – gesondert gefüllt“.
Demnach fällt die Entscheidung, ob es überhaupt einen Single Vintage eines bestimmten Jahrgangs gibt, erst nach einigen Jahren Reife? Tito Cordero: „Ja, das ist korrekt. Für die Selektion der Fässer kosten wir ja jährlich und wenn der Reifehöhepunkt da ist, also nach einigen Jahren Lagerung, entscheiden wir. „Single Vintage“ kann aber auch bedeuten, dass sich der Blend der verschiedenen Destillationsverfahren ändert. So haben wir den 2000er ein Jahr in Sherry-Fässern nachreifen lassen. Was das Alter betrifft, so halten wir aktuell 12 oder 13 Jahre für ideal, aber auch das könnte sich ändern“.
Wann kommt der Kanzler?
Die Frage nach dem weiteren Ausbau der Diplomático-Range ist dann Chefsache. Eigentümer José Ballesteros ergänzt die Ausführungen Corderos, der die Prestige-Linie (sie umfasst den Ambassador und Single Vintage) bereits 2015 um eine „Destillery Collection“ erweitert. Dieses neue Projekt wird Rumliebhabern quasi die Elternteile der Blends vorstellen; die einzelnen Brennverfahren werden extra abgefüllt, es wird also Single Batch-, Pot Still- und Column Still-Rum geben. „In zwei bis drei Jahren wollen wir auch einen Chancellor auf den Markt bringen“, lässt sich Ballesteros noch keine Details entlocken, was danach kommt. Nur so viel: „Der Kanzler ist normaler Weise der Chef vom Ambassador“.

Credits

Foto: Tito Cordero

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